Staatsgründung

Wir und Israel

von Salomon Almekias-Siegl

Im November vergangenen Jahres hatte die Heinrich-Böll-Stiftung zu einer Tagung nach Berlin eingeladen. Das Thema: »Die Brückenfunktion der Juden in Deutschland in den deutsch-israelischen Beziehungen«. Was ich wenige Tage später darüber in der Zeitung las, erschreckte und verletzte mich. Der Artikel »entlarvte« den Stellenwert, den Israel für Juden in Deutschland beziehungsweise der Diaspora hat. Er machte deutlich, daß Israel als Zentrum der jüdischen Welt in Frage gestellt wird, ja sogar in seiner Bedeutung für Diasporajuden als peripher betrachtet wird.
Ist es Gedankenlosigkeit, oder wollen und können viele Juden nicht begreifen, daß allein schon die Existenz Israels ihr Leben in der Diaspora sicherer macht? Nie wieder müssen wir in einem Notfall vor den Grenzen anderer Länder um Asyl bitten, schon gar nicht vergeblich wie so oft in der Vergangenheit. Wir haben eine Heimat und werden in Israel immer Hilfe und Zuflucht finden. Das kann man angesichts des wachsenden Antisemitismus nicht hoch genug schätzen. Diejenigen, die den jüdischen Staat heute als zweitrangig oder nebensächlich betrachten, werden vermutlich die ersten sein, die bei Gefahr nach Israel fliehen. Dieses kleine Israel, das seit dem Tag seiner Gründung um seine Existenz kämpfen muß, kämpft auch für unsere Sicherheit. Ohne Israel wären die Juden dieser Welt wie Obdachlose.
Es scheint mir, daß viele jüdische Zuwanderer aus den ehemaligen Sowjetstaaten das noch nicht begriffen haben. Sie machen inzwischen etwa 93 Prozent der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland aus. Sie kamen aus einem System, das nicht nur israelfeindlich war, sondern auch die Gegner des jüdischen Staates militärisch unterstützte. Es erschreckt mich, daß viele Zuwanderer die Last der damaligen Propaganda immer noch mit sich herumschleppen und Israel ablehnend gegenüberstehen. Doch wer das Land ablehnt, lehnt meinem Verständnis nach auch die Wurzeln des jüdischen Volkes ab, also seine eigenen Wurzeln. Wie will er denn das heutige Judentum ohne Israel verstehen?
Das Leiden und der Tod von Millionen Juden während der Schoa haben die Gründung des Staates Israel 1948 möglich gemacht. Sie war einer der ersten UNO-Beschlüsse. Nach Jahrhunderten der Verfol- gung bekamen wir Juden eine Heimat. Und trotz der Angriffe arabischer Nachbarn, trotz der Kriege, die Israel um seine Existenz führen mußte, ist ein blühendes Land, ein demokratischer Staat mit hervorragenden Wissenschaftlern und Künstlern entstanden, auf den wir stolz sein können.
Vielleicht sollten wir uns manchmal an die Persönlichkeiten, die Pioniere erinnern, die sich mit ihrer Kraft und ihrer Seele für Israel als Heimat des jüdischen Volkes eingesetzt haben: an Theodor Herzl, der die Idee einen jüdischen Staates hatte. An David Ben Gurion, den großen Kämpfer und Politiker aus Polen. An Golda Meir, Israels erste Premierministerin, die als kleines Kind die Pogrome in ihrer Heimatstadt Kiew erlebt hatte. An Levi Eschkol, Ben Gurions Nachfolger, wie Golda Meir aus Kiew und drei Jahre älter als sie. Oder an den Wissenschaftler und ersten israelischen Staatspräsidenten Chaim Weizman. Erinnern wir uns an den Mitunterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, Izhak Ben-Zwi, an den Mitbegründer der israelischen Untergrundbewegung Palmach und späteren Militärberater Yigael Allon. Nicht zu vergessen Israels legendärer Verteidigungsminister im Kabinett von Golda Meir, Moshe Dayan, und die vielen anderen bis hin zu dem am 4. November 1995 ermordeten Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin und den heute todkranken ehemaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Männer und Frauen der ersten Stunde Israels – ihnen haben wir es zu verdanken, daß uns die Existenz Israels heute selbstverständlich erscheint.
Wenn aber Juden in Deutschland Israel als Zentrum des jüdischen Volkes ablehnen, können sie keine Brückenfunktion in den deutsch-israelischen Beziehungen haben.

Der Autor ist Landesrabbiner von Sachsen

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025