Roberto Ciulli

Fünf Minuten mit Regisseur Roberto Ciulli über seine umstrittene Fassbinder-Inszenierung

Herr Ciulli, es gibt starke Proteste gegen Ihre Fassbinder-Inszenierung. Auch der Zentralrat der Juden und die Jüdische Gemeinde Mülheim sehen sich nach einer Voraufführung in ihrer Kritik bestätigt. Bleiben Sie dennoch dabei, Der Müll, die Stadt und der Tod zu inszenieren?
Ja. Wir wussten um die Bedenken, die es gegenüber diesem Stück gibt und haben deswegen bereits im Frühjahr die Jüdische Gemeinde in Mülheim kontaktiert und angekündigt, dass wir das Schauspiel im Rahmen eines dreiteiligen Fassbinder-Projekts spielen möchten. Ich nehme die Ängste sehr ernst und glaube, dass sie berechtigt sind. Trotzdem bedauere ich die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Zentralrat der Juden und uns. Wir sind aber nach wie vor überzeugt, dass es richtig ist, dieses Projekt zu realisieren.
Warum?
Im Rahmen des Fassbinder-Projektes werden wir auch »Nur eine Scheibe Brot« aufführen. Das Stück handelt von der Problematik, in einem antisemitischen Klima einen Film über Auschwitz zu realisieren. Der dritte Teil des Projekts ist das Drama »Blut am Hals der Katze«, das den Verfall der Sprache auch als Ursache und Folge des Faschismus zeigt. Dieses Projekt bietet die Gelegenheit, auf den durchaus vorhandenen Antisemitismus in Deutschland aufmerksam zu machen. Wer über unseren Versuch urteilt, muss sich mit dieser Inszenierung auseinandersetzen.

Wie soll das funktionieren: mit judenfeindlichen Parolen auf der Bühne Antisemitismus zu bekämpfen?
Es gibt in der Theaterliteratur eine Reihe von Texten, die mit judenfeindlichen Parolen gegen Antisemitismus angehen. Auf der Bühne Antisemitismus aufzuzeigen, zu entlarven und zu bekämpfen, ohne die Figuren antisemitische Phrasen und Klischees aussprechen zu lassen, erscheint fast unmöglich.

Haben Sie Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die so etwas partout nicht hören und sehen wollen?
Ja, Menschen denen solch unvorstellbar Schreckliches angetan wurde, müssen mit dem allergrößten Respekt und der allergrößten Nachsicht behandelt werden. Auch darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Doch damit solche antisemitischen Äußerungen nicht mehr gehört werden müssen, und das nicht nur auf der Bühne, machen wir diese Inszenierung. Gäbe es in der Aufführung Anhaltspunkte dafür, dass sie antisemitisch ist, wäre ich der Erste, der sie absetzen würde.

Ihr Theater ist sehr stark im Iran vertreten. Glauben Sie, man würde Ihre Inszenierung in Teheran als ein Schauspiel begreifen, das Antisemitismus demaskiert?
Die Frage ist, von welchem Iran wir sprechen. Ich glaube, dass es auch im Iran genug Intellekt gibt, diese Aufführung als einen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in der Welt zu verstehen und sie aus diesem Grund gutzuheißen. Aber es wäre politisch nicht klug, diese Aufführung im Iran zu zeigen. Die Lust ist gering, dort missverstanden zu werden und Applaus von der falschen Seite zu bekommen.

Mit dem Intendanten des Mülheimer Theaters an der Ruhr sprach Philipp Engel. Foto: ddp

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025

Frankfurt am Main

Michel Friedman will nicht für TikTok tanzen

Es handle sich um eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreite, sagt der Publizist

 28.08.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 25.08.2025

Nahost

Alabali Radovan besucht Palästinensergebiete: Hilfe im Fokus

Die Entwicklungsministerin will in Tel Aviv diese Woche Angehörige von Geiseln treffen und das Westjordanland besuchen

 25.08.2025