Restitution

Stopp von Versteigerung der Horten-Diamanten gefordert

»Diamonds are a girlʼs best friend«, sang einst Marilyn Monroe und brachte damit die Leidenschaft mancher Frauen für diese Edelsteine auf den Punkt. Und kaum eine andere besaß so viele solcher »besten Freunde« wie Heidi Horten.

Geradezu vernarrt war die im Juni 2022 verstorbene Gattin des Kaufhaus-Königs Helmut Horten in Diamanten besetzte Schmuckstücke. Und sie konnte sich ihr teures Hobby auch leisten. Denn nach dem Tod ihres Mannes 1987 hatte Heidi Horten ein Vermögen geerbt, das auf rund eine Milliarde Dollar veranschlagt wurde.

Aber auch Kunst wusste sie durchaus zu schätzen und erwarb alles, was der Markt hergab, darunter Bilder von so bekannten Malern wie Egon Schiele, Gustav Klimt oder Pierre-Auguste Renoir. Dazu kamen eine legendäre Handtaschen-Kollektion, reichlich Immobilien sowie die knapp 100 Meter lange Luxusjacht »Carinthia VII«. Kurzum, mit einem geschätzten Vermögen von – laut »Forbes« – 3,1 Milliarden Dollar belegte Heidi Horten 2019 Platz eins unter den reichsten Österreicherinnen.

Rekord All das kommt jetzt sukzessive unter den Hammer. Unter anderem die rund 700 Horten-Juwelen. Für sie zuständig ist das Auktionshaus Christieʼs. In einer ersten Runde brachten es einige Hundert dieser Preziosen auf zusammen 202 Millionen Dollar – ein absoluter Rekord. Bis dato galt die Versteigerung der Sammlung von Elizabeth Taylor mit 137 Millionen Dollar im Jahr 2011 als die weltweit größte Schmuckauktion. Bis zum November 2023 sollen die letzten Horten-Juwelen neue Besitzer gefunden haben.

Doch bereits im Vorfeld hagelte es heftige Kritik. »Eine der größten Herausforderungen bei der Aufarbeitung des Erbes des Holocaust ist es, den Opfern des gigantischen Raubzugs Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«, hieß es seitens des American Jewish Committee (AJC). »Noch immer gibt es viele Hindernisse bei der Restitution. Noch schwieriger ist es, wenn skrupellose Geschäftsleute die Arisierungsgesetze und die verzweifelte Not der vor den Nazis fliehenden Juden ausnutzten, um ihr Vermögen anzuhäufen.« Genau das sei aber bei Helmut Horten der Fall gewesen. Der Verkauf müsse deshalb gestoppt werden, und zwar so lange, bis man genau wisse, welcher Teil seines Vermögens von Nazi-Opfern stammt.

Die World Federation of Diamond Bourses (WFDB) meldete sich ebenfalls zu Wort und forderte Christieʼs dazu auf, wenigstens einen Teil des Gesamterlöses an Organisationen zu spenden, die sich für das Wohlergehen von Holocaust-Überlebenden einsetzen. Und Rabbiner Abraham Cooper, stellvertretender Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, erklärte: »Christieʼs muss den Verkauf aussetzen, bis eine vollständige Untersuchung der Verbindungen zur Nazizeit abgeschlossen ist. Belohnen Sie nicht diejenigen, deren Familien sich möglicherweise an verzweifelten Juden bereichert haben, die von den Nazis verfolgt und bedroht wurden.«

arisierung Auch die französisch-jüdische Dach-organisation Conseil Représentatif des Ins­titutions Juives de France (CRIF) führte Bedenken an. »Dieser Verkauf ist in zweifacher Hinsicht unmoralisch«, betonte ihr Präsident Yonathan Arfi. »Nicht nur, weil die Mittel, die den Kauf dieses Schmucks ermöglichten, zum Teil aus der von Nazi-Deutschland durchgeführten Arisierung jüdischen Eigentums stammen, sondern seine Veräußerung ebenfalls der Finanzierung einer Stiftung dient, deren Aufgabe es ist, den Namen eines ehemaligen Nazis für die Nachwelt zu schützen.«

Damit verweisen sie auf die eigentlichen Quellen des Reichtums von Heidi Horten. Denn ihr Gatte Helmut, der jeder westdeutschen Stadt ein Kaufhaus mit der immer gleichen Kachelfassade bescherte und als eine der Symbolfiguren des Wirtschaftswunders galt, war auch einer der Profiteure des NS-Regimes. So sah er nach einer Lehre beim deutsch-jüdischen Warenhausbetreiber Leonhard Tietz in der antisemitischen Ausgrenzungspolitik der Nazis seine Chance und erwarb 1936 das Textilkaufhaus der jüdischen Gebrüder Alsberg in Duisburg zum Schnäppchenpreis.

