Karola Krizsák

Diebe und Liebe

von Andreas Bock

Karola Krizsák hat es nicht immer leicht gehabt im Leben. Aber ihr klarer Blick und ihre feste Stimme deuten den starken Wil-
len an, über den die gläubige Jüdin verfügt. Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will. Und die ihr Ziel erreicht. Das hat sie in den vielen Jahren als Kriminalbeamtin immer wieder unter Beweis gestellt. Ihre Erinnerungen an diese Zeit, die ihr so viel bedeutet, hat sie jetzt in einem Buch niedergeschrieben.
Karola Krizsák kam 1951 zur Welt. Ihr Vater hatte unter den Nationalsozialisten Zwangsarbeit geleistet, ihre Mutter die Schoa in Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt. Karola wuchs in Pestlorincz am Rande der ungarischen Hauptstadt auf. Ihre Eltern verstarben früh. Mit neun Jahren kam sie in ein jüdisches Waisenhaus in Budapest. Über ihre Kindheit möchte sie nicht sprechen – aber über ihr Zeit im Waisenhaus, in dem sie die Grundlagen der jüdischen Religion erlernte, erzählt sie bereitwillig.
In der Einrichtung waren viele Kinder untergebracht, die ihre Eltern im Holocaust verloren hatten. Zweimal pro Woche wurde Glaubenslehre, Hebräisch und jüdische Geschichte unterrichtet, jeden Freitagabend fand in einer angeschlossenen Synagoge ein Gottesdienst statt. Die Zeit im Waisenhaus, in der sie auch die Grundschule besuchte, beschreibt sie heute als sehr wichtigen Abschnitt ihres Lebens.
Nach dem Abschluss der Grundschule fehlten ihr zunächst die finanziellen Mittel, ein Gymnasium zu besuchen. Schon damals war es ihr großer Wunsch, Kinderpsychologin zu werden. »Ich habe mich wegen meiner schwierigen Kindheit psychisch verletzt gefühlt«, sagt Krizsák, deshalb habe sie sich immer selbst für Kinder einsetzen wollen. Nach einer Konditorei-Ausbildung, neben der sie schließlich auch das Gymnasium besuchte, arbeitete sie 20 Jahre in verschiedenen Bereichen des Gastronomiegewerbes und konnte sich so zumindest die finanzielle Grundlage schaffen, die sie sich immer gewünscht hatte.
Es sind die kleinen Zufälle, die dem Leben eine neue Richtung geben. Bei Krizsák war es eine zufällige Begegnung mit einem Kriminalinspektor, dem sie von ihren Kindheitsträumen und ihrem Wunsch erzählte, als Kinderpsychologin zu arbeiten. Auf diese Weise gelangte sie zur Budapester Polizei und nach einer Ausbildung in der Polizeischule zunächst in jene Abteilung, die sich ausschließlich mit jugendlichen Straftätern sowie mit Straftaten an Kindern und Ju-
gendlichen beschäftigt. »Wenn ich von zehn Kindern eines wieder auf die richtige Bahn bringen konnte, war ich froh, schon dann hatte sich die Arbeit gelohnt«, sagt sie. Nie habe sie den Straftäter im Kind gesehen, sondern die Möglichkeit, einem Kind einen neuen Weg zu weisen.
Auch später, als sie zu einer der führenden Kriminalbeamten im Budapester Polizeipräsidium aufgestiegen war, ging sie ihrer Arbeit entschlossen und leidenschaftlich nach. Dabei wurde sie mit fast jeder Art von Straftat – vom Diebstahl über Raubüberfälle bis hin zum Mord – konfrontiert.
Mit ihrer jüdischen Identität ging sie stets selbstbewusst um. Es sei jedoch nicht immer einfach gewesen, wenn Kollegen erfuhren, welchem Glauben sie angehörte. So hat sie auch negative Reaktionen erfahren. Während im Sozialismus eine offene Diskussion über Religiosität unterdrückt wurde, äußerten Kollegen ihre Meinungen nach der Wende offener – im positiven wie im negativen Sinne.
Stets habe sie ihre Arbeit mit viel Engagement ausgeführt. Und deshalb trägt ihr Buch, das sie jetzt nach ihrem Abschied in den Ruhestand schrieb, den Titel »Gesetzliche Leidenschaft« (Törvényes Szenvedély). Auch ihr persönlicher Hintergrund als Waisenkind findet mit dem Untertitel »Vom Kind aus dem Waisenhaus zur Kriminalbeamtin« Eingang. Mit dem Vornamen ihres Pseudonyms Mirjam Béke, unter dem sie das Buch verfasste, verweist sie auf ihre jüdische Herkunft, der Nachname ist die Übersetzung ihres Mädchennamens Fried.
Ihr Buch ist voll von Einblicken in ihre kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit. Die Schilderungen von über hundert Fällen, mit denen sie sich im Laufe ihrer Karriere befasst hat, bleiben nah am Geschehen und kommen sehr authentisch daher.
Über die Arbeit sagt die 56-Jährige selbst, dass man sie entweder besessen ausführen könne oder schlecht. Unter der Besessenheit, mit der sie an ihren Fällen arbeitete, litt natürlich auch das Privatleben der Mutter eines Sohnes, die heute mit ihrem Mann in Dunaharaszti, einer kleinen ungarndeutschen Gemeinde östlich von Budapest lebt. »Meine Kollegen und auch meine Familie haben mich manchmal für verrückt gehalten«, gibt sie zu.
Seit drei Jahren besucht sie mit ihrem Mann auch wieder regelmäßig die Synagoge. In einer kleinen jüdischen Gemeinde im 20. Budapester Bezirk, die zum Verband der jüdischen Gemeinden in Ungarn gehört, wurde sie freundlich aufgenommen. Im vergangenen Jahr besuchte die ehemalige Kriminalistin, die aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig den Dienst quittieren musste, erstmals die Sommerakademie des orthodoxen Bildungszentrums von Chabad Lubawitsch. Dort erhielt sie Unterricht in Liturgie, Hebräisch, jüdischem Recht und in jüdischer Philosophie. Obwohl Krizsák nicht dem orthodoxen Judentum angehört, wurde sie dort freundlich empfangen. Das Bildungszentrum habe ihrer Meinung nach viel für das Renommee des jüdischen Glaubens in Ungarn getan, sagt sie. Sie habe viel von den dort tätigen Leuten gelernt, so dass sie die immer wieder mal in ihrem Gebäude im Zentrum Budapests besucht.
Unter dem Eindruck ihrer positiven Erlebnisse innerhalb der jüdischen Gemeinschaft denkt Krizsák jetzt über eine weitere Publikation nach. Gerne würde sie da-
rüber schreiben, wie sie sowohl beruflich als auch privat ihren jüdischen Glauben gelebt hat. Denn ihr Leben betrachtet sie wie ihre frühere berufliche Tätigