Rudi Credé

Hühner, Apfelsinen und gute Freunde

von Annette Lübbers

Rudi Credé hat es sich in seinem komfortablen Wohnmobil bequem gemacht. »Feige gefällig?« fragt der kräftige Mann mit dem weißen Kinnbart lächelnd. »Leider nicht aus Israel.« Leider, leider. Denn Rudi Credé aus Sassenburg verbinden ganz besondere Erinnerungen mit dem Land. Zum Beispiel die Sache in Gasa: »Ich saß in einem Café, und ein Palästinenser fragt mich, woher ich komme. Germania. Gut, sagte er. Und: Adolf Hitler auch gut. Da hätte ich ihm beinahe meinen Kaffee ins Gesicht geschüttet.« Wenn es gegen Juden geht, dann verliert Rudi Credé schon mal die Beherrschung.
Das mit Gasa liegt lange zurück. 26 Jahre alt war Rudi Credé 1967, als er für ein Jahr im Kibbuz Beror Hail arbeitete. Ein deutscher Freiwilliger in Israel, das war zu dieser Zeit etwas ganz Besonderes. Noch heute kommt Rudi Credé ins Schwärmen, wenn er an die Schiffsreise nach Haifa denkt und an die ersten Eindrücke vom neuen Land. »Der türkische Dampfer Eskenderun wurde nur noch von der Farbe zusammengehalten. In Haifa wurde ich dann mit anderen Freiwilligen abgeholt. Ein eigentümlicher LKW war das, der hinten ein Gestell mit einer Segeltuchplane hatte. Und eine Klingel, damit man sich beim Fahrer bemerkbar machen konnte.« Die Ankunft in Beror Hail löste dann erst einmal so etwas wie einen Kulturschock aus: »Da kam ich aus mitteleuropäischen Verhältnissen und fand mich plötzlich am Rand einer Wüste wieder. Allerdings hat sich das schnell gelegt.«
Der Elektriker kam 1967, weil ihm der Aufruf der Organisation »Dienste in Israel« (später hieß sie »Brückenbauer-HaGoshrim«) interessant erschien. Außerdem reizte ihn die Vorstellung, in einem Kibbuz zu arbeiten. Ein befreundetes Ehepaar erzählte ihm von dieser kollektivistischen Lebensart. »Die beiden schwärmten sehr davon. Aber dann haben sie die Reise doch nicht gewagt. Ich schon.« Der junge Mann liest alles, was er über Israel an Informationen bekommen kann. »Damals war das Angebot noch nicht so vielseitig wie heute. Aber was ich las, reizte mich nur noch mehr.« Sein Chef, beeindruckt vom Engagement des Angestellten, gewährt unbezahlten Urlaub. Eine ältere Arbeitskollegin reagiert weniger freundlich: »Die Dame war eine strenggläubige Katholikin. Sie spuckte mich an und erklärte: Du solltest dich schämen, zu den Mördern unseres Herrn zu fahren. Aufklärende Worte nutzten da gar nichts.«
Der junge Mann aus Deutschland arbeitet auf den Baumwollfeldern, erntet Apfelsinen und impft Hühner gegen die Hühnerpest. »Bis zum Abwinken.« Bald schon sagt der Deutsche »Slicha«, wenn er sich für einen Rempler im Gedränge entschuldigen will. »Dann wussten alle: Der kommt aus Deutschland. In Israel hat sich damals niemand für so etwas entschuldigt.«
Obwohl er Deutscher ist und die Schoa erst wenige Jahrzehnte zurückliegt, macht Rudi keine schlechten Erfahrungen. Die Israelis diskutierten viel mit ihm, aber nie warf ihm jemand Antisemitismus oder die Vergangenheit vor. »In Deutschland hatte man mir gesagt: Schnauze halten und malochen. Das tat ich auch. Aber wir hatten ein ganz normales Verhältnis zueinander.« Noch Jahrzehnte nach seiner Rückkehr träumt Rudi Credé nachts von Israel, von seinem Kibbuz, von der Wüste. Ende der neunziger Jahre löst er dann ein Versprechen ein, das er vor langer Zeit seiner Frau gegeben hatte. Sie fahren nach Israel. Rudi Credé sieht seinen Kibbuz wieder, trifft ein paar alte Freunde. »Über den Hof latschte ein Mann wie eine Ente, und ich rief: Motele, bist du das?« Noch heute blitzen seine Augen, wenn er sich an das Wiedersehen erinnert. Stundenlang kann er erzählen von den über Brasilien eingewanderten Jeckes. Von »Donna Irma« und ihrem Sohn Edgar. Auf den Feldern verspritzen Edgar und Rudi gemeinsam Pflan-
zenschutzmittel. Einmal sagt Edgar: »Heute verkaufen die Deutschen uns das Zeugs, früher haben sie Gas produziert.« Für zwei Minuten blicken sich die beiden an. »Aber da war kein Vorwurf in seiner Stimme. Wir haben viel geredet über Deutschland. Immer lautete die Frage: Was tut ihr, damit so etwas nicht noch einmal passiert? Darauf habe ich immer gesagt: Ich kann nur sagen, was ich tue. Ich bin hier und arbeite mit euch.«
Bis heute ist der freiwillige Arbeitseinsatz in Israel die schönste und interessanteste Zeit im Leben von Rudi Credé geblieben. Die alten Fotos, die hat er im Laptop gespeichert. »Leider hatte man damals noch nicht die tollen Kameras wie heute. Trotzdem schaue ich mir die Bilder immer wieder an: Rudi bei der Baumwollernte, seine Wohnbaracke.« Doch Bildqualität hin oder her, für Rudi Credé sind sie ein Schatz an Erinnerungen.

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025