Nachruf

»Mit seiner Liebe hat er Maßstäbe gesetzt«

Isak Wasserstein sel. A. Foto: Miryam Gümbel

Für alles gibt es die richtige Stunde, lehrt uns der Talmud. Es gibt eine Zeit, in diese Welt geboren zu werden, aber auch die Stunde, da wir von dieser Welt gehen. Und damit für uns die Stunde des Abschieds.

Abschied von einem großartigen Menschen, der nicht nur seiner Frau und seiner ganzen Familie – sondern uns allen unendlich fehlen wird. Sein Platz in der Synagoge war bereits seit einiger Zeit immer öfter frei geblieben. Aufgrund seiner schwindenden physischen Kraft war es Isak Wasserstein sel. A. zuletzt nicht mehr möglich, am gemeinsamen Gebet teilzunehmen. Wir alle haben ihn seither nicht nur an Schabbat schmerzlich vermisst.

In Erinnerung bleibt uns das Bild jenes stattlichen Mannes – groß in jeder Hinsicht –, der aufrecht und mit starker Stimme die Gebete sprach. Isak Wasserstein sel. A. gehörte zu den Grundpfeilern religiösen Lebens in unserer Gemeinde.

Ein Leben nach den Gesetzen der Tora war für ihn eine Selbstverständlichkeit, die er an die nächsten Generationen weitergab. Sein Verwurzeltsein im festen Glauben hatte auch die Schoa nicht zerstören können.

Ebenso bewahrte er sich seine Mitmenschlichkeit und seine Nächstenliebe im Ghetto, im Konzentrationslager, durch alle Zeiten hindurch.

Erinnerung Isak Wasserstein sel. A. hinterlässt eine Lücke, die nicht zu füllen sein wird – in unseren Herzen, in unserer Gemeinde, in dieser Welt. Denn nicht nur er hat diese Welt verlassen. Vielmehr ist mit Isak Wasserstein ein weiteres Stück jener Welt für immer gegangen, in die er und seine Generation hinein geboren wurden – und die es in dieser Form nie wieder geben wird.

So war es Isak Wasserstein sel. A. ein Anliegen, vor allem jungen Menschen diese jüdische Welt von einst, die Traditionen und Werte eines jüdischen Lebens, wie er es in seinem orthodoxen Elternhaus in Warschau gelernt hatte, nahezubringen. Mit seinen Erzählungen hat er die Erinnerung an diese Welt wach gehalten. Möge es uns von Generation zu Generation gelingen, dieses Vermächtnis weiterzutragen.

Ebenso machte er es sich im Namen vieler Millionen Menschen zur Lebensaufgabe, dass das grausame Kapitel über die Gräuel der Verfolgung nicht zugeschlagen wird.

Auch wenn es ihn viel Kraft kostete – er setzte sich mit seinem Buch und seinen Vorträgen in Schulen und Einrichtungen stets dafür ein, dass sein Leid und seine Geschichte die Nachgeborenen auf ewig mahnen möge, aufeinander Acht zu geben und die Menschlichkeit in jedem Moment und zu jeder Zeit als unser höchstes Gut zu achten und zu wahren.

Isak Wasserstein zichrono libracha teilte aber nicht nur seine Erinnerungen mit uns. Er teilte vor allem auch seine Freude und seinen Lebensmut. Stets war er sich bewusst, dass ihm das Leben doppelt geschenkt wurde – zunächst vor über 90 Jahren und dann vor über 70 Jahren, als er bereits an der Rampe von Auschwitz stand. Es war ihm eine Herzensangelegenheit, die Menschen an diesem Geschenk teilhaben zu lassen.

Er hat es auf bewundernswerte Weise vermocht, aus dem Spannungsfeld der Schicksalsschläge, die er im Laufe seines Lebens ertragen musste, und den Momenten des Glücks Energie zu schöpfen. Dabei war ihm seine geliebte Ehefrau Rosa die Krönung in seinem Leben, die ihn durch viele schwere Zeiten hindurch gestützt und gehalten hat. Isak Wasserstein sel. A. war vielen Menschen ein Vorbild.

Persönlichkeit Er hat mit seinem Wirken, seiner Ausstrahlung und seiner Persönlichkeit, seiner Menschenliebe, seiner Wohltätigkeit und seiner Klugheit Maßstäbe gesetzt, die jedem Menschen als Leitbild dienen können. Dabei war er stets von größter Zurückhaltung und vornehmer Gestalt.

