Louise Jacobs

Zwei Seiten einer deutschen Geschichte

von Antje Ziemer

Ihr Großvater Walther Jacobs begründete eines der legendären deutschen Familienunternehmen. Nur sprach man zu Hause nie über die Geschichte der Familie. Louise Jacobs, Enkelin des Bremer Kaffeerösters, wuchs als Deutsche in der Schweiz auf, »mit fünf Geschwistern und liebevollen Eltern«. Sie liebt die Alpen und Gletscherwanderungen. Aber warum schwieg man über die Vorfahren? Wißbegierig folgte die heute 24jährige Louise Jacobs den verschütteten Spuren der Vorfahren und stieß in Bremen, Hamburg, Arizona, Rio de Janeiro und New York auf die Wurzeln des Vaters Jacobs wie auf die der jüdischen Familie Jessurun mütterlicherseits. In ihrem Buch Café Heimat entwirft die 24jährige ein faszinierendes Familienpanorama, das gleichermaßen vom glänzenden Aufstieg des Kaffee-Imperiums ihrer väterlichen Vorfahren und der Düsternis der Emigration ihrer mütterlichen Familie erzählt.
Großvater Walther Jacobs stammt aus einem alten Bremer Bauerngeschlecht. Da er als Zweitgeborener den väterlichen Hof verlassen mußte, trat er 1930 in das Unternehmen seines Onkels Johann Jacobs ein. In Amerika sammelte Walther Jacobs Erfahrungen im Marketing, mit denen er dem Bremer Geschäft zum Siegeszug verhalf: Er setzte auf Produktwerbung und entwickelte ein wiedererkennbares Logo für die Marke Jacobs Kaffee. 1944 wurde das Firmengebäude zerbombt; Jacobs ließ Ersatz in einer Kartoffelflockenfabrik produzieren. Nach dem Krieg baute er die zerstörte Rösterei wieder auf und kreierte 1954 den Slogan, der 40 Jahre lang gelten sollte: JACOBS Kaffee ... wunderbar!
Während der begeisterte Pferdezüchter Walther Jacobs als Kaffeepatriarch in die deutsche Wirtschaftsgeschichte einging und sich höchstens über den »Kriegsmuckefuck« zu beklagen hatte, mußten die Jessuruns das Land verlassen. Die Nachkommen sefardischer Juden waren nach der Vertreibung aus Spanien 1492 über weite Umwege nach Deutschland gekommen. »Da tauchten plötzlich Rabbiner aus Venedig und Pilger aus Lissabon auf«, berichtet Jacobs von ihren Recherchen. Es war unglaublich, vor dem alten Gemeindebuch der Sefarden in Hamburg zu sitzen, in das sich mein Ururgroßvater fein säuberlich eingetragen hat.«
Urgroßvater Fritz Jessurun ist 1938 gezwungen, sein erfolgreiches Versicherungsunternehmen aufzugeben und mit seiner Familie über Lissabon nach New York fliehen. Er verdiente nicht genug. Seine Frau Else muß zum ersten Mal zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Über Umwege kehrte deren Tochter und Louise Jacobs’ Großmutter, Ann Grobien, nach Deutschland zurück, während der andere Teil der Familie in Amerika blieb.
Die Geschichten der Jacobs’ und Jessuruns verbanden sich Mitte der sechziger Jahre in Bremen, als Jens Jacobs, jüngster Sohn Walthers, Margarit Grobien, die Enkelin Fritz Jessuruns heiratete. »Ich mußte dieses Buch nicht nur für mich, sondern für meine Eltern schreiben«, sagt Louise Jacobs. »Für meinen Vater, weil er unter dessen starkem Vater so sehr gelitten hat«, resümiert Jacobs. Und für meine Mutter, weil sie nicht zu fragen wagte, warum sie in Managua geboren, aber in Bremen aufgewachsen ist, ihre Tante in Arizona lebt, und ihre Großmutter in Rio de Janeiro begraben liegt.«
louise jacobs: café heimat.
die geschichte meiner familie.
Ullstein, Berlin 2006, 298 S» 19,95 €

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025

Frankfurt am Main

Michel Friedman will nicht für TikTok tanzen

Es handle sich um eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreite, sagt der Publizist

 28.08.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 25.08.2025