München

»Infame Verschandelung«

Tausende Münchner feierten vor wenigen Wochen auf dem Jakobsplatz das 200-jährige Bestehen der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und den 70. Jahrestag der Wiedergründung nach der Schoa. Es war ein unbeschwertes Fest und eine eindrucksvolle Demonstration des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts. Ein feiger, antisemitisch motivierter Anschlag auf die Freiluft-Ausstellung »Jüdisches Leben gestern und heute« vergangene Woche scheint dies nun alles infrage zu stellen. Die Staatsschutzabteilung der Polizei hat bereits Ermittlungen eingeleitet, die bislang aber noch zu keinem Ergebnis geführt haben.

Vermutlich mit einer glühenden Zigarette verunstalteten der oder die noch unbekannten Täter eine ganze Reihe von Bildern, die das jüdische Leben Münchens dokumentieren. In die Gesichter hochrangiger Persönlichkeiten aus dem politischen und religiösen Leben, die auf den Fotos zu sehen waren, wurden oberhalb der Lippen Löcher eingebrannt, die den Eindruck eines »Hitlerbartes« erwecken sollen. An einigen Stellen wurden die Fotos auch im Bereich der Augen verunstaltet. Die Beschädigungen waren so stark, dass die betroffenen Schautafeln der Ausstellung aufwendig repariert werden mussten.

Solidarität Bayerns Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Ludwig Spaenle, machte sich gemeinsam mit IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch vor Ort ein Bild von den Schäden an der Ausstellung, die bei den Münchnern auf so große Resonanz gestoßen war. »Das ist ein Anschlag auf uns alle«, stellte der Staatsminister sichtlich betroffen fest. Deshalb sei es ihm auch so wichtig gewesen, persönlich an den Jakobsplatz zu kommen und der jüdischen Gemeinschaft seine uneingeschränkte Solidarität im Namen des Freistaates Bayern zu bekunden.

»Wir sind stolz, und es freut uns, dass die jüdische Gemeinde wieder im Herzen der Stadt zu Hause ist. Und genauso groß wie die Freude ist unser Abscheu und das Entsetzen angesichts dieser infamen Verschandelung, ausgerechnet im Rahmen der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag der IKG, die die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte belegt«, sagte Spaenle.

Die Schändung der Bilder nahm der Kultusminister auch zum Anlass, auf die steigende Zahl antisemitischer und rassistisch motivierter Taten hinzuweisen. »Das beunruhigt mich«, erklärte Spaenle, der in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich betonte, wie wichtig es sei, »solche Taten zu brandmarken, die das positive und gute Miteinander zerstören wollen«.

betroffenheit Das Mitgefühl des Ministers stieß bei Charlotte Knobloch auf große Zustimmung. »Minister Ludwig Spaenle versteht, dass dieser Vorfall viel mehr ist als einfach nur eine Sachbeschädigung«, unterstrich die IKG-Präsidentin, die auf besonders persönliche Weise von dem Anschlag betroffen ist. Denn auch das Foto ihres 91-jährigen Schwagers Roman Knobloch, der den Holocaust überlebt hat, war Ziel der Zerstörung am Jakobspatz. »Was soll ich meinem Schwager sagen, der die deutschen Konzentrationslager überlebt hat und nun in dieser verabscheuungswürdigen Art verunstaltet wurde?«

Die IKG-Präsidentin brachte im Beisein des Ministers aber auch zum Ausdruck, dass die Schändung weit über familiäre Betroffenheit hinausgeht: »Der Vorfall zeigt, dass man nicht einmal eine Woche eine solche Installation aufstellen kann, ohne dass das Potenzial an Antisemitismus und Menschenverachtung, das in unser Gesellschaft vorhanden ist, wieder ganz deutlich zu sehen ist. Das erschüttert mich in meiner optimistischen Haltung.«

Angesichts der großen Begeisterung, die das Bürgerfest bei den Münchnern hervorgerufen hatte, sprach Charlotte Knobloch nach dem Anschlag auf die Ausstellung von einem »katastrophalen Rückschlag«, der sie zutiefst aufwühlt. »Ich bin entsetzt und tieftraurig und hätte das nicht für möglich gehalten. Diese mutwillige und eindeutige Schändung, die daraus hervorgehende Menschenverachtung, ist abscheulich und widerwärtig«, so die IKG-Präsidentin.

wunsch Doch auch, wenn es ernüchternd sei, dass Menschen heutzutage zu so einer widerlichen Tat fähig sind, richtete Charlotte Knobloch den Blick nach vorne: »Wir haben schon viel erlebt, wir werden auch das durchstehen. Ich wünsche mir, dass diese Stadt mein München bleibt und die Münchnerinnen und Münchner in Politik und Gesellschaft diese Tat sowie das dahinterstehende Denken ächten und entschlossen bekämpfen.«

Mit dieser Haltung befand sie sich im Einklang mit Kultusminister Ludwig Spaenle. Der sprach angesichts der Bilderschändung und des antisemitischen Hintergrunds von einer »Herausforderung für die wehrhafte Demokratie«.

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