Vatikanstadt

Finito

von Gerhard Mumelter

Häretiker verfolgte Papst Paul IV. mit kompromissloser Härte. Für Juden führte er die Pflicht ein, in Ghettos zu leben, und seine 1555 erlassene Bulle »Cum nimis absurdum« gestattete ihnen nur niedrige Arbeiten. Dazu zählte auch der Verkauf religiöser Andenken vor Roms Basiliken.
Seit Jahrhunderten sind die Devotionalienhändler rund um den Vatikan fast ausnahmslos Juden. Geht es nach dem Willen von Kardinal Giovanni Lajolo, soll damit jetzt Schluss sein. Just vor Weihnachten verfügte der Gouverneur des Kirchenstaats ein Berufsverbot für jenes Dutzend fliegender Händler, das in kleinen Bauchläden Rosenkränze und Papst-Medaillen feilbietet. Grund für die rüde Maßnahme: Ihre Tätigkeit störe den »decoro urbano«, die Würde des Petersplatzes.
1986 und 2000 waren Versuche des Vatikans gescheitert, die Händler vom Platz zu vertreiben. Als der damalige Papst Johannes Paul II. erfuhr, dass es sich um Juden handelte, ließ er das Verbot aussetzen. Die Händler könnten ihre Tätigkeit bis zum Ruhestand fortsetzen, ließ der Kirchenstaat verlauten. Schriftlich bestätigt wurde die inoffizielle Duldung nicht, wie häufig im Vatikan, wo uralte Regeln festlegen, was in Gesetzesbüchern nie erscheint.
Urtisti (Rempler) heißen die fliegenden Händler noch heute, weil sie mit ihren schweren Säcken früher häufig Pilger anrempelten. Seit fast 150 Jahren arbeiten sie in einer rechtlichen Grauzone – ohne Arbeitsvertrag, ohne Anstellung, ohne Rentenanspruch, ohne Krankenversicherung. Doch nun will der traditionsbesessenste Staat der Welt das uralte Gewerbe der Urtisti ächten. Seit 10. Januar dürfen die fliegenden Händler den Petersplatz nicht mehr betreten. Das Berufsverbot, versichert die Verwaltung des Kirchenstaats, sei »unwiderruflich«.
Vergeblich protestierten die Betroffenen mit israelischen Fahnen und Plakaten gegen ihre Vertreibung und drohten damit, sich am Petersplatz anzuketten. Die unnötige Härte, mit der ein beträchtliches Polizeiaufgebot ihre Protestaktion beendete, empört die Urtisti. »Seit 35 Jahren übe ich diesen Beruf aus. Ich habe Frau und zwei Kinder. Wovon sollen wir denn leben?«, erregt sich Raimondo Zarfati. »Hier vor dem Petersdom hören wir jeden Sonntag Aufrufe zu Toleranz und Predigten über die Würde von Arbeit und Familie. Will der Vatikan unsere Familien ruinieren?«, klagt Alfredo Chiarelli.
Den Verdacht, das Berufsverbot habe mit ihrer jüdischen Herkunft zu tun, werden die Betroffenen nicht ganz los. »Schauen Sie sich doch diese Fotografen an«, ärgert sich Charelli und deutet auf die Mitte des Platzes. »Die sind rechtlich in derselben Lage wie wir und gehen unbehelligt ihrer Tätigkeit nach.« Settimio Limentani fragt: »Ist es ein Zufall, dass sie alle Katholiken sind? Mein Vater wurde nach Auschwitz deportiert, ich habe schulpflichtige Kinder. Warum hat es der Kirchenstaat ausgerechnet auf uns abgesehen?« Dass elf harmlose Wanderhändler die Würde des Platzes beeinträchtigen sollen, will Chiarelli nicht in den Kopf. »Wir arbeiten seit Jahrzehnten hier. Als er Kardinal war, hat uns Joseph Ratzinger immer freundlich gegrüßt. Jetzt sollen wir plötzlich geächtet werden«, schimpft Chiarelli.
Die Lage der fliegenden Händler ist wenig beneidenswert. Am Petersplatz dürfen sie ihrer Tätigkeit nicht mehr nachgehen, außerhalb der Abgrenzung benötigen sie eine Gewerbelizenz der Stadt Rom. »Wir befinden uns in einer Art luftleerem Raum«, schildert Zarfati die Lage der Betroffenen. »Im Schwebezustand.« Vor einigen Wochen schaltete sich die jüdische Gemeinde Roms ein. Deren Vorsitzender Leone Paserman bekundete die Bereitschaft, vier Händlern einen neuen Arbeitsplatz zu vermitteln. Die restlichen sieben sollten ihre Tätigkeit weiter ausüben dürfen. Doch der Vatikan lehnte ab.

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025