Verhandlungen

Ferien in Frieden

von Natan Sznaider

Stell’ dir vor, es ist Frieden, und keiner geht hin. Politiker und Medien in Israel diskutieren über Krieg und Frieden, über einen Abzug aus den besetzten Gebieten.
Der neu gewählte israelische Staatspräsident Schimon Peres, der in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren uneingeschränkt hinter der Siedlerbewegung stand und später einer der Hauptarchitekten des Friedensprozesses von Oslo war, hat nun vorgeschlagen, das besetzte Westjordanland fast völlig aufzugeben und dort ein souveränes Palästina zu gründen. Die israelische Öffentlichkeit vernimmt die präsidialen Äußerungen – und reagiert kaum. Hört überhaupt jemand zu?
Unterdessen traf sich Regierungschef Ehud Olmert in der vergangenen Woche mit Palästinenserpräsident Machmud Ab-
bas in Jericho und führte Gespräche über die Rahmenbedingungen eines künftigen Palästinenserstaates. Es war übrigens das erste Mal seit sieben Jahren, dass ein israelischer Regierungschef eine palästinensische Stadt besucht hat.
Und? Misstrauensantrag in der Knesset, Demonstrationen auf der Straße? Fehlanzeige. Noch vor einem Jahr hätten die- selben Erklärungen und Handlungen wütende Proteste ausgelöst. Jetzt bleibt es in Jerusalem auffallend ruhig.
Es scheint, als sei die Opposition im Urlaub, Israels Rechte in den Sommerferien. Oder gibt es einen anderen Grund für diese vermeintliche Ruhe? Glaubt in Israel womöglich kaum noch jemand an die Idee »Land für Frieden«?
Der Großteil der Welt versteht den Konflikt im Nahen Osten vor allem als territorialen Konflikt. Die israelische Rechte hat diese Formel nie akzeptiert. Sie war schon immer kompromissloser, weil sie von der Kompromisslosigkeit der anderen Seite überzeugt war. Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzungen war in ihren Augen nicht 1967, das Jahr des Sechstagekrieges und des Beginns der Besatzung, sondern 1948, das Jahr der Staatsgründung. Oder noch deutlicher: die jüdische Existenz selbst. Deshalb war die israelische Rechte gegen die Oslo-Abkommen, denn sie glaubte nicht an die Formel der israelischen Friedensbewegung, dass mit dem Abzug aus den besetzten Gebieten das Problem gelöst werden könne, so als ob es nur um Boden oder Wasser ginge.
Aber diesmal kommt die Opposition nicht von rechts, sondern vom neu gewählten Vorsitzenden der Arbeitspartei, Ehud Barak. Es könne kein Boden zurückgegeben werden, solange Israel nicht ein effektives Raketenabwehrsystem entwickelt habe, betont Barak. Das könne Jahre dauern. Bis dahin solle man sich mit Rückzugsideen zurückhalten.
Viele Israelis können nicht verstehen, dass die Palästinenser die Oslo-Abkommen nur als weiteres Instrument zu ihrer Unterdrückung ansahen, das den Bau neuer Siedlungen nicht verhinderte und zugleich ihre Bewegungsfreiheit in den Autonomiegebieten völlig einschränkte. Für die meisten Israelis hingegen waren die Oslo-Abkommen der beste Beweis ihrer Friedensbereitschaft. Noch nie in der Geschichte des Konflikts waren beide Seiten so unversöhnlich in ihrer je eigenen Interpretation der Wirklichkeit gefangen. Daher ist der Ton in Israel nüchterner geworden. Die schon vollzogenen Rückzüge aus Gasa und Libanon haben sich als fatal erwiesen. Das Scheitern der Friedenspolitik hat in Israel die Deutungshoheit zugunsten der Siedler verschoben.
Das »aufgeklärte« Israel versucht, eine neue politische Sprache zu finden, die gleichberechtigt neben der Sprache der Siedler bestehen kann. Dabei geht es im Grunde nicht um das Territorium, sondern um eine eigene positive Ausprägung jüdischer Identität in Israel. Die Gegner der israelischen Siedlungspolitik reden jedoch eine politische Sprache, die an den Bedürfnissen vieler Israelis vorbeigeht. Sie nehmen die Religion in ihrer politischen Artikulation nicht ernst und versuchen, sie als bloßen Irrationalismus oder Fundamentalismus zu verteufeln. Damit verfehlen sie die Identität des Landes. Zudem lebt das israelische Friedenslager seit Jahrzehnten in der Illusion der nationalstaatlichen Trennung: Juden und Palästinenser sollen in ihrem eigenen Staat leben. Grenzkorrekturen hier und dort sind möglich, aber eine Grenze muss her. Das galt und gilt immer noch als die fortschrittliche Position. Eine Illusion ist es deswegen nicht weniger, denn zu viele Menschen auf beiden Seiten sind an einer solchen Lösung nicht mehr interessiert.
Aber die Hoffnung soll man sich ja nicht nehmen lassen. Und dafür sind die Friedenstöne gut.

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

New York City

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israels Angriff auf Katar einhellig

Sogar die USA schlossen sich der Erklärung an

 12.09.2025

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025