Zentralwohlfahrtsstelle

In allen Lebenslagen

von Elke Wittich

Für Ruth Prinz war der Sommer 1959 etwas ganz Besonderes. Zum ersten Mal fuhr die damals Siebenjährige ins Ferienlager, zum Machane der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWSt) nach Bad Sobernheim. Für das Mädchen aus dem nordrhein-westfälischen Hagen »war das sehr aufregend, denn ich kam aus einer kleinen Gemeinde, in der es kaum jüdische Kinder gab. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre war es nicht selbstverständlich, daß man in den Ferien wegfuhr.«
Die heutige Geschäftsführerin des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe erinnert sich besonders gern an »die gemeinsamen Tänze, Lieder und Spiele. Das Lernen hat riesigen Spaß gemacht. Außerdem waren eine Menge Israelis dabei, es wurde viel Hebräisch gesprochen, was ich damals nicht so kannte. Bis ich 16 oder 17 war, bin ich jeden Sommer ins Ferienlager gefahren.« Fast immer übrigens mit ihrem späteren Mann. Den hat sie mit 21 dann auf einer Party mit ehemaligen »Machanot-Kindern« wiedergetroffen und vier Jahre später geheiratet.
In den 90er Jahren fuhren dann ihre drei Kinder ins Ferienlager. »Natürlich haben sich die Reiseziele im Laufe der Jahre geändert, aber die Begeisterung ist genauso groß geblieben. Diese Erfahrungen möchte man nicht missen«, schwärmt Prinz noch heute. Und in ein paar Jahren »geht’s für uns dann zur Seniorenerholung nach Bad Kissingen«, sagt die 53jährige und lacht.
Die meisten deutschen Juden der zweiten Generation kennen die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland seit ihrer Kindheit. Benni Bloch, Direktor der ZWSt, ist sich deshalb sicher: »Die Leute wissen über unser Aufgabengebiet ziemlich genau Bescheid.« Neben dem Zentralrat der Juden ist die ZWSt die bekannteste jüdische Institution in Deutschland. Im nächsten Jahr wird sie 90 Jahre alt.
Doch die ZWSt ist mehr als nur ein Freizeitgestalter für Kinder, Jugendliche und Senioren. Sie wurde 1917 als »Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden« gegründet und kümmerte sich zunächst um die jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs und deren Hinterbliebene. Ab 1933 bestand ihre Hauptaufgabe in sozialer Nothilfe. Sie versorgte die von ihren Arbeitsplätzen verjagten und mittellos gewordenen Juden im Winter mit Essen und warmer Kleidung. Aber auch Auswanderern war die ZWSt behilflich. 1939 lösten sie die Nazis auf, die Mitarbeiter wurden in KZs deportiert.
1951 wurde die Zentralwohlfahrtsstelle als Verein wiedergegründet, der sich durch Mitgliedsbeiträge, Zuwendungen öffentlicher Stellen und Spenden trägt. Heute beschäftigt sie 50 Mitarbeiter, hinzu kommen ehrenamtliche Helfer. »Sechs bis sieben Millionen Euro stehen uns jährlich zur Verfügung«, gibt der Vorstandsvorsitzende der ZWSt, Abraham Lehrer, an. Große Beträge kommen vom Zentralrat und vom Bund.
Ein immer größerer Teil des Etats wird seit mehr als 15 Jahren für Integrationsmaßnahmen verwendet. Seit 1990 hat sich die jüdische Gemeinschaft mehr als verdrei-
facht. Von den heute 105.733 Mitgliedern in jüdischen Gemeinden sind fast 95.000 so-
genannte Kontingentflüchtlinge. »Bewerbungstraining gehört mit zu den gefragten Kursen«, weiß Lehrer aus seiner Heimatge- meinde Köln. Das bedeutet viel Arbeit für die ZWSt-Mitarbeiter. Sicherlich habe man ihnen in den vergangenen 15 Jahren viel abverlangt. »Aber sie glauben an die Sache, und deswegen hängen sie sich richtig rein«, weiß Lehrer. Die Aufgaben nehmen zu, aber nicht der Stamm des Personals.