»Jawohl – Sie haben ganz richtig gesehen: Das Alsberg-Haus hat seinen Hausherrn gewechselt, ist in arischen Besitz übergegangen«, hieß es danach in einem Inserat. Alle jüdischen Angestellten wurden sofort gefeuert. Weitere Warenhäuser sollten ähnlich »günstig« erworben werden. Wer nicht spurte, dem drohte Helmut Horten mit dem KZ – das jedenfalls könne man in den eidesstattlichen Erklärungen der Eigentümer des niederländischen Modekonzerns Gebrüder Gerson nachlesen, so die Tochter eines ehemaligen Gerson-Vorstandsmitglieds gegenüber dem österreichischen Magazin »Profil«.

Verschleierung Und wie Horten mit seiner Geschichte umging, zeigte sich 1986, als sich das Unternehmen anlässlich seines 50. Geburtstags mit einer Festschrift selbst feierte. »Danach ging Alsberg nicht in arischen, sondern ›in anderen Besitz‹ über«, schrieb »Der Spiegel« damals. »Das NS-Gütezeichen ›Deutsches Geschäft‹ aus der Originalvorlage ließen die Horten-Chronisten aus dem Faksimile ganz verschwinden.«

Heidi Horten, die Jahrgang 1941 war und Helmut Horten 1966 geheiratet hatte, galt als absolut medienscheu und mied stets die Öffentlichkeit. Sehr wohl aber feilte sie an ihrem Image als Liebhaberin der schönen Künste, vor allem in den letzten Lebensjahren. Deshalb ließ sie 2018 unter dem Titel »Wow! The Heidi Horten Collection« erstmals mehr als 150 der von ihr gesammelten Gemälde im Wiener Leopold Museum zeigen, woraufhin 2022, nur wenige Tage vor ihrem Tod, sogar die Eröffnung eines eigenen Museums im Hanuschhof, ebenfalls Wien, erfolgte.

Zwecks Finanzierung des Ganzen hatte sie 2020 die HGH-Vermögen-Stiftung in Vaduz in Liechtenstein gegründet, die nach Eigenaussage ebenfalls »philanthropische Projekte« fördern würde. Und die Erlöse aus den Versteigerungen der Horten-Juwelen werden wiederum an die Stiftung gehen.

Historiker kritisieren das von Horten in Auftrag gegebene Gutachten.

Nur eines störte dabei stets das positive Bild, und das war die Art und Weise, wie der ganze Reichtum ihres Gatten Helmut Horten und damit letztendlich auch ihr eigener, zustande gekommen war. Persönlich hat Heidi Horten sich nie dazu geäußert. Das überließ sie lieber ihren Beratern, die nach der immer gleichen Methode Kritiker abwehrten. Aber auch hier fand sich letztendlich ein Weg.

gutachten So gab die Multimilliardärin 2020 bei den Historikern Peter Hoeres und Maximilian Kutzner von der Universität Würzburg ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, das den »Vermögens- und Geschäftsaufbau von Helmut Horten« beleuchten sollte. Darin wurde festgestellt, dass NSDAP-Mitglied Horten zwar »Nutznießer« der Arisierung gewesen sei, aber keine Notsituation für jüdische Geschäftsleute herbeigeführt oder verschärft habe.

»Was die Konditionen der Verkäufe anbelangt«, habe Horten »vergleichsweise fair« gehandelt. »Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild des Unternehmers Helmut Horten und korrigieren einige Gerüchte«, heißt es dazu auf der Internetseite der »Heidi Horten Collection«.

Andere dagegen, wie die Historikerin Birgit Kirchmayr von der Johannes Kepler Universität in Linz in der Tageszeitung »Der Standard«, sprechen von einem »erinnerungspolitisch problematischen Gutachten« und attestieren dem Horten-Museum, es wie einen »Persilschein« zu verstehen.

schusslinie All das kam in den Diskussionen um die Versteigerung wieder zur Sprache. »Eine Nazi-Wolke hängt über dem Christieʼs Juwelen-Verkauf«, hatte die »New York Times« deshalb Ende April getitelt. Damit geriet auch das Auktionshaus in die Schusslinie. Denn in dem Katalog dazu gab es keinerlei Hinweise auf die problematische Geschichte des Horten-Vermögens.

Das holte man nach. Christieʼs spricht nun von den »gut dokumentierten« Geschäftspraktiken von Helmut Horten und gelobt, einen nicht näher bezifferten Teil der eingenommenen Kommissionen aus dem Geschäft an Organisationen zu spenden, die sich der Holocaust-Forschung und Erziehung widmen. »The World of Heidi Horten – An Unparalleled Collection of Jewellery« (Die Welt von Heidi Horten – eine unvergleichliche Schmucksammlung), heißt der Titel dieser Webseite zur Auktion. Man könnte ihn vielseitig deuten.

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