Gemeindeversammlung

Viele Fragen, wenig Antworten

von Christine Schmitt

»Das hat doch alles keinen Sinn.« Eva Holzer ist enttäuscht. Egal, ob Fragender oder Befragter – alle wollten sich bei der Ge-
meindeversammlung am Sonntag profilieren. Aber »richtige Antworten« höre sie nicht, nur ausweichende oder gar keine. Diese Versammlung sei anders als die in den vergangenen Jahren, sagt sie, denn Ende November wird ja gewählt und da möchte jeder ein gutes Bild von sich abgeben. Seit 27 Jahren ist Eva Holzer Gemeindemitglied und kommt regelmäßig zu den Versammlungen. Aber mit dieser sei sie unzufrieden.
Als einer der ersten Redner sorgt das ehemalige Mitglied der Repräsentantenversammlung (RV) Moishe Waks für Furore im großen Saal im Gemeindehaus an der Fasanenstraße. Es sei immerhin eine gute Nachricht, dass Arkadi Schneiderman, stellvertretender Gemeindechef und Initiator des Wahlbündnisses »Tachles«, davon absehe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde werden zu wollen, meint er. »Er wird wieder einen Mitstreiter des Bündnisses unter sich regieren lassen«, vermutet Moishe Waks.»Ich bin kein Königsmacher«, wehrt Schneiderman ab. Doch Moishe Waks ist noch nicht fertig, kommt zum nächsten Thema und richtet sich an Gideon Joffe. Der Gemeindevorsitzende soll einen Aufhebungsvertrag mit dem Ärztlichen Direktor des Jüdischen Krankenhauses Berlin, Jechezkel Singer, unterschrieben haben. Der Arzt bekomme eine fünfstellige Abfindungsumme. Der Aufhebungsvertrag sei nötig geworden, weil Singer auch die Pa-
tienten des Pflegeheims betreut, das eine Gemeindeeinrichtung ist, indes seine Ehefrau bei der Gemeindewahl kandidiert. In der RV darf jedoch kein Partner eines Mitarbeiters sitzen – so verlangen es die Statuten. »Sie sind der einzige Nutznießer dieses Aufhebungsvertrages, da die Frau in ihrem Bündnis antritt. Können Sie sich dazu äußern, Herr Joffe?« Die Art und Weise, wie hier Fragen gestellt würden, entspräche nicht der Wahrheitsfindung, sondern nur der »Beschmutzung«, erwidert Gideon Joffe. »Antworten«, rufen Zuhörer im Chor. Joffe bleibt stumm.
Als Nächster ist Gemeindemitglied Maurice Elmaleh an der Reihe. Er ist verärgert, weil er das Gefühl habe, dass die sefardische Synagoge von der Gemeindeführung schlecht behandelt würde. Der dort amtierende Rabbiner Abraham Daus hätte bisher noch keinen Vertrag mit der Gemeinde be-
kommen, obwohl ihm das schon vor Wochen zugesichert worden sei. »Die Familie Daus mit ihren zwölf Kindern hängt derzeit in der Luft und ist nicht einmal mehr krankenversichert«, schimpft Elmaleh. Joffe möchte sich nicht äußern. »Der Datenschutz muss eingehalten werden.« Aber er sei »unglücklich darüber, wie es mit dem Rabbiner gelaufen ist«. Es müsse alles getan werden, damit dieser Vertrag noch vor den Wahlen abgeschlossen wird, fordert Präsidiumsmitglied Alexander Brenner. Doch Personaldezernent Schneiderman lehnt ab. Es gebe derzeit keine Vorstandssitzungen und deshalb auch keine Beschlüsse, und infolgedessen würden er und der Finanzdezernent Alexander Licht auch keinen Vertrag mit dem Rabbiner abschließen. Das lässt Moishe Waks nicht mehr ruhig auf seinem Stuhl sitzen, er steht auf und ruft, dass für einen Aufhebungsvertrag mit einem Ärztlichen Direktor alles getan werde, aber für die Anstellung eines Rabbiners eben nichts.
Asja Alexandrowski, die jener Rentnergruppe angehört, der eine zu hohe Betriebsrente gezahlt wurde, die nun gestrichen worden ist, möchte von Gideon Joffe wissen, ob er von 485 Euro im Monat leben könne. Denn über so viel Geld verfüge sie jetzt nur noch monatlich. Eine Antwort erhält sie nicht. »Wir alle müssen helfen, eine Lösung zu finden«, meint Joffe. 600.000 Euro hätte der Senat in diesem Jahr gleich einbehalten, da die Gemeinde zu hohe Renten gezahlt hätte, so Schneiderman. »Wir werden Millionen zurückzahlen müssen.« Wenn jedoch »Tachles« gewählt würde, dann hätte das Bündnis einen Sponsor, der 100.000 Euro an die Gruppierung zahlen würde, um den Rentnern zu helfen, berichtet Alexander Licht. »Das ist Erpressung«, meint RV-Kandidat Michael Joachim. Entweder es gebe einen Sponsor, der unabhängig vom Wahlausgang das Geld an die Ge-
meinde überweist, oder aber nicht. Dass jemand seine Hilfsbereitschaft an bestimmte Personen knüpft, sei nicht korrekt. Seine Frage: Die Heinz-Galinski-Schule habe seit mehr als einem Jahr keine jüdische Leitung mehr. Wann sich dieses ändern werde? Nur ein Viertel der Lehrer sei noch jüdisch. Die Direktorenstelle sei seit nunmehr einem Jahr schon nicht einmal mehr ausgeschrieben. »Aber auf die Frage gibt es ja wieder keine Antwort«, sagt Joachim resigniert. Auch Renat Fischbach muss seinen Unmut loswerden. »Da stellen die Gemeindemitglieder den Repräsentanten Fragen und die lesen Zeitung«, sagt er ins Mikrofon. Und diese desinteressierte Einstellung hätte er auch bei Mitarbeitern der Gemeinde beobachtet. Das Jugendzentrum Olam steht wieder einmal ohne Führung da und bekomme nun wieder einmal einen kommissarischen Leiter. Diese Stelle sei ausgeschrieben, berichtet er, und als auf sein Geheiß hin sich zwei potenzielle Kandidaten bei der Personalabteilung meldeten, mussten die Bewerber erfahren, dass die Abteilung noch nicht einmal informiert gewesen sei. Fischbach ist der letzte Redner. Als er zu Wort kommt, dauerte der Schlagabtausch bereits mehr als drei Stunden und es sind nur noch we-
nige Zuhörer und einige Repräsentanten da. »Wir wollten alles besser machen«, sagt RV-Vorsitzender Josef Latte. »Manchmal lebt man von der Hoffnung allein.«

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