Entsprechend wichtig sei es, die Gemeinden selber fit zu machen. »Wir setzen auf Hilfe zur Selbsthilfe. Bei den Machanot sind wir inzwischen an unsere Grenzen gelangt«, erklärt Lehrer. Daher habe die ZWSt »den Gemeinden Unterstützung angeboten, damit sie selber Daycamps durchführen können«. Viele Gemeinden nehmen dieses Angebot an und können sich mit Fragen, angefangen bei geeigneten Unterkünften bis hin zu koscherem Essen, beraten lassen. »Wir werden vor Ort nur aktiv, wenn wir von einer Seite darum gebeten werden«, sagt Lehrer mit Nachdruck. Die ZWSt versuche lediglich, Aufbauarbeit zu leisten. »Nach einer gewissen Zeit, wenn die Strukturen stehen und genutzt werden können, ziehen wir uns von der betreffenden Gemeinde zurück und lassen sie allein weiterarbeiten.« Dabei handele es sich ausschließlich um Sacharbeit, betont Lehrer. »Wir hängen uns nicht in die Gemeindeangelegenheiten hinein oder versuchen etwa, Wahlen zu beeinflussen.«
Die jüdische Gemeinschaft sei so stark angewachsen, daß man mehr Kräfte aus den eigenen Reihen brauche, seien es Rabbiner, Kantoren, Jugendleiter, Sozialarbeiter. »Wir brauchen mehr Leute, die die deutschen Verhältnisse gut kennen, junge Menschen, die bereit sind, in den Gemeinden und Landesverbänden mitzuarbeiten«, erklärt Lehrer. Zumal Erwachsene bei den Angeboten der ZWSt ein bißchen zu kurz kommen. »Wir versuchen aber auch, den erwachsenen Menschen, die im Arbeitsleben stehen, etwas anzubieten. Bislang sind das meist reine Fortbildungsmaßnahmen und selten Dinge aus dem kulturellen Bereich.«
Geeignete Referenten für Seminare zum Thema Sozialrecht findet die ZWSt über die gute Zusammenarbeit mit anderen Wohlfahrtsverbänden sowie mit Bundes- und Landesbehörden. Bei jüdischen Themen setzt man auch auf die guten Kontakte nach Israel und in die USA, sagt Lehrer. »Von dort kommen auch öfter Empfehlungen.«
Wie gut das Angebot dann für die Zuhörer gewesen ist, wird mittlerweile nicht mehr mit verteilten Fragebogen erforscht, denn die Rücklaufquote ist sehr gering. »Mit Hilfe des Internets bekommen wir zeitnah Rückmeldungen über die Qualität von Veranstaltungen. Und man erreicht eine größere Gruppe dadurch.« Der Einsatz des Internets mache das Angebot gerade für junge Leute noch attraktiver: »Zum Jugendkongreß hatten wir zum ersten Mal einen Zähler eingebaut. Außerdem bieten wir die Möglichkeit, Formulare herunterzuladen. Das ist ein großer Erfolg.«
Hier investieren die ehrenamtlich arbeitenden Vorstandsmitglieder viel Zeit. Selbst Lehrer, Inhaber eines eigenen Software-Unternehmens, kann nicht einschätzen, wieviel. Nun soll die Zentralwohlfahrtsstelle auch noch die Jüdischkeit von Zuwanderern überprüfen. Wie das zu bewältigen sein wird, weiß Lehrer noch nicht. »Das ist ein Thema zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Zentralrat«, sagt Lehrer. »Meines Wissens ist noch nichts entschieden. Die Gespräche laufen noch. Es gibt noch kein Abschlußergebnis.« Entsprechend könne man bei der ZWSt nicht sagen, wo die Hauptarbeit anfällt. »Ob wir zusätzliches Personal brauchen werden, steht deshalb noch nicht fest.«

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