Siedler

Im Untergrund

von Wladimir Struminski

Von einem »neuem jüdischem Untergrund« spricht Ehud Omert. Der Noch-Ministerpräsident benutzt damit einen Euphemismus, mit dem seit den 80er-Jahren jüdische Terroristen umschrieben werden. Auch Olmerts designierte Nachfolgerin, Außenministerin Zipi Livni, hält die Autorität des Staates für bedroht. Awi Dichter, Minister für Innere Sicherheit, fühlt sich an die Ermordung Jitzhak Rabins erinnert, während Verteidigungsminister und Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, von dem »finsteren Brauch« entsetzt ist, »Bomben gegen Menschen einzusetzen«
Anlass für die Panik ist der kurz vor Rosch Haschana verübte Sprengstoffanschlag auf den Jerusalemer Politologieprofessor Zeev Sternhell. Er wurde nur leicht am Bein verletzt und konnte das Krankenhaus bald wieder verlassen. So gesehen haben die Attentäter ihr Ziel verfehlt. Aber politisch entwickelte ihr Sprengkörper die Wirkung eines Flächenbombardements.
Nach Erkenntnissen der Polizei ist das Attentat auf Sternhell nur der Anfang einer von jüdischen Extremisten ausgehenden Woge politischer Gewalt. Dass der versuchte Mord politisch motiviert war, gilt als ausgemacht und erklärt auch die Wahl des Opfers. Sternhell ist nicht nur einer der prominentesten israelischen Politikwissenschaftler, er ist auch ein führender Vertreter der intellektuellen Linken.
Seine scharfe Kritik an der israelischen Siedlungspolitik hat ihn für den rechten Rand des politischen Spektrums zum Hassobjekt gemacht. Zudem fand die Polizei in der Nähe des Tatorts Flugblätter, in denen eine finanzielle Belohnung für den Mord an Mitgliedern der Friedensbewegung Schalom Achschaw ausgesetzt wurde. Prompt stellte die Polizei den Generaldirektor von Schalom Achschaw, Jariw Oppenheimer, unter Personenschutz.
Die rechten Terroristen sehen sich als legitime Verteidiger des Landes Israel, die »Verräter« töten dürfen. Genauso hat vor knapp 13 Jahren der Mörder Jitzhak Rabins, Jigal Amir, argumentiert. Der Mörder des Premiers hatte gehofft, mit seiner Tat einen israelischen Rückzug aus dem Großteil der besetzten Gebiete zu verhindern.
Zu diesem Motiv für den Mord an Rabin gibt es eine Parallele in der Gegenwart: Rechtsextremisten haben Angst vor den vor Jahresfrist angelaufenen Friedensgesprächen zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Führung unter Machmud Abbas. Auch wenn die meisten Israelis nicht an den Erfolg der Verhandlungen glauben, nehmen gerade die Verfechter eines Groß-Israel das »Friedensrisiko« ernst.
Dass Premier Ehud Olmert zum Neujahrsfest erklärte, Israel werde im Gegenzug für Frieden nahezu die gesamte West-Bank und Teile Jerusalems aufgeben müssen, verstärkt nur die Gewaltbereitschaft von rechts. Ähnlich wirkt die Aussicht auf die baldige Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Außenministerin Zipi Livni. Sie gilt als Befürworterin eines nahezu vollständigen Rückzugs aus dem Westjordanland.
Unter diesen Vorzeichen glauben die Extremisten, den politischen Prozess rechtzeitig durch Gewalt stoppen zu müssen. Zwar werden Spitzenpolitiker heute weitaus besser bewacht, als es vor dem Mord an Rabin der Fall war. Aber die Sicherheitsbehörden können nicht alle potenziellen Opfer unter Schutz stellen.
Wie in der Vergangenheit tritt auch jetzt wieder ein Leugner- und Sympathisantenumfeld in Erscheinung. Der rechtsextremistische Aktivist und Anführer der Jüdischen Nationalfront, Itamar Ben-Gwir, betonte zwar, seine Organisation habe mit der Tat nichts zu tun, weigerte sich aber auch, das Attentat zu verurteilen.
Es sei nicht erwiesen, argumentierte der Haifaer Professor Steven Plaut, dass der Anschlag von rechten Tätern verübt worden sei. Sollte das aber der Fall sein, so sei das Tatmotiv in der Unterdrückung der Meinungsfreiheit der extremen Rechten durch den Staat zu suchen. Zudem würden Sternhells Ansichten durch den Anschlag »nicht weniger abstoßend« als bisher.
Andere greifen auf Verschwörungstheorien zurück: Das Attentat, gab sich Siedleraktivistin Daniela Weiss überzeugt, sei vom Schabak inszeniert worden. Und zwar, glaubt Nadia Matar, Vorsitzende der Bewegung »Frauen in Grün«, um den geplanten Rückzug aus Judäa und Samaria politisch zu decken. Angesichts solcher Äußerungen wirft die Knesset-Abgeordnete Zahava Gal-On von der linksliberalen Meretz-Partei den Behörden eine politisch gewollte, systematische Duldung rechtsextremistischer Gewalt vor.
Die Aufgabe vorbeugender nachrichtendienstlicher Aufklärung der extremistischen Kreise obliegt der sogenannten jüdischen Abteilung des Schabak. Allerdings hat es der Inlandsgeheimdienst schwer, die dichte Abschottung des »Untergrunds« zu durchbrechen. Das Eindringen in die durch persönliche Bindungen zusammengehaltenen Grüppchen ist oft unmöglich.
Zudem leidet die Dienststelle an Personalmangel. »Wenn ihr wüsstet, wie viele Mitarbeiter die Abteilung hat«, erklärte vor zwei Jahren laut einem inoffiziellen Mitschnitt Schabak-Chef Juwal Diskin in einem Gespräch mit Schülern, »würdet ihr laut lachen.«

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025