Integration

»Wir haben es geschafft«

Wir. Alle. Sind. Gemeinde.» Am Sonntagabend erhielt dieser ohnehin aussagekräftige Satz eine ganz besondere Bedeutung. Denn im Gemeindezentrum am Jakobsplatz fand unter genau diesem Motto eine Festveranstaltung statt, die den jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion gewidmet war. Genau 25 Jahre ist es her, dass die ersten von ihnen in München eintrafen. Tausende weitere folgten.

Die historische Dimension und die Veränderungen, die mit den Neuankömmlingen auf die Gemeinde zukommen sollten, habe damals keiner erahnen können. «Es gab keine Willkommenskultur, wir mussten schauen, wie wir damit zurechtkamen. Aber wir haben es geschafft», erklärte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch in ihrer Rede.

Sie betonte, dass die Zuwanderung die jüdische Gemeinschaft – nicht nur in München, sondern überall in Deutschland – elementar gestärkt habe. «Heute, 25 Jahre später, erleben wir ein größeres, selbstbewussteres und selbstverständlicheres Judentum als noch in den 1990er-Jahren. Ein Judentum, das sich konsequent, sicht- und hörbar seinen Stellenwert in der Gesellschaft zurückerobert und ausgebaut hat. Das ist auch das Verdienst jener Emigranten», sagte Knobloch.

Herausforderung Die IKG-Präsidentin sprach auch die Probleme der ersten Zuwanderergeneration an, die zum Teil noch heute eine Herausforderung seien: Verlust von kulturell Gewohntem, eine neue Sprache, nicht anerkannte Berufs- oder Universitätsabschlüsse, ungeklärte Altersversorgung oder soziale und gesellschaftliche Defizite.

Daran müsse weiter gearbeitet werden. Grundsätzlich aber sei es gelungen, die Vielzahl an Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren und in die jüdische Gemeinschaft einzubinden. «Sie wurden ein Teil von uns, ein Teil unseres Landes, das sie mitgestalten und für das sie Verantwortung übernehmen», betonte Charlotte Knobloch.

Ganz speziell richtete sie dabei ihren Blick auf die inzwischen erwachsen gewordene Nachfolge-Generation, die wie selbstverständlich in Deutschland lebe, in Geborgenheit, Freiheit und Demokratie. «Diese jungen Menschen sind wichtige Säulen für die Zukunft unseres Landes und der jüdischen Gemeinschaft», unterstrich Knobloch.

Biografie Wie bedeutend die Zuwanderung aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion für die jüdische Gemeinde in München war, zeigte, dass nahezu alle Vorstandsmitglieder an dem Festakt im Gemeindezentrum teilnahmen, darunter die beiden Vizepräsidenten Yehoshua Chmiel und Ariel Kligman, dessen Biografie selbst ein gutes Beispiel für eine gelungene Integration ist.

Denn IKG-Vizepräsident Ariel Kligman gehört zu jenen Juden, die gleich zu Beginn der 90er-Jahre nach Deutschland kamen. Er hat in München eine neue Heimat und in der IKG ein neues Aufgabengebiet gefunden. Bereits seit 15 Jahren ist er im Vorstand der Gemeinde und federführend in der Integrationsarbeit. Dafür bekam er Lob von allen Seiten.

Den Beweis dafür, wie das Ergebnis gelungener Integration aussehen kann, lieferte Ariel Kligman am Sonntag gewissermaßen selbst. Schließlich war er es, der mit Olga Albrandt von der Sozialabteilung und Ellen Presser, Leiterin des IKG-Kulturzentrums, das Fest und das Programm dazu organisiert hatte. Es war ein überaus gelungener Abend, Guy Fränkel moderierte, und das Publikum applaudierte begeistert.

Star Denn auf der Bühne des Hubert-Burda-Saals stand mit Oberkantor Shmuel Barzilai aus Wien sogar ein echter Star. Er tritt überall in der Welt auf – und eben auch bei der IKG in München. Zusammen mit dem Kinderchor Hasamir und dem Synagogenchor Schma Kaulenu trug Barzilai Lieder aus seinem Solo-Repertoire vor, das von «Dos jiddische Lied» bis «O sole mio» reichte. Bei «Kalinka» zum Schluss wippte und sang das Publikum aus vollem Herzen mit – auch die Präsidentin der IKG.

Weitere Akzente setzten die Chöre Druschba-Chaverut und Simach mit einem jiddischen Potpourri sowie das Showballett Genesis. «Wir. Alle. Sind. Gemeinde. – 25 Jahre Zuwanderung»: Unter diesem Motto waren auch Armand Presser und Maja Zylberszac ans Werk gegangen.

In ihrem Videoclip, der während des Abends gezeigt wurde, hatten die beiden Produzenten zehn Einwanderer zu Wort kommen lassen, die in München Fuß gefasst haben. Sie gewährten interessante persönliche Einblicke in den Start in ihr neues Leben.

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024

Frankfurt

Dinner mit den »Zweiflers«

Die Jüdischen Filmtage überzeugen durch ein breites Spektrum an Angeboten

von Johanna Weiß  30.08.2024

Nationalität

Keine Stimme

Ein großer Teil der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion hat selbst nach Jahrzehnten noch keinen deutschen Pass – und darf deshalb nicht an Wahlen teilnehmen. Wie kann das sein?

von Joshua Schultheis  29.08.2024

Potsdam

»Sie können sich auf uns verlassen«

Bundeskanzler Olaf Scholz besichtigte das neue Synagogenzentrum im Herzen der Stadt

von Christine Schmitt  28.08.2024

Ausstellung

Stolze Lebensbilder

Das Jüdische Museum München zeigt Porträts jüdischer Bürger

von Ellen Presser  27.08.2024