Barcelona

Steine statt Juden

Barcelona ist eine Stadt mit jüdischer Tradition. Schon im Mittelalter spielte die 4.000 Mitglieder starke jüdische Gemeinde eine wesentliche Rolle. Sie diente als Brü- cke für Einwanderer aus dem gesamten Mittelmeerraum. Die einheimischen Juden sprachen Griechisch, Hebräisch, Spanisch, Katalanisch, Latein und Arabisch. Im Jahr 1391 breiteten sich jedoch antijüdische Ausschreitungen über die Iberische Halbinsel aus. Ein großer Teil der Juden Barcelonas wurde vertrieben, ermordet oder zur Konversion gezwungen. 600 Jahre später ist die Stadt dabei, ihr altes jüdisches Viertel mit dem Namen »El Call« zu restaurieren – ohne Juden. Die jüdische Gemeinde ist weder in die Planung noch in die Durchführung einbezogen worden.

21 Gebäude werden renoviert, ein Informationszentrum soll entstehen. Ähnliche Projekte wurden in anderen spanischen Städten bereits durchgeführt, etwa in der Nachbarstadt Gerona, wo jüdisches Leben einst ebenfalls blühte. Sie sind Teil eines Regierungsprogramms, das vor allem Touristen anlocken soll.

Was Barcelona auszeichnet, ist die Tatsache, dass es dort eine moderne jüdische Gemeinde mit etwa 5.000 Mitgliedern gibt. »Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Stadt sich für die Wiederherstellung ihrer jüdischen Vergangenheit engagiert«, sagt Tobi Burdman, Präsident der israelitischen Gemeinde Barcelonas. »Wir wollen kein jüdisches Viertel ohne Juden, wie es in Gerona der Fall ist. Hier gibt es ein lebendiges Judentum, das man anhören und um Rat fragen sollte, das nicht nur dazu da ist, zum Fototermin zu erscheinen.«

Die Sache mit dem »Montjuic« (katalanisch »Berg der Juden«) hat den Groll der Gemeinde verstärkt. Bekannt für sein gigantisches Sportstadion, das 1992 zu den Olympischen Spielen gebaut wurde, ist »Montjuic« auch der Ort, wo einer der ältesten und größten jüdischen Friedhöfe Europas liegt, der vom neunten bis zum vierzehnten Jahrhundert in Gebrauch war. 2001 wurden bei Bauarbeiten am Berg mehr als 500 Gräber entdeckt, doch noch immer gibt es kein Denkmal, das an seine historische Bedeutung erinnert.

Ende November fand ein Treffen zwischen Stadtplanern und Gemeindemitgliedern statt. Man beugte sich gemeinsam über Baupläne, die den Friedhof betrafen. Gemeindevertreter, die an dem Treffen teilnahmen, sagten, es habe in Bezug auf die Schutzwürdigkeit des Ortes und die Errichtung eines Denkmals Fortschritte gegeben.

Lange Zeit hatte die Gemeinde darum gekämpft, dass das Gelände des Friedhofs als städtisches Wahrzeichen ausgewiesen wird und Pläne der Stadt, direkt auf dem alten Friedhof die Errichtung von Kneipen, Toiletten und anderen Gebäuden zuzulassen, zurückgenommen werden. Ein Gemeindesprecher sagt, die Stadtplaner, die sich mit »Montjuic« beschäftigen, seien zugänglicher als jene, die die Verantwortung für die Restaurierung von »El Call« tragen und die sich, so der Sprecher, als »hundertprozentig unempfänglich« erwiesen haben.

In Bezug auf das alte jüdische Viertel sagt Teresa Serra, eine Rathaus-Mitarbeiterin, die Stadt werde den Bezirk wie jeden anderen historischen Ort in Barcelona restaurieren. »Der einzige Unterschied besteht darin, dass es ein Kulturzentrum geben wird, das alles aus der jüdischen Epoche umfasst«, sagt Serra. »Daran könnte sich die Gemeinde beteiligen. Nicht aber am architektonischen Teil. Mit der Bauphase hat die jüdische Gemeinde nichts zu tun.«

Gemeindemitglieder sagen, sie würden gern wenigstens irgendeine Rolle spielen, selbst bei solchen Kleinigkeiten wie der Überprüfung von Texten, Broschüren oder Hinweistafeln im Museum. Doch Serra sagt, die Stadt habe bislang von Seiten der Gemeinde keinen klaren Vorschlag erhalten, wie eine Beteiligung aussehen könnte.

Einige Mitglieder der Gemeinde behaupten, sie hätten wiederholt um ein Treffen mit Vertretern der Stadt gebeten, um über einen Vorschlag zu diskutieren. Aus anderen Quellen innerhalb der Gemeinde war zu erfahren, dass es Meinungsverschiedenheiten gegeben hat und die Gemeinde sich erst jetzt darum bemühe, mit einer Stimme zu sprechen, um sich Gehör zu verschaffen.

Dass nun mit der Restaurierung des jüdischen Viertels der katalanischen Haupt- stadt begonnen wird, ist in erster Linie Miguel Iaffa zu verdanken. Angeregt durch eine mittelalterliche Chronik, die Hinweise darauf gibt, wo sich vor dem Pogrom von 1391 die Hauptsynagoge des Viertels befand, kaufte Iaffa 1996 einen Teil des Grundstücks, restaurierte die Stätte und verhinderte so, dass sie in eine Kneipe verwandelt wurde.

»Dass die Stadt jetzt versucht, die Früchte unserer Bemühungen zur Rettung des Viertels zu ernten, ist völlig in Ordnung«, sagt Iaffa. »Aber das Einzige, was sie interessiert, ist, dass amerikanische Juden als Touristen ins Viertel kommen und Geld ausgeben, wie sie es in Gerona tun. Sie haben nicht das geringste Interesse an uns.«

David Stoleru, Architekt und aktives Gemeindemitglied, gelang es 1997 zu verhindern, dass die Stadt das »Haus des Rabbiners« zerstörte, ein Gebäude, das einst eine Schule für jüdische Studien war.

Verschiedene Quellen, auch aus dem Rathaus, deuten zumindest an, antijüdische Gefühle hätten einen Einfluss auf die Haltung der Stadt. Serra räumt ein, dass die einseitige Parteinahme im israelisch-palästinensischen Konflikt bis zu einem gewissen Grad »die Atmosphäre um das Wiederauf- bauprojekt vergiftet« hat. »Es gibt hier eine antisemitische Einstellung«, sagt Pilar Rahola, ehemalige Abgeordnete der katalanischen Linkspartei, die durchsetzte, dass die Stadt Iaffas Synagogenprojekt finanziell unterstützte. »Was das Rathaus betrifft, so sind der Regierung von Barcelona, genau wie der Regierung Spaniens, ›jüdische Steine‹ lieber als lebende jüdische Menschen.«

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