Berlin

»Gelebte Debattenkultur«

Miriam Rürup, die Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums, plädierte dafür, »die Vielfalt der Stimmen« zuzulassen. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

In der Debatte um die Räumung eines antiisraelischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin am 7. Mai haben mehrere Hochschullehrer die Reaktionen der Hochschulleitung, Polizei und Politik auf die Aktion kritisiert. Der Jurist Clemens Arzt, der Historiker Michael Wildt, die Historikerin Miriam Rürup und der Dekan der Barenboim-Said-Akademie, Michael Barenboim, sprachen sich am Dienstag in der Bundespresskonferenz in Berlin gegen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit aus.

Clemens Arzt, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, betonte: »Die Versammlungsfreiheit ist das Recht auf Dissens, auf abweichende Meinungen.« Grenzen setze das Strafrecht und nicht die Staatsräson der Bundesrepublik.

Die besondere Rolle Deutschlands gegenüber Israel stehe nicht infrage, doch neige die Politik dazu, »Staatsräson und Verfassung zu verwechseln«. Protestierende hätten grundsätzlich das Recht, Zeit, Ort, Mittel und Form des Protestes selbst zu wählen. Dialogfähigkeit und Dialogwillen seien dabei nicht vom Gesetz eingefordert.

Terror und Krieg

»Der Verweis auf eine mangelnde Dialogbereitschaft der Protestierenden verkennt den Unterschied von Meinungs- und Versammlungsfreiheit einerseits und außerrechtlichen Anforderungen im akademischen Kontext einer Universität andererseits.«

Der Historiker Michael Wildt ist einer der Unterzeichner des Offenen Briefes von Dozentinnen und Dozenten, der sich gegen den Polizeieinsatz an der Freien Universität Berlin richtete. Wildt verwies eingangs darauf, dass er »vielfältige und enge Beziehungen zu Israel habe«.

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Dann sagte er: »Studierende haben ein Recht, gegen den Terror der Hamas ebenso wie gegen den Krieg in Gaza zu demonstrieren.« Wo, wenn nicht an den Universitäten, sollte es Räume geben, um diese Auseinandersetzung zu führen. Die Sorge um ein offenes Klima in den Universitäten sei seine Motivation gewesen, das Statement zu unterschreiben.

»Gelebte Debattenkultur«

Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums und Professorin für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, sagte, dass auch jüdische Protestierende protestieren möchten. Sie forderte, die Vielfalt der Stimmen zuzulassen und sich dem zu nähern, »was die Protestcamps eigentlich sind, nämlich ein Zeichen für eine gelebte Debattenkultur.«

Der Blick in die Geschichte lehre, dass Jüdinnen und Juden nur dann geschützt seien, wenn eine Gesellschaft offen und ein Rechtsstaat stark ist und demokratische Grundrechte eingehalten und verteidigt werden.

Michael Barenboim, Professor an der Barenboim-Said Akademie, sagte, dass sich Studierende zusammengetan hätten, um gegen »eines der großen Verbrechen unserer Zeit« zu protestieren.

Berlin, Leipzig und Bremen

Am 7. Mai hatten etwa 150 antiisraelische Aktivisten an der Freien Universität Berlin einen Hof besetzt und Zelte aufgebaut. Die Uni schaltete die Polizei ein und ließ das Gelände räumen. Die Polizei bilanzierte am Tag danach, es seien 79 Personen vorübergehend festgenommen worden, es gebe 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitsverfahren. Ähnliche Aktionen wurden später an Unis in Leipzig und Bremen registriert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte am 7. Mai dazu erklärt: »Die gewaltsame Besetzung der FU Berlin durch sogenannte propalästinensische Aktivisten zeigt eindeutig den fanatischen Charakter der daran beteiligten Gruppierungen. Die schnell erfolgte Räumung war wichtig und richtig. Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute.« ddk

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