Premiere

Ohne Gejiddel

Szene aus »Es war einmal in Deutschland …« Foto: XVerleih

Für Sam Garbarski, 1948 in Planegg geboren und in der Münchner Borstei aufgewachsen, war die München-Premiere seines Films Es war einmal in Deutschland … ein Heimspiel. Und zwar im doppelten Sinn: Nicht nur, dass er mit seinem Sohn zu dessen 20. Geburtstag in der Allianz Arena das Fußballduell FC Bayern gegen Borussia Dortmund verfolgte. Er traf auch seine »Spezln« aus Kindheitstagen wieder, mit denen er im jüdischen Jugendklub »Maon Hanoar« abgehangen war, bis es ihn mit Anfang 20 nach Belgien zog. Sie waren alle Kinder von Holocaust-Überlebenden, nur dass Garbarski von seinen Eltern so gut wie nichts erfuhr.

Wie er anschaulich zu erzählen weiß, elektrisierten ihn darum die Geschichten von Michel Bergmann sofort. »Auch wenn meine Familie keine Teilacher (Handlungsreisende für Wäsche) waren, habe ich mich absolut wiedergefunden«, so Garbarski bei der Filmpremiere. Der Werbefachmann und preisgekrönte Regisseur Garbarski tat sich mit dem erfahrenen Drehbuchautor und Schriftsteller Bergmann, der 1945 als Kind jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz geboren wurde, zusammen.

Jüdischkajt Entstanden ist dabei ein wunderbarer Spielfilm, der bei der Erstaufführung in München einhellig auf Begeisterung stieß. Das lag an der wohlüberlegten Besetzung: Moritz Bleibtreu gibt den Frankfurter David Bermann, Mark Ivanir – in der Ukraine geboren und in Israel aufgewachsen – spielt Holzmann. Anatole Taubman verkörpert den Musiker Fränkel, der beim Verkauf von Wäschepaketen zu großer Schauspielerei aufläuft, Tim Seyfi überzeugt als Fajnbrot. Jeder eine Type, jeder eine eigene Welt, jeder mit einer Sprache, die man ihm abnimmt – ohne Gejiddel, aber Jüdischkajt atmend.

Zur Premiere im City Kino kamen Sam Garbarski, Moritz Bleibtreu und Tim Seyfi. Für den bayerischen Türken beziehungsweise türkischen Bayern Seyfi hat jeder historische Film, der heute entsteht, einen Bezug zur Gegenwart: »Man kann nicht oft genug an die deutsche Vergangenheit erinnern.« Der Jetlag-geplagte Moritz Bleibtreu sah das ganz anders. Für ihn ist das Garbarski-Filmprojekt kein politisches Werk: »Es geht nicht um Politik, es geht um Menschen.« Er wolle Emotionen vermitteln. Darum könne er, wenn ihn eine Rolle interessiere, auch jede Person verkörpern. Ob Joseph Goebbels oder einen Holocaust-Überlebenden, für das Multitalent macht das offenbar keinen Unterschied. Der Zuschauer, der mitgeht, Partei ergreift, sieht das vielleicht anders.

Hier hätte eine spannende Debatte ansetzen können, wenn das Gespräch nicht schon aus dem Ruder gelaufen wäre. Sam Garbarski versuchte, es zu retten. Ihn fasziniert die Fähigkeit zur Überlebenskunst, der jüdische Humor, »der selbstironisch ist«, weniger lustig, »sondern eher philosophisch«. Dass die Hauptfigur David Bermann am Ende in Deutschland bleibt, ist gewollt. Am Schluss des Films heißt es: »Einer musste doch bleiben, um dieses schöne Land nicht allein den Deutschen zu überlassen.«

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