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Kellnertausch

Natürlich war es ein Zufall. Aber was für einer. Harel Luz setzte sich an einen der vielen runden Tische in dem Unterrichtsraum des Goethe-Instituts in Berlin-Mitte. Sein erster Schultag, wenn man so will. Luz, 30, ist aus Tel Aviv nach Berlin gekommen, um Deutsch zu lernen. Einen Monat lang. Die Mitschüler sollen sich zunächst einmal gegenseitig vorstellen. So will es die Lehrerin. »Rechts neben mir ein Iraner, links eine Palästinenserin. Da dachte ich, das geht ja gleich gut los hier«, erinnert er sich. »Na, dann könnt ihr ja wenigstens hier mal richtig Peace machen«, ruft die Norwegerin vom Nachbartisch auf Englisch herüber. Dann haben sie sich angeschaut: der Iraner, die Palästinenserin und Harel Luz, der Israeli, und sie haben gelacht.
Ein Israeli in Berlin, das ist an sich keine richtig originelle Geschichte mehr. Wenn sie aber so beginnt wie bei dem Objektkünstler und Deutschschüler Harel Luz, dann vielleicht doch noch. Vor allem, wenn sie sich in der Folge seines vierwöchigen Aufenthalts nicht auf Erlebnisberichte aus der wilden Partyszene in der deutschen Hauptstadt reduziert. So wie es Stadtmagazine immer gerne berichten, wenn sie Israelis in Berlin auf die Spur kommen wollen.

Standortwahl Harel Luz verbrachte einen langen und zumeist dunklen Herbstmonat in Berlin. Das Goethe-Institut in Tel Aviv hatte ihn dazu motiviert und über ein Förderprogramm einen Sprachkurs spendiert. Eine kleine Wohnung in der Potsdamer Straße über dem Restaurant »Joseph-Roth-Diele« haben ihm Freunde vermittelt. Die »Diele«, in der Luz nach seinem anstrengenden fünfstündigen Sprachunterricht am Abend regelmäßig Essen geht, wird für ihn zu einer Art Konstante in seinem Berliner Leben auf Zeit. »Das ist wichtig in einer so großen Stadt, gerade als Ausländer«, sagt Harel Luz über die gute Standortwahl. Und später, kurz vor seiner Rückkehr nach Tel Aviv, hat er dazu noch eine Idee.
Doch bis dahin bleibt noch viel Zeit. Harel Luz aus Tel Aviv nutzt sie aus. Was fällt ihm in Berlin auf? »Zuerst die Ruhe, der Platz überall, das viele Grün in der Stadt«, sagt der Künstler. Und nach wenigen Tagen schon ein gewisses Lebensgefühl. Das kann Luz kaum fassen. Eigentlich nur, wenn er es in den scharfen Kontrast zu seinem Leben in Tel Aviv setzt. Es ist ein diffuses Gefühl von Freiheit, was ihn da in Berlin langsam aber stetig beschlichen hat. »In Israel ist alles klein und eng. Es gibt viel neidvolle Kontrolle, gerade im Kunstbetrieb. Da fragt dich jeder argwöhnisch, warum du ausgerechnet an diesem Projekt arbeitest. Und vor allem, ob du davon leben kannst«, schildert Harel Luz den anstrengenden Alltag eines noch nicht etablierten Künstlers in Tel Aviv. Es sei sicher leichter, in Berlin zu arbeiten und zu leben, das denkt er sich schon in der ersten Woche.
»Man muss in Berlin nicht immer gut sein, um seine Kunst zu präsentieren. Was natürlich auch heißt, dass eben nicht alles gut ist, was hier gezeigt wird«, meint Harel Luz, der selbst aus der Bildhauerei kommt, aber mehr und mehr Installationen mit verschiedenen Stilmitteln produziert. Er hat in Berlin diverse Galerien besucht und zwei Künstler aus Israel, die sich gerade in der Stadt aufhielten, Ariel Schlesinger und Imri Kan, getroffen. Sie haben dann gemeinsam ihre Arbeiten vorgestellt und gegenseitig Ideen ausgetauscht. »Ob das so entspannt in Tel Aviv möglich gewesen wäre«, fragt sich Harel Luz hinterher.
Der in einem Kibbuz geborene und an der Kunsthochschule Jerusalem ausgebildete Fussballfan von Hapoel Tel Aviv hat vor seinem Abflug nach Berlin seine Atelierwohnung in Tel Aviv gekündigt. Sie kostete 1.000 US-Dollar Miete. »Das ging nicht mehr«, sagt Luz. Als er die Preise für Wohnungen in Berlin hört, muss er lachen und kann es kaum glauben. Dass in der Hauptstadt vieles deutlich preiswerter ist als in seiner Heimatstadt, das ist ihm schnell bewusst geworden. Beim Essen, in der Kneipe, im Supermarkt. »Das entspannt die Menschen. In Tel Aviv denkt fast jeder nur daran, wie er die Miete bezahlen kann«, erklärt Luz und liefert damit den Grund, warum er nebenbei in einem Restaurant kellnert. »Joz and Loz« (»Mandeln und Nüsse«) nennt sich das Lokal in Tel Aviv.

Wechsel »Das Einzige, was hier richtig teuer ist, ist die Monatskarte«, findet er. Dafür aber käme man überall schnell hin in dieser großen Stadt, Tag und Nacht, fügt er an. »Güter und Menschen transportieren, das können die Deutschen brillant«, sagt Luz.
In gut vier Berliner Wochen hat er nur wenige Juden und Israelis getroffen. Mit einer Ausnahme. Jom Kippur feierte Luz in der Chabad-Gemeinde. Chabad hatte er bei einer Reise in die USA kennengelernt. Im New Yorker Stadtteil Brooklyn, dem Zentrum dieser Glaubensrichtung. Wenn er in Berlin sei, soll er doch die Gemeinde dort mal besuchen, hatte ihm ein Rabbiner geschrieben.
Kurz vor seiner Abreise aus Berlin kam Harel Luz noch eine Idee. Er möchte die Macher des kleinen Berliner Restaurants »Josef-Roth-Diele« in sein Restaurant »Joz and Loz« nach Tel Aviv einladen. Besser, sie sollen es eine Woche lang führen. Alles wie in Berlin, nur in Tel Aviv eben. Und umgekehrt im Austausch genauso. »Kulturaustausch in Kunst, Musik und Theater gibt es viel zwischen Israel und Deutschland. Warum nicht mal einen Wechsel zwischen zwei Restaurants wagen?« Das Projekt hat er nun dem Goethe-Institut in Tel Aviv vorgeschlagen. Es wird jetzt daran gearbeitet.

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