Rahm Emanuel

Spitzname Rahmbo

von Eva C. Schweitzer

Als Rahm Emanuel sieben Jahre alt war, verbrachte er mit seiner Familie mal einen ganzen Sommer in Israel. Er tobte tagsüber in der Sonne und wurde dabei tiefbraun. So braun, dass ein größeres Kind auf ihn zukam, ihm sein Fahrrad wegnahm und rief, Schwarze hätten hier nichts zu suchen. »Mein Bruder Ari hat den Jungen verprügelt«, erzählt Rahm heute, »weil er solchen Rassismus nicht ertrug.« Nun hat Rahm Emanuel die Gelegenheit, einem schwarzen Mann zur Seite zu stehen: Barack Obama. Der künftige Präsident der USA hat den 48-jährigen Juristen, Demokraten und Vollblutpolitiker zu seinem Stabschef berufen.
Mit Emanuel hat Obama einen alten Freund aus Chicago ins Weiße Haus geholt, aber auch einen Freund der Clintons. Emanuel war einer der wichtigsten Spendensammler von Bill Clinton, der ihn mit einem Beraterposten belohnte. Er half ihm, während der Lewinsky-Affäre mit der Presse fertig zu werden. Und Emanuel hat Biss und Temperament. Als Clinton 1996 wiedergewählt wurde, rammte Emanuel bei einem Bankett immer wieder ein Steakmesser in den Tisch, rief die Namen von Clintons Feinden aus und schrie: »Tot! Tot! Tot!« Solche Ausbrüche brachten ihm den Spitznamen Rahmbo ein. Oder, wie es ein Kollege etwas ernsthafter sagte: »Er ist der Newt Gingrich der Demokraten.« Und wie Gingrich den Republikanern half, schaffte es Emanuel, dass die Demokraten 2006 ihre Mehrheit im Kongress wiedergewannen, indem er starke Kandidaten für knappe Wahlkreise aussuchte. So brachte er es in der Hierarchie seiner Partei bis zur vierthöchsten Position.
Obamas Entscheidung dürfte einige amerikanische Juden beruhigen, die befürchtet hatten, der schwarze Präsident werde nicht an Israels Seite stehen, oder er sei womöglich gar ein heimlicher Muslim. Mit Emanuels Hilfe ist Obama solchen Anwürfen schon früh entgegengetreten. Als Obama sich zu Beginn seiner Wahlkampagne mit der Lobbyorganisation AIPAC traf, war der künftige Stabschef dabei. Denn Emanuel setzt sich für Israel ein. Im ersten Golfkrieg flog er als Freiwilliger in den Nahen Osten, um auf einer israelischen Militärbasis Lkws zu warten. 2003 war er einer der Demokraten, die für den Irakkrieg stimmten. Kein Wunder, dass es nach Obamas Personalentscheidung Kritik von arabischer Seite gab. Das lag auch daran, dass Emanuels Vater Benjamin, ein israelischer Zionist und früheres Mitglied der Irgun, in einem Interview mit der Zeitung Maa›riv gesagt hatte, sein Sohn werde nicht den Fußboden im Weißen Haus putzen, »was glauben Sie, was er ist, ein Araber?« Flugs verbot Emanuel seinem Vater, weitere Interviews zu geben.
Auch von den Hardlinern in Israel würde sich Emanuel niemals diktieren lassen, wie die Nahostpolitik der USA aussehen soll. »Gerade weil er Israel liebt, wird er keine Geduld haben, wenn Israel nicht die nötigen Entscheidungen trifft«, schreibt der Kolumnist Jeffrey Goldberg in »Atlantic Monthly«. Schon unter Clinton setzte sich der designierte Stabschef für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ein und handelte die Osloer Verträge mit aus. Der berühmte Handschlag zwischen Jassir Arafat und Yitzhak Rabin im Rosengarten des Weißen Hauses war seine Inszenierung.
Emanuel ist praktizierender Jude und gehört der orthodoxen Synagoge Anshe Sholom in Chicago an. Zudem ist er ein Finanzfachmann. Als Investmentbanker, der unter anderem im Aufsichtsrat des Kreditriesen Freddie Mac saß, gehörte er der Delegation an, die das 700-Milliarden-Dollar-Paket für die Wall Street auf den Weg brachte. Im September rief er seinen Rabbiner Asher Lopatin an, um zu fragen, ob er trotz Rosch Haschana arbeiten dürfe. Der fragte ihn, wie wichtig das sei, und Emanuel sagte: »Ohne dieses Gesetz bricht die Finanzwelt zusammen, und dann leiden alle.« Der Rabbiner gab ihm die Erlaubnis. Aber Emanuel kommt auch aus einer linken Tradition. Seine Mutter Martha Smulevitz war Aktivistin in der Chicagoer Bürgerbewegung, und sie zwang ihren Sohn, Ballettstunden zu nehmen. Heute geht er lieber ins Fitnessstudio.

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