Bildungsministerin Stark-Watzinger

»Unis sind keine rechtsfreien Räume«

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Foto: picture alliance / photothek.de

Frau Ministerin, wie bewerten Sie die zunehmenden anti-israelischen und judenfeindlichen Aktionen an deutschen Hochschulen?
Sie sind unerträglich und wir müssen uns ihnen klar entgegenstellen. Antisemitismus und Israelhass dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Nie wieder ist jetzt! Das gilt auch für unsere Hochschulen. Sie sind Orte maximaler Freiheit, aber keine rechtsfreien Räume. Ich begrüße es daher, wenn Hochschulleitungen konsequent von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, um gegen Antisemitismus vorzugehen. Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich klar positioniert. Ich bin mir der aktuellen Herausforderungen für Hochschulen bewusst und möchte sie darin bestärken, bei ihrem Engagement nicht nachzulassen.

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Sie haben sich »fassungslos« über einen offenen Brief von Uni-Dozenten geäußert, die sich hinter die propalästinensischen Proteste stellen. Warum?
Das Statement enthält kein Wort zum beispiellosen Terrorangriff der Hamas auf Israel, den vielen Todesopfern in Israel, den noch mehr als 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas, dem Israel- und Judenhass oder entsprechenden Vorfällen in unserer Gesellschaft oder an Hochschulen, dafür eine Täter-Opfer-Umkehr bei der Besetzung von Hochschulen und ein Rechtsverständnis, das diese Besetzungen für legal hält. Hochschulen quasi zu rechtsfreien Räumen zu erklären, halte ich ebenfalls für falsch.

Mehrere Wissenschaftler, darunter der Soziologe Peter Ullrich oder der Rechtsexperte Ralf Michaels, haben Ihre Reaktion kritisiert. Wie reagieren Sie darauf?
Natürlich kann man kritisieren. Aber es darf nicht sein, dass dabei der Kern der Debatte verloren geht. Und das ist der Antisemitismus und der Umgang damit. Ich sehe es als meine Aufgabe an – und es ist auch mein persönliches Anliegen –, eine klare Haltung zu vertreten. Das erwarte ich auch von allen, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen. Es ist richtig, wenn Hochschulleitungen bei Antisemitismus und Gewalt schnell handeln und die Polizei einschalten. Wir dürfen nicht vergessen: Deutschland hat eine besondere Verantwortung. Und deshalb kann sich Israel unserer Solidarität sicher sein. Zugleich sehen wir das große Leid der Zivilbevölkerung in Gaza.

Was kann und muss aus den massiven Ausschreitungen der vergangenen Wochen an Hochschulen in den USA gelernt werden?
Die massiven Ausschreitungen in den USA müssen uns eine Mahnung und Warnung sein. Sie haben gezeigt, wie schnell es zu einer Eskalation kommen kann und aus Worten Taten werden. Im Februar ist in Berlin ein jüdischer Student der FU von einem Kommilitonen krankenhausreif geprügelt worden. Das ist erschreckend und zeigt, dass wir Antisemitismus konsequent bekämpfen müssen.

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Ist es mit der Freiheit von Wissenschaft und Lehre vereinbar, dass aufgrund von Protestaktionen an verschiedenen Hochschulen bereits der Lehrbetrieb zeitweise eingestellt werden musste?
Es ist die zentrale Aufgabe der Hochschulleitungen, den Lehrbetrieb zu gewährleisten. Insofern müssen sie Besetzungen des Universitätsgeländes oder von Hörsälen auch nicht dulden. Hochschulen müssen vor allem friedliche und rationale Diskursräume sein. Das sind sie jedoch nur, wenn konsequent gegen Hetze und Gewalt vorgegangen wird und sich alle Mitglieder der Hochschule sicher fühlen können.

Teilen Sie die Einschätzung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der meint, dass eine antisemitische Grundhaltung an deutschen Hochschulen weit verbreitet sei und diese sehr schnell zu einer Eskalation führen könne?
Die Kultusministerkonferenz hat gemeinsam mit meinem Ministerium einen Aktionsplan gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit verabschiedet. Ebenso engagieren sich viele Hochschulen aktiv gegen Antisemitismus. Im Rahmen der von uns geförderten Antisemitismusforschung haben wir im Dezember eine Schnellbefragung unter Studierenden in Auftrag gegeben. Die Daten zeigen, dass es antisemitische Einstellungen bei Studierenden gibt, diese aber weniger verbreitet sind als in der Gesamtbevölkerung. Allerdings gab jeder Dritte der befragten jüdischen Studierenden an, schon einmal wegen seiner Religion diskriminiert worden zu sein. Das ist überaus besorgniserregend. Und wir sehen die Besetzungen von Hochschulen. Ich bin mir mit Herrn Klein einig, dass wir entschlossen gegen Antisemitismus vorgehen müssen.

Können Sie jüdischen Studentinnen und Studenten derzeit sagen, dass sie an deutschen Hochschulen sicher sind?
Ich sehe, dass viele Hochschulleitungen bereits jetzt einiges unternommen haben, damit sich jüdische Studierende sicher fühlen können. Es wäre schlimm, wenn sie sich aus Angst vor Diskriminierung oder Übergriffen vom Campusleben oder dem Studium zurückziehen würden. Deshalb wird es eine Aufgabe der Hochschulleitungen bleiben, Maßnahmen zu ergreifen und auszubauen, die jüdische Studierende und auch Lehrende unterstützen und schützen. Ich möchte aber auch sagen, dass wir alle gefordert sind. Jeder trägt jeden Tag Verantwortung, nicht wegzusehen und sich gegen Antisemitismus zu stellen.

Die Fragen an die Bundesministerin für Bildung und Forschung stellte Detlef David Kauschke.

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