Südungarn

Szegediner Koscheres

von Andreas Bock

Verschiedene Sorten von Früchtejoghurts, Milchgetränke unterschiedlicher Geschmacksrichtungen, Gouda oder Fetakäse – das Angebot an Lebensmittelprodukten der Firma Meitav passt in das Kühlregal jedes gut sortierten Supermarkts. Mit einer wichtigen Besonderheit: Auf den Produkten prangt das Siegel des Londonor Rabbinats der Union der Orthodoxen Hebräischen Gemeinden.
Meitav ist derzeit das größte Unternehmen in Ungarn, das koschere Milchprodukte herstellt. Geschäftsführer Shmuel Chaimson hat sich mit dem größten ungarischen Erzeuger für Milchprodukte, SOLE-MiZO, vor rund einem Jahr einen potenten Partner ins Boot geholt, der knapp ein Drittel der ungarischen Milch verarbeitet.
Mehrere Monate hat der aus Israel stammende Chaimson in Ungarn nach einem geeigneten Großbetrieb gesucht, der Milchprodukte herstellt. Vor allem die Qualität der Milch und der günstige Preis seien für Ungarn ausschlaggebend gewesen, so Chaimson. Auch für SOLE-MiZO, das über tausend Angestellte beschäftigt, eröffnen sich durch die Kooperation mit Meitav neue Absatzmärkte.
Die Herstellung wird täglich rund um die Uhr von zwei Rabbinern überwacht. Die stellen sicher, dass die Waren nach den Regeln der Kaschrut produziert werden. Meitav kontrolliert die Einhaltung der jüdischen Speisegesetze und übernimmt die höheren Produktionskosten. »Wir liefern unsere Milchprodukte nach Bulgarien, Rumänien, Polen, Lettland und in die Ukraine«, zählt Chaimson auf. »Verstärkt zählen aber auch Frankreich, England, Belgien, Österreich und Italien zu unseren Vertriebsländern.«
Für Erzeuger koscherer Produkte sind die westlichen Märkte in den vergangenen Jahren attraktiv geworden. Weltweit hat sich die Zahl der koscheren Lebensmittel zwischen 1995 und 2005 auf 90.000 nahezu verdreifacht. In den USA wird zudem nur knapp die Hälfte der koscheren Waren von Juden konsumiert. Ansonsten kaufen Muslime, Vegetarier und qualitätsbewusste Menschen die Produkte. »Im Westen ist der Bedarf an koscheren Produkten weitaus größer als in Osteuropa«, so Bálint Nógrádi, Kaschrut-Experte der orthodoxen Ungarisch-Israelitischen Gemeinde (EMIH) und Mitarbeiter bei der ungarischen Koscherzentrale.
Gebäck, Spirituosen oder Marmelade – neben Meitav stellen rund zehn ungarische Unternehmen eine große Bandbreite von Produkten her, die mit einem der Kaschrut-Zertifikate versehen sind. In Ungarn aber, wo immerhin die fünftgrößte jüdische Gemeinde Europas lebt, ist der Markt für koschere Produkte noch klein. »Erst seit der Wende 1989 konnte sich der Markt in Ungarn wie in anderen neuen EU-Mitgliedstaaten langsam entwickeln«, sagt Nógrádi. Koschere Produkte kosten auch bis zu einem Drittel mehr als Waren ohne Zertifikat.
Die Koscherzentrale hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die nach den Regeln der Kaschrut produzierende Lebensmittelindustrie in Ungarn zu unterstützen. Durch Kooperationen wie der zwischen Meitav und SOLE-MiZO können religiöse Juden in Ungarn auch auf günstigere inländische Waren in den Regalen der Supermärkte zurückgreifen und sind nicht auf Importprodukte angewiesen. Da in erster Linie aber für den Export produziert wird, erklärt die Koscherzentrale den nationalen Firmen der Lebensmittelindustrie nicht nur, was zu tun ist, um das begehrte Kaschrut-Zertifikat zu erhalten. »Wir bemühen uns auch darum, ungarische Unternehmen beim Vertrieb koscherer Produkte zu unterstützen«, so Nógrádi.
Unternehmer Chaimson hat schon neue Märkte im Blick. Seit einigen Monaten bemüht er sich um eine Lizenz für Russland, denn wegen der Größe der dortigen jüdischen Gemeinde erhofft er sich gute Absatzmöglichkeiten. Kein leichtes Unterfangen: Importquoten und beträchtliche Zölle für die Einfuhr von Waren machen es nur den größeren Betrieben möglich, ihre Waren auf den russischen Markt zu bringen. Aber zu den Großen zählt mittlerweile ja auch Meitav mit seinem ungarischen Partner.

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025