Ich bin dankbar für das Glück, diese großartige Persönlichkeit ein Stück auf seinem Lebensweg begeleitet haben zu dürfen. Wir alle haben Grund, dankbar zu sein, dass wir an seinem religiösen Wissen und an seiner Lebensweisheit teilhaben durften. Das Schicksal zwingt uns, von einem lieb gewonnenen Menschen Abschied zu nehmen.

Von einem Menschen, der mit seiner herausragenden Persönlichkeit ein Stützpfeiler unserer Gemeinde war. Er war Ehrenmitglied der IKG. Zahlreiche weitere Urkunden in seinem Zuhause und verschiedene Briefe erzählen davon, dass er – und das ganz im Hintergrund und ohne großes Aufheben, – vielen Menschen mit Rat und Tat und auch finanzieller Unterstützung zur Seite stand.

Isak Wasserstein sel. A. war Teil unseres religiösen Fundamentes. Teil unserer Gemeinschaft als Wertegemeinschaft. Er war ein Teil der alten Welt und doch ein wichtiges Stück Zukunft, weil wir uns von Isak Wasserstein sel. A. leiten lassen können – weil wir von ihm lernen können: Verantwortung, G’ttvertrauen und Menschlichkeit. So lebt Isak Wasserstein sel. A. in uns fort, auch wenn unsere Herzen am heutigen Tage voller tiefer Trauer sind. Seinen Hinterbliebenen möchte ich versichern, dass wir als Gemeinde in dieser schmerzvollen Zeit für sie da sind.

Einen besonderen Stellenwert hat für Isak Wasserstein sel. A. zeit Lebens Erez Israel eingenommen. Bis zuletzt mit wachem Verstand verfolgte er die Situation in dem Land, das er liebte. So liegt auch sein Grab in Herzliya.

Aber hier in München liegt sein Vermächtnis. Wir, die Münchner Gemeinde, werden ihn vermissen – nicht nur am Schabbat und den Feiertagen, wenn sein Platz in der Synagoge nun für immer frei sein wird. Wir verneigen uns vor diesem Menschen. Er war ein Grandseigneur der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Möge die Seele von Isak Wasserstein sel. A. eingebunden sein in das Bündel des ewigen Lebens.

Porträt

Kiel – Alles in einem

Von Sozialberatung über Kinder- und Jugendtheater bis zu Sprachkursen: In der Kieler Gemeinde ist alles unter einem Dach vereint

 16.06.2022

Porträt

Mainz – Neue Synagoge mit langer Tradition

Einst war Mainz Teil der legendären SchUM-Städte, heute steht dort eine ganz besondere Synagoge

 16.06.2022

Porträt

Speyer – Eine traditionsreiche Gemeinde

Im Mittelalter war Speyer ein wichtiges Zentrum des Judentums. Heute hat die Gemeinde wieder 567 Mitglieder

 16.06.2022

Porträt

Kaiserslautern – xxx

xxxxx

 16.06.2022

Berlin

Bundespräsident besucht Geflüchtete

Frank-Walter Steinmeier trifft Kinder und Jugendliche aus Odessa im Jüdischen Bildungszentrum

von Joshua Schultheis  07.03.2022

Düsseldorf

Die Makkabäer sind los!

Zum dritten Mal findet in Nordrhein-Westfalen das größte jüdische Sportfest Deutschlands statt

 03.09.2021 Aktualisiert

Brandenburg

Jüdische Gemeinden feiern 30 Jahre ihrer Wiedergründung

Mit einem Festakt begingen rund 150 Gäste aus der jüdischen Gemeinschaft und der Landespolitik das runde Jubiläum

 01.09.2021

Jubiläum

Seit 151 Jahren Teil der Stadtgesellschaft

1870 beschlossen elf Männer, in Gelsenkirchen eine eigene jüdische Gemeinde zu gründen - jetzt wurde an sie erinnert

von Michael Thaidigsmann  30.08.2021

Bremen

Neue Torarolle zum Jubiläum

In der Hansestadt feierte die jüdische Gemeinschaft am Wochenende den 60. Jahrestag der Eröffnung ihrer Synagoge

von Michael Thaidigsmann  30.08.2021