Ada Yonath

Kristallklar

von Ingo Way

Vor sieben Jahren ist ihr gelungen, was das führende Wissenschaftsmagazin »Science« zu den wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen des Jahres 2000 zählte: Sie entschlüsselte die komplexe Struktur der Ribosomen, jener Proteinkomplexe in den Zellen von Lebewesen, die Eiweiß herstellen. Dieser Vorgang heißt Proteinbiosynthese. Wird er unterbrochen, stirbt die Zelle ab. Wie genau die Prozesse funktionie- ren, mit denen die Ribosomen Eiweiß und Proteine herstellen, war lange Zeit unbekannt.
Die Pionierin, die Licht in dieses Dunkel brachte, ist die heute 67-jährige israelische Biochemikerin Ada Yonath. Am vergangenen Mittwoch erhielt sie in der Frankfurter Paulskirche den mit 100.000 Euro dotierten Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis für ihre Beiträge zur Aufklärung der dreidimensionalen Struktur der Ribosomen – zusammen mit dem Molekularbiologen Harry Noller von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Yonath ist heute Direktorin des Helen-und- Milton-A.-Kimmelman-Zentrums für Biomolekulare Struktur und Komplexe am Weizmann-Institut in Rehovot und hat den dortigen Lehrstuhl für Strukturbiologie inne. Fast zwanzig Jahre lang war sie auch immer wieder in Deutschland tätig; bis 2004 war sie Leiterin der Forschungsgruppe für Molekularbiologie des Max-Planck-Instituts in Hamburg.
Zur Welt kam Ada Yonath am 22. Juni 1939 in Jerusalem. Dort studierte sie an der Hebräischen Universität Chemie und Biochemie. Anschließend promovierte sie am Weizmann-Institut über Röntgenkristallographie. Das ist ein Verfahren, mittels Röntgenstrahlung die genaue Struktur von Kristallen zu erfassen. Seinerzeit war diese Methode unter Wissenschaftlern noch wenig anerkannt. Schon damals betätigte sich Yonath mithin als Pionierin.
Nach Abschluss ihrer Promotion ging sie erst einmal für einige Jahre in die USA, um am Mellon-Institut in Pittsburgh und am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu forschen. 1970 kehrte sie nach Israel und an das Weizmann-Institut zurück und gründete dort schließlich das erste Laboratorium für Proteinkristallographie in Israel. Für mehr als zehn Jahre sollte es das einzige bleiben.
Die Proteinkristallographie ist eine Methode, Proteine zunächst zu kristallisieren, um anschließend ihre Struktur bestimmen zu können. Yonath wollte nun mithilfe dieses Verfahrens Ribosomen analysieren. Das Problem: Ribosomen sind extrem komplex und instabil und lassen sich daher nur sehr schwer kristallisieren. Noch Ende der siebziger Jahre war es gängige Lehrmeinung, dass sich Ribosomen überhaupt nicht kristallisieren ließen.
Doch Ada Yonath ließ sich nicht beirren. Auf die Lösung kam sie, als sie darüber nachdachte, wie die Nordpol-Eisbären den Winterschlaf überleben und im Frühling gesund und munter ihre Aktivität wieder aufnehmen können. Da Ribosomen schnell zerfallen, hätten sie während des Winterschlafs eigentlich absterben müssen – der Eisbär wäre nie wieder aufgewacht. Nun sah sich Yonath Studien näher an, die diesem Rätsel nachgingen. Und sie fand heraus: Die Ribosomen des Eisbären kristallisieren während des Winterschlafs gleichsam. Dieser Trick der Natur musste nun im Labor nachgeahmt werden.
Nach etlichen Fehlschlägen gelang Yonath und ihren Mitarbeitern das im Jahr 1980 auch tatsächlich. Doch schon tat sich das nächste Problem auf: Zur Untersuchung der Kristallstruktur brauchte man Röntgenstrahlung. Denn von dem durch die Röntgenbestrahlung entstehenden Beugungsmuster lassen sich Rückschlüsse auf die genaue Kristallstruktur schließen. Doch die mühsam kreierten Kristallkomplexe zerfielen unter der Röntgenstrahlung. Um das zu verhindern, entwickelte Yonaths Team die Methode der Cyrokristallographie, die bei minus 185° Celsius zur Anwendung kommt. Das war im Sommer 1997. Im Jahr 2000 war schließlich die komplexe Struktur des Ribosoms entschlüsselt. Resultat einer höchst erfolgreichen Kooperation zwischen Weizmann-Institut und Max-Planck-Gesellschaft.
Nun war der Weg frei für Forschungen zur Funktionsweise von Antibiotika. Denn die greifen Bakterien auf der Ebene der Ribosomen an. Yonath konnte nachweisen, wie sich verschiedene Antibiotika mit dem Ribosom verbinden und seine Proteinproduktion stoppen, so dass das Bakterium abstirbt. Yonath hofft, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung punktgenau wirkender und nebenwirkungsarmer Antibiotika beiträgt.
Bei der Preisverleihung am vergangenen Mittwoch – die Laudatio hielt Ruth Arnon, die frühere Vizepräsidentin des Weizmann-Instituts – dankte Ada Yonath den Universitäten und Instituten, an denen sie gearbeitet hat, dafür, dass sie ihr auch dann Zeit, Raum und Geld zur Grundlagenforschung ließen, als sich keine unmittelbaren Ergebnisse abzeichneten, geschweige denn kommerziell verwertbare. Manchmal zahlt sich eben Ge- duld aus – auch wenn ungewiss bleibt, ob sich irgendwann ein Erfolg einstellt. Und manchmal hat es eine wissenschaftliche Revolution zur Folge, wenn man einfach nur die Eisbären beobachtet.

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Syrien

Netanjahu will keine Regierungstruppen südlich von Damaskus

Nach Berichten über Massaker gegen die drusische Minderheit hat Israel eingegriffen

 17.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025