Mission

Mission gegen Missionare

von Wladimir Struminski

Wer nicht wirbt, der stirbt: In den vergangenen Wochen fuhren Tel Aviver Linienbusse Reklame für die Judenmission: »Jeschu – Jeschua – Jeschua« (Jesus, Jeschua, Erlösung) war in großen Lettern auf den öffentlichen Verkehrsmitteln zu lesen. Auch auf Plasmabildschirmen wurde Werbung für den christlichen Heiland ge-
macht, die Rufnummer einer Jesus-Hot-line inklusive. Hinter der Kampagne, die nach öffentlichen Protesten abgebrochen wurde, standen Missionare, die sich die Verbreitung des Jesusglaubens unter jüdischen Israelis zum Ziel gemacht haben. Die Aktion, so Yad L’Achim, eine Organisation, die sich der Bekämpfung missionarischer Tätigkeit verschrieben hat, war ein Höhepunkt, aber nicht das einzige Beispiel der Judenmission. »Die Missionare«, so Benjamin Kluger, bei Yad L’Achim als Missionsexperte tätig, »werben heute viel mehr und viel unverhohlener als früher«. Dabei, betont die Organisation, richte sich die Anschuldigung nicht gegen die in Is-
rael etablierten Kirchen. Diese hielten sich an eine Übereinkunft, von der Judenmission abzusehen. Die aggressivsten Missionare seien »messianische Juden« – sie standen auch hinter der jüngsten Jesus-
Werbung. »Die Messianisten«, klagt Kluger, »geben sich als Juden aus, um Unbedarfte in ihre Veranstaltungen zu locken. Allerdings sind ihre Gemeindeführer in Wirklichkeit ordinierte christliche Geistliche, die von ihren Dienstherren in Ausland Gehälter beziehen.« Seit Ende des vergangen Jahrzehnts konnten die messia-
nischen Gemeinden ihre Mitgliederzahl auf rund 7.000 verdoppeln – größtenteils durch Übertritte. Neben ihnen seien auch die »Zeugen Jehovas« und evangelikale Kirchengemeinden im Kampf um jüdische Seelen dabei. Jahr für Jahr treten mehrere Hundert Juden messianischen oder anderen christlichen Gemeinden bei. Besonders anfällig sind Menschen in finanzieller oder sonstiger Notlage, Jugendliche und Neueinwanderer.
Das israelische Strafgesetzbuch untersagt das Anbieten und die Annahme materieller Anreize als Gegenleistung für den Religionswechsel. Auch wer Minderjährige bekehrt, macht sich strafbar. In der Praxis jedoch sieht sich die Polizei meist außerstande, strafrelevante Verhaltensweisen schlüssig nachzuweisen. In einer jüngst bekannt gewordenen Stellungnahme räumte Polizeimajorin Chamutal Sa-
bag von der »Abteilung für Beschwerden aus der Bevölkerung« ein, ein ihr vorgelegtes messianisches Flugblatt rufe Juden auf, sich Jesus anzuschließen. »Allerdings«, so Sabag, selbst Juristin, »enthält das Flugblatt keinen Aufruf zum Religionswechsel und erwähnt keine konkrete Religion, auch nicht das Christentum«. Andere Ak-
tionen sind rechtlich ebenfalls nicht leicht einzustufen, etwa die Verteilung von Le-
bensmitteln an Bedürftige unter dem Banner des Nazareners. Aus der Sicht orthodoxer Kreise sind die Behörden jedoch viel zu zimperlich. Deshalb will der ultraorthodoxe Knessetabgeordnete Mosche Gafni das bestehende Recht verschärfen. Nach seiner Vorstellung sollen Aufrufe zum Re-
ligionswechsel generell verboten werden.
Derweil rastet manch selbsternannter Hüter des Judentums aus und wird kriminell. Im März dieses Jahres wurde Ami Ortiz, der Sohn eine messianischen Pfarrers aus Ariel, durch eine Briefbombe lebensgefährlich verwundet. Sein Vater, David Ortiz, erklärte, wiederholt von jü-
dischen, aber auch von islamischen Extremisten bedroht worden zu sein. Im vergangenen Monat ließ der stellvertretende Bürgermeister von Or Jehuda, Usi Aharon, seines Zeichens Vertreter der ultraorthodoxen Schas mehrere Hundert Exemplare des Neuen Testaments einsammeln und öffentlich verbrennen. Die Bücher waren von christlichen Missionaren an Stadtbewohner verteilt worden. Die öffentliche Verurteilung der Tat hielt sich in engen Grenzen: Für den israelischen Schriftsteller Eli Amir eine erschreckende Gleichgültigkeit. »Man stelle sich bloß den Aufschrei vor«, klagte Amir, »wenn unsere heiligen Bücher im Ausland verbrannt worden wären.« Ihrerseits wollte die Stadtverwaltung von Or Jehuda zu dem Vorfall nicht Stellung nehmen.
Strikt rechtstaatlich verfuhr Israel mit der Deutschen Barbara Ludwig: Im Mai erließ das Innenministerium gegen die 33-jährige Studentin einen Ausweisungserlass. Der Grund für den Rausschmiss, so die Pressesprecherin des Ressorts, Sabine Hadad, gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: Ludwig habe bereits mehre Jahre lang ohne ein gültiges Visum in Israel gelebt. Ein Angebot, ihren Status einvernehmlich zu regeln, habe sie schlicht ignoriert. Die Affäre hat aber einen weiteren Aspekt: Medienberichten zufolge war der Besucherin die Missionierung von Juden zur Last gelegt worden, auch wenn das nicht der offizielle Ausweisungsgrund war. Yad L’Achim-Experte Kluger ergänzt, vor einigen Jahren habe Ludwig ihren Wunsch nach einem Übertritt zum Judentum kundgetan und sich zu einem Konversionskurs angemeldet. Dort aber fiel sie durch Werbesprüche für »messianische Juden« auf. Am Mittwoch dieser Woche saß Ludwig noch in Abschiebehaft.

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