Zivilehe

Heirat zweiter Klasse

von Wladimir Struminski

Hila und Alex (Namen geändert) sind ein Paar wie aus dem Bilderbuch. Die beiden Jungakademiker aus dem Landeszentrum leben seit drei Jahren zusammen, haben gute Arbeit und eine große Wohnung. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Freunde besitzen sie aber keinen Trauschein. Das ist kein Zufall. Alex, ein Einwanderer aus der Ex-UdSSR, hat zwar einen jüdischen Vater, aber keine jüdische Mutter. Damit weist ihm das geltende Recht einen Sonderstatus zu. Als Kind eines Juden – das gilt auch für Enkel – durfte Alex in Israel einwandern. Das legt das Rückkehrgesetz fest. Als Nichtjude im Sinne der Halacha darf er in Israel aber nicht heiraten. Dafür sorgt das Personenstandsgesetz, das die alleinige Zuständigkeit für die Eheschließung in die Hände der jeweiligen Religionsgemeinschaft legt.
Damit können Moslems nur Moslems, Christen nur Christen, Drusen nur Drusen und Juden eben nur Juden heiraten. Eine Zivilehe gibt es nicht. Und weil das für Juden zuständige Oberrabbinat streng nach der Halacha vorgeht, gilt Alex als Goj. Die ihm einzige offenstehende Möglichkeit, mit der halachisch lupenreinen Jüdin Hila in den Stand der Ehe zu treten, wäre eine Trauung im Ausland. Das aber wollen die beiden Partner nicht. »Es ist demütigend«, wehrt Hila ab. »Wir sind Bürger des Staates Israel und wollen unser grundlegendes Recht auf Eheschließung zu Hause wahrnehmen.«
Wie Hila und Alex geht es rund 300.000 Israelis, zumeist, aber nicht nur Einwanderern aus der GUS. Sie gelten als Nichtjuden ohne Religionszugehörigkeit. Aufmerksam wurden Alex und Hila allerdings in der vergangenen Woche. »Israel führt die Zivilehe ein«, verkündeten die Schlagzeilen in den israelischen Tageszeitungen. »Zum ersten Mal seit der Staatsgründung« meldete das Radio. Mehr als das: Der Entwurf der neuen Regelung wurde gemeinsam vom säkularen Justizminister Daniel Friedmann und dem sefardischen Oberrabbiner Schlomo Amar formuliert. Selbst der Mentor der ultraorthodoxen Schas-Partei, Rabbiner Owadja Josef, befürwortet ihn.
Den meisten Heiratswilligen verschafft die geplante Novelle jedoch nicht den ersehnten Trauschein. Das Recht, eine Zivilehe vor einem Richter einzugehen, gilt nach dem Gesetzentwurf nämlich nur dann, wenn beide Partner laut offizieller Definition religionslos sind. »Ist einer der Ehekandidaten Jude«, betonte Amar, »wird das Rabbinat eine Zivilehe nicht zulassen.« Schließlich, so der Rabbiner, wolle man der Assimilation des jüdischen Volkes keinen Vorschub leisten. Dagegen sei die zivile Eheschließung unter zwei Nichtjuden in halachischer Sicht unbedenklich. Damit, lobte Amar überschwänglich den von ihm mitgeschriebenen Gesetzentwurf, erweise man den Nichtjuden den ihnen gebührenden Respekt.
Der Haken an der Neuregelung: Die religiös undefinierten Israelis verlieben sich nicht gezielt in Schicksalsgenossen. In aller Regel sind ihre Partner Juden. Ein Indiz: Im Jahresdurchschnitt reisen nur knapp zweihundert »rein« nichtjüdische Paare ins Ausland, um dort zu heiraten. So dürfte das Amar-Friedmann-Gesetz höchstens einige Hundert zivile Eheschließungen jährlich ermöglichen. Besonders absurd: Ehekandidaten, die diesen Weg einschlagen, müssen nachweisen, dass sie Nichtjuden sind.
»Bisher«, kritisiert Gilad Kariv, Reformrabbiner und leitender Mitarbeiter des israelischen Zentrums für religiösen Pluralismus, »mussten Einwanderer, die als Juden heiraten wollten, dem Rabbinat ein Foto des jiddisch beschrifteten Grabsteins ihrer Großmutter zeigen. Jetzt werden diejenigen, die die Zivilehe in Anspruch nehmen wollen, dem Rabbinat zeigen müssen, dass auf dem Grabstein ihrer Großmutter ein Kreuz prangt.«
Für Jossi Beilin, den Vorsitzenden der linkslaizistischen Meretz-Partei, ist die neue Initiative deshalb schlicht »Betrug«. Auch bei der rechtssäkularen Israel Beitenu herrscht Unmut. »Wir fordern ein neues Partnerschaftsgesetz«, erklärte David Rotem, Abgeordneter der von vielen Neueinwanderern gewählten Partei. Den Amar-Friedmannn-Vorstoß, versprach Rotem, werde seine Partei »konsequent bekämpfen«. Andere Kritiker warfen Friedmann den Ausverkauf liberaler Interessen vor, zumal der Gesetzentwurf im Gegenzug für die nichtexistente Reform die Position des Oberrabbinats in Fragen des Übertritts zum Judentum stärkt.
Auf jeden Fall, so Zamira Segev, Direktorin des israelischen Rates für Religionsfreiheit, Hemdat, und Koordinatorin des Forums für freie Ehepartnerwahl, wird das neue Gesetz den Heiratstourismus ins Ausland nicht unterbinden. »Auf Zypern«, berichtet Segev, »heiraten mehr israelische als zypriotische Paare«. Für viele Brautpaare in spe ist die Demütigung besonders schmerzhaft, weil der Staat Israel, der ihnen das Recht auf Eheschließung verweigert, sie sonst gern in die Pflicht nimmt.
Die meisten Betroffenen arbeiten, zahlen Steuern und dienen in der Armee. Darunter auch Anna und Ran. Ran ist israelischer Jude, Anna die aus der Ukraine immigrierte Tochter eines Juden und einer Nichtjüdin. Um zu heiraten, mussten die beiden Zahal-Offiziere nach Zypern. Ausnahmen von der Halacha sieht das religiöse Gesetz nämlich nicht vor und wird es auch künftig nicht tun. Damit bleibt für Hila und Alex der Traum von einer Hochzeit in der Heimat unerfüllt.

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025