Jubiläum

Mazel Tov, Meck-Pomm!

Die Computer sind ältere Modelle, die Farbe an den Toilettenwänden wirkt bröckelig, und die Türklinken machen beim Anfassen den Eindruck, als drohten sie demnächst abzufallen. Doch an Herzlichkeit übertreffen die Mitarbeiterinnen der Jüdischen Gemeinde Schwerin viele andere, die man aus größeren Gemeinden kennt. »Nehmen Sie Kaffee! Nehmen Sie noch ein Stück Kuchen!«, drängen die Frauen – fast alle von ihnen arbeiten ehrenamtlich – wieder und wieder mit russischem Akzent.

Mehr als 200 Gemeindemitglieder und Ehrengäste feierten am vergangenen Donnerstag das 20-jährige Bestehen des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern – in der neuen, lichtdurchfluteten Synagoge am Schlachtermarkt mit dem hellblauen Davidstern im Fenster über dem Toraschrank, die 2008 eröffnet wurde.

Sanierungsbedarf Die gemieteten Räume aber, in denen nebenan die Gemeindeverwaltung untergebracht ist, sind so sanierungsbedürftig, dass eine Instandsetzung des denkmalgeschützten Hauses für die finanzschwache Gemeinde keinen Sinn macht: »Das würde Millionen kosten«, sagt Valeriy Bunimov, Vorsitzender des Landesverbandes.

Es gibt eine Alternative: Der Jüdischen Gemeinde Schwerin gehört ein 200 Jahre altes Fachwerkhaus nur mehrere Meter weiter – unter der Adresse Großer Moor 12. Ein Rabbinerhaus mit Tradition, in dem zwischen 1840 und 1847 auch der damalige Landesrabbiner im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Samuel Holdheim, wohnte. Auch dieses Haus ist, wie viele Gebäude in der Altstadt, sanierungsbedürftig – allerdings mit Kosten »nur« im sechsstelligen Bereich: »Wir haben mit Unterstützung des Zentralrates 130.000 Euro investiert. Das Dach und die Fenster der Hofseite sind saniert«, sagt Bunimov.

Denkmalschutz Doch die Gesamtsumme beläuft sich, so der Vorsitzende des Landesverbandes, auf 520.000 Euro. Bereits zweimal hat die Schweriner Gemeinde dafür Mittel beim Landesamt für Denkmalschutz beantragt – bisher vergeblich. Einen Umstand, den auch Dieter Graumann kritisiert.

Gemeinsam mit seinen Präsidiumskollegen Mark Dainow und Küf Kaufmann war der Zentralratspräsident zur Jubiläumsfeier nach Schwerin gekommen, um den Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern den Rücken zu stärken. Er wünsche sich, dass der Traum vom eigenen Gemeindezentrum erfüllt werden könne, sagte Graumann: »Wann, wenn nicht bei einer schönen runden Geburtstagsfeier, soll man sich denn schöne Dinge wünschen dürfen?«

Am 24. April 1994 hatten sich in Rostock und Schwerin neue Gemeinden gegründet – nachdem das jüdische Leben in der Region während der Zeit der DDR fast zum Erliegen gekommen war. »Wir alle kamen aus der ehemaligen Sowjetunion. Wir hatten keine Erfahrungen, wie sich Gemeinden finanzieren und nach welchen Prinzipien sie funktionieren sollten. Wir hatten Probleme mit der deutschen Sprache, die Gemeinden hatten keinen Rabbiner«, erinnerte sich Bunimov.

Heute gehören der Schweriner Gemeinde, die eine Zweigstelle in Wismar unterhält, etwa 930 Mitglieder an, in Rostock sind es knapp 600. Zentralratspräsident Graumann würdigte ausdrücklich das Engagement und die Aufbauleistung Bunimovs, der mit Elan und Enthusiasmus eine »ganz extreme Einschränkung von Mitteln« kompensiert habe.

Staatsvertrag »Aber diese Gemeinde verdient noch mehr: zum Beispiel einen besseren Staatsvertrag. Wenn man ihn vergleicht mit anderen Staatsverträgen in Deutschland, gibt es hier noch viel Raum für Verbesserung«, sagte Graumann weiter. Der Staatsvertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Gemeinde war 1996 geschlossen worden. 2014 erhält der Landesverband 390.000 Euro aus Landesmitteln. Im nächsten Jahr sollen es 400.000 Euro sein. Finanziert werden muss davon die Stelle des Landesrabbiners William Wolff (87), zwei Gemeindeangestellte in Rostock sowie drei Angestellte in Schwerin.

»Alle anderen Mitarbeiter sind Ehrenamtliche. Wir zahlen ihnen die Monatskarte oder eine kleine Summe«, sagt Bunimov. Er arbeitet ebenfalls ohne Gehalt. »Ich bewundere Sie!«, bekommt der ukrainische Jude oft zu hören, worauf Bunimov selbstbewusst antwortet: »Ich bewundere mich auch!« Niederlagen wie das Scheitern des Antrags auf Sanierung des Rabbinerhauses sind für ihn Ansporn zum Weitermachen: »Wir planen einen Neuantrag für 2015!« Möglicherweise hat die Jubiläumsfeier einen Anstoß gegeben, das Projekt weiter voranzubringen.

Schwerins Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke) betonte: »Hier gibt es ein Zentrum, aber hier müssen wir dringend bauen und investieren. Und ich würde mir wünschen, wir würden gemeinsam wie diese Synagoge auch das Gemeindezentrum erbauen können. Die Landeshauptstadt jedenfalls würde sich gerne an diesem Prozess beteiligen.«

Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) wiederum sagte, man könne »sicherlich darüber diskutieren, ob der Kirchenstaatsvertrag nun schon alles enthält, was benötigt würde, damit alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Aber ich denke, es ist schon gut, dass wir ihn haben, und dass man darauf aufbauen und hier weiterentwickeln kann«. Zu der Feier waren auch Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) sowie Innenminister Lorenz Caffier (CDU) erschienen.

Rostock Am Sonntag wurde in Rostock weitergefeiert – ebenfalls mit Landesprominenz und dem parteilosen Oberbürgermeister der Hansestadt, Roland Methling. Die Rostocker Gemeinde hat zwar eine Synagoge mit modernem Gemeindezentrum in der Augustenstraße, doch ansonsten ähnliche Zores wie die Juden in Schwerin: Die meisten Mitarbeiter arbeiten unentgeltlich, werden durch den Bundesfreiwilligendienst oder durch ein Programm der »Bürgerarbeit« finanziert – das aber Ende Mai ausläuft.

Außerdem macht dem Vorsitzenden Juri Rosov ein Problem große Sorgen: »Unser Friedhof ist zu klein. Wir bekommen von der Stadt eine Fläche für einen neuen Friedhof, aber wir haben kein Geld, ihn aufzubauen«, erklärt er.

Dass die überalterte Gemeinde – wie in Schwerin – zahlreiche jüngere Mitglieder verliert, weil viele von ihnen in Mecklenburg-Vorpommern keine berufliche Zukunft sehen, konstatiert Rosov, ohne zu jammern: »Wir sind stolz auf das, was wir in 20 Jahren erreicht haben. Aber es gibt auch viele Probleme, die wir noch lösen müssen.« Eines aber stellen sowohl Rosov als auch Bunimov mit großer Zufriedenheit fest: In ihren Gemeinden gehe es harmonisch zu. »Wir schätzen es, dass wir hier Frieden und Stabilität haben. In manchen Gemeinden gibt es ›jüdische Kriege‹. Bei uns zum Glück nicht«, sagt der Rostocker Vorsitzende.

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