Maoz Tzur

Cooles Lichterfest

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

Das Gemeindehaus ist voll. Vier Synagogengemeinden sind zusammen in die Fasanenstraße gekommen, um gemeinsam Erev Chanukka zu feiern und die erste Kerze anzuzünden. Die Beter der Synagogen Oranienburger Straße, Rykestraße, Pestalozzistraße und Fraenkelufer haben sich im Großen Saal versammelt: insgesamt fast 500 Menschen.

Rabbiner Tovia Ben-Chorin, der zusammen mit Rabbinerin Gesa Ederberg und Rabbiner Boris Ronis amtiert, ist überwältigt: »Dass ich nicht mit so vielen Leuten gerechnet habe, zeigt wohl, dass ich nicht an Wunder glaube.« Er erinnert daran, dass früher nicht nur in jedem Türrahmen eines jüdischen Hauses eine Mesusa, sondern auch eine Befestigung für die Chanukkia angebracht war. Das Licht, so Ben-Chorin, soll nicht nur drinnen brennen, sondern auch nach außen getragen werden, gerade in Deutschland und gerade in Berlin. »Vielleicht muss man in Deutschland nach der Beschneidungsdebatte der letzten Monate jetzt eine neunte Kerze anzünden – ich bitte aber die anwesenden Psychologen und Psychiater das nicht zu genau zu analysieren.«

Auch der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, einer der Anwesenden, ist von dieser Botschaft sehr angetan: »Rabbiner Ben-Chorin hat das Chanukkafest in eindrucksvoller Weise, mit Bezug auf gegenwärtige Debatten, zumal zur Beschneidung, als universalistisches Symbol für allgemeine Religionsfreiheit gedeutet.«

Quiz Währenddessen kümmern sich Schüler des Abraham Geiger Kollegs um das Kinderprogramm. Wie in einer Quiz- Show wird Wissen geprüft, für jede richtige Antwort gibt es natürlich Chanukkagelt aus Schokolade, für manche falsche auch. Bevor man die Chanukkia anzündet, so sind wenigstens die Kinder überzeugt, ist Sufganiot essen natürlich viel wichtiger als ein Segensspruch.

Gerade, dass so viele Kinder da sind, ist für Kantorin Avitall Gerstetter ein Zeichen, nach einem finsteren Jahr für Juden in Deutschland. Gerstetter ist eine von fünf Kantorinnen des Gottesdienstes. Zu Sufganiot versammeln sich dann auch die Erwachsenen im kleinen Saal. Doch trotz des allgemeinen festlichen Beisammenseins hängen ein paar Schatten über der Feier. Die Beter der Synagoge Pestalozzistraße sind seit Mitte Oktober besorgt, ob der Vertrag mit Rabbiner Ben-Chorin verlängert wird.

Ein Gemeindemitglied sieht den gemeinsamen Gottesdienst daher auch als Möglichkeit, in Antizipation der immer noch im Dunkeln stehenden Entscheidung über eine Vertragsverlängerung, gemeinsam Entschlossenheit zu zeigen. Manfred Friedländer, aktiver Beter in der Pestalozzistraße, freut sich vor allem, dass so viele Leute zusammengekommen sind – »gerade in Berlin, wo so viel an liberaler Tradition verschwunden ist.« Auch Rabbiner Daniel Alter ist zufrieden: »Chanukka und Familie, das ist eh immer eine Winning Combination.« Etwas weniger enthusiastisch, aber trotzdem positiv ist ein 13-jähriges Gemeindemitglied: »Ganz okay – für einen Gottesdienst ganz in Ordnung.«

Und vor der Chanukkia im Hof der Fasanenstraße springt der kleine Ariel auf und ab und hält lautstark seinen eigenen Gottesdienst ab – nur, dass er die Chanukkia ausblasen statt anzünden möchte.

Party Ein paar Stunden später, ein paar Kilometer weiter: Marat Schlafstein trifft in einer Bar in der Kantstraße letzte Vorbereitungen für eine Chanukkaparty »in the shtetl«. Teller mit Sufganiot und einem »Happy Hanukkah!«-Schriftzug über dem verspiegelten Tresen sollen die bald eintreffenden Gäste in Stimmung bringen. Und dann stehen die Gäste tatsächlich dicht gedrängt in der Bar. Der DJ spielt Elektro, später Hip-Hop, und fischt sich nebenbei Essen aus einer Tüte von McDonald’s. Noch tanzen wenige. Sie warten auf den Rabbiner. Um null Uhr dann ist er da: Yehuda Teichtal will gemeinsam mit den Partygästen die erste Kerze der Chanukkia anzünden. »Are you ready? I said: Are you ready?«, heizt er das Publikum an und leitet dann einen lauten Gesang an: Sevivon, sov sov sov.

Diese Party und das große Lichterzünden am Brandenburger Tor, sagt Teichtal, sind ein Beweis dafür, dass jüdisches Leben nicht nur in London, Paris oder New York stolz sein kann, sondern auch in Berlin. Der Besuch des Rabbiners steigert auch die Tanzlaune: Der Partyklassiker Moshiach von Mordechai Ben David funktioniert auch diesmal.

Die Musik wird kurz für den zweiten Höhepunkt der Nacht unterbrochen: Die Gewinner der Tombola werden verkündet und erhalten zwei Reisen nach Israel und einen Brunch im Ritz-Carlton. Dann spielt die Musik weiter. Bis in den frühen Morgen geht die Party mit insgesamt 180 Gästen. Nur die Sufganiot werden irgendwie nicht angerührt.

Schnee Das ist beim Lichterzündem am Sonntag auf dem Pariser Platz ganz anders. Dort reißen sich die Besucher um die süß gefüllten Hefeteilchen. Auch wer noch nicht mit einer Chanukkia ausgestattet ist, bekommt eine. Eilig verrichten Rabbiner Schmuel Segal und sein Kollege Yehuda Teichtal die letzten Handgriffe. Alles muss sitzen, wenn das zweite Licht vor dem Brandenburger Tor leuchten soll. Dass die kleinen Musiker der Traditionsschule mit ihren Blockflöten und Geigen etwas zittern – vor Aufregung oder Kälte – ist nebensächlich.

Denn alle warten auf ihren Auftritt, die Ansprache von Teichtal, die der Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gideon Joffe und der Diplomaten Yakov Hadas-Handelsman und Philip D. Murphy. Chanukka, das sei die Zeit der Wunder, betont Teichtal, der es mit der Chanukkia bis in den Blog des Wall Street Journal geschafft hat. Im kommenden Jahr wird der sechs Meter hohe Leuchter wohl erneut am Pariser Platz stehen – vielleicht wieder schneebedeckt.

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