Yiddish Summer

Dürfen Gojim Klesmer spielen?

von Jonathan Scheiner

Zu einem Symposium über jiddische Musik fährt man nicht ohne Vorbehalte. Begriffe wie »Kuschelklesmer« und »philosemitischer Kitsch« haben sich tief ins Hirn gegraben. Vor allem ein Vorurteil steht bis heute im Raum. Es lautet: Erst haben die Deutschen sechs Millionen unserer Leute umgebracht und jetzt spielen sie auch noch unsere Musik. Ruth Ellen Gruber, die Autorin des Buchs Virtually Klezmer, zählte im Jahr 1997 allein in Berlin fast 30 Bands. Juden waren kaum darunter.
Wie kommt es, dass der Beliebtheit des Genres, der gewaltigen Flut an neuen Klesmeralben und den rosigen Verkaufszahlen auf deutscher Seite, Naserümpfen und Schmäh von jüdischer Seite gegenüber stehen? Spiegelt sich darin tatsächlich jüdischer Selbsthass, wie Alan Bern hier jüngst behauptet hat (JA 27, 5. Juli 07)? Ist Klesmer das letzte Refugium jüdischer Identität, in dem Deutsche nichts verloren haben, eine Art Paradiesgarten jüdischer Glückseligkeit?
Für Bern, den Organisator des Weimar Yiddish Summer, gehört der Satz »Deutsche sollten überhaupt keine Klesmermusik spielen« in eine Reihe mit kulturbanausischen Stereotypen wie »Jazz können nur schwarze Musiker wahrhaftig spielen« oder »Roma haben die Musik im Blut«. Natürlich dürfen nichtjüdische Deutsche Klesmer spielen.
Caroline Goldie hat für ihren Film Klesmer in Deutschland, der im Herbst vom WDR ausgestrahlt wird, führende Persönlichkeiten der Szene interviewt, von Giora Feidman, dem Urvater des Deutsch-Klesmer, bis zu Andreas Schmitges von der Klezmer Alliance aus Köln und Avantgardisten wie Daniel Kahns Painted Bird. Fazit der Filmemacherin: Es gibt keinen qualitativen Unterschied zwischen deutschen und jüdischen Klesmorim, sagt sie: »Aber es fällt auf, dass die jüdischen Klesmermusiker mutiger sind, dass sie sich nicht damit begnügen, historisches Material zu spielen, sondern neue Wege gehen wollen.« Warum die jiddische Schetlmusik hier so beliebt ist, darüber kann Goldie auch nur mutmaßen. Die Sehnsucht nach authentischer Volksmusik steht im Vordergrund, glaubt sie, in bestimmtem Maße komme aber auch historische Schuldkompensation dazu.
Dabei sind es nicht nur deutsche Nichtjuden, die Klesmer lieben. Der niederländische nGeigerin Inge Pynacker Hordyk ist kein Weg zu einem Klesmerfestival zu weit. Dieses Jahr war sie schon in Fürth und Paris dabei. Nach Weimar fährt sie zum Klesmertreffen in Hasliberg im Berner Oberland. Warum sie Klesmer liebt? »That’s a way of life!« Magdalena Walogorska aus Florenz promoviert gar über Klesmer. Vor wenigen Wochen war sie beim jüdischen Kulturfestival in Krakau, als nächste Station steht »KlezKanada« in Toronto auf dem Reiseplan. Allerdings gleichen sich die Festivals immer mehr, sagt die junge Soziologin. Das ist kein Wunder. Schließlich gibt es auch unter Klesmermusikern eine Art Festivaltourismus.
Aber zurück zur Eingangsfrage. Was haben Juden, genauer, die deutschen Juden, gegen Klesmer? Erhellend war da Fabian Schnedlers Vortrag »Gedanken zur Praxis und Wahrnehmung jiddischer Musik«. Die Ablehnung, so Schnedler, basiert nicht auf einer Auseinandersetzung mit dieser Musik. Die Musik muss vielmehr als Projektionsfläche und Punchingball für das vertrackte deutsch-jüdische Verhältnis herhalten. Die englische Klarinettistin Emma Stiman konnte das aus eigener familiärer Erfahrung bestätigen. Sie sei es leid, erzählte sie, ihrer fassungslosen Mutter daheim in England immer wieder erklären zu müssen, wie Deutsche dazu kommen, Klesmer zu spielen. Zumal die Ablehnung der Mutter einen ganz bestimmten deutschen Klesmermusiker mit einschließt: Es ist Emma Stimans Ehemann.

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

New York City

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israels Angriff auf Katar einhellig

Sogar die USA schlossen sich der Erklärung an

 12.09.2025

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025