Überfallopfer

Gewaltbereit

von Tilman Vogt

Nach gut zweiwöchigen Ermittlungen zu dem brutalen Überfall auf den jüdischen Jugendlichen Rudy H. in Paris haben die französischen Behörden vergangene Woche sieben tatverdächtige Personen verhaftet, von denen allerdings einer inzwischen wieder freigelassen wurde. Der 17-jährige Rudy war, eine Kippa tragend, am Abend des 21. Juni von einer Horde Jugendlicher im 19. Arrondissement von Paris überfallen und halb totgeprügelt worden. Bisher hatte die zuständige Innenministerin wenig Fahndungserfolge vorzuweisen. Schon einmal waren fünf Jugendliche festgenommen worden, die sich dann aber nur als Zeugen des Vorfalls entpuppten.
Vielleicht bringen die jetzigen Gefangennahmen neue Aufschlüsse über den immer noch unklaren Tathergang. Denn während zu Beginn allseitig von einem originär antisemitischen Verbrechen gesprochen wurde, bei dem Rudy alleine der Gruppe von Schlägern ausgesetzt gewesen sein soll, hat sich mittlerweile eine andere Version durchgesetzt. Nach dieser ist der brutale Akt gegen Rudy H. das Resultat einer heißgelaufenen Gewaltspirale zwischen einer jüdischen und einer maghrebinisch-afrikanischstämmigen Gruppe Jugendlicher. Sicher ist inzwischen, dass es in dem multiethnischen Viertel schon im Laufe des Tages des Überfalls mehrere gewalttätige Übergriffe auf Juden gegeben hat. Spekuliert wird nun, ob es sich um Racheakte für eine vorangegangene Attacke vonseiten jüdischer Jugendlicher handeln könnte. Zum anderen steht im Raum, Rudy sei, anders als zuerst verkündet, zur Zeit des Überfalls gar nicht allein gewesen, sondern habe es nur nicht geschafft, rechtzeitig zu flüchten.
Rudy selbst kann zur Rekonstruktion wenig beitragen. Zwar ist er mittlerweile aus dem Koma erwacht, doch hat er alle Erinnerung an den Angriff verloren. Für ihn ist der Überfall halbwegs glimpflich verlaufen. Die Ärzte vermuten, dass er keine bleibenden Schäden davontragen wird.
Nachdem unmittelbar nach der Tat der Aufschrei über das neue antisemitische Verbrechen groß war, scheint das Pendel der medialen Erregung mittlerweile in die andere Richtung auszuschlagen: In den Kommentaren ist eine fast hämische Erleichterung zu beobachten, dass das Opfer, das tatsächlich wegen vorangegangener Gewalttätigkeiten polizeibekannt war, womöglich ebenso Angehöriger einer Bande gewesen sein könnte. Demnach, so die Kommentatoren, sei die Reaktion der jüdischen Gemeinschaft, aber auch der offiziellen Staatsorgane übertrieben und greife ins Leere. Mittlerweile wird fast mehr über die kriminelle Vergangenheit von Rudy spekuliert als über die Täter. Das veranlasste die Mutter des Opfers dazu, zu dementieren, dass ihr Sohn ein Ganove oder Schläger sei.
Unabhängig davon, wie der Fall genau zu rekonstruieren ist, wird innerhalb der jüdischen Gemeinde genau registriert, dass es mit der Banalisierung der Rolle des Antisemitismus im Fall Rudy auch darum geht, die als lästige Beschmutzung empfundene Anprangerung des allgemeinen Antijudaismus vom Tisch zu wischen. Dabei bilden der alltägliche Antisemitismus und die Bandenbildung nach Ethnien und Religionen genau die Grundlage für das Verbrechen des 21. Juni. Gerade im für Pariser Verhältnisse recht armen 19. Arrondissement sind Vorurteile wie das vom reichen Juden weit verbreitet. Um so absurder, als für jedermann sichtbar ist, dass gerade hier Juden genauso wie Muslime, Christen oder Atheisten zur selben sozialen Gruppe gehören und mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Rudy zum Beispiel absolvierte in einer Berufsschule eine Klempnerausbildung. Am 2. Juli wäre er für ein soziales Jahr nach Israel aufgebrochen, ein Traum, den viele junge Juden des Viertels hegen. Doch den meisten fehlt dafür das Geld.

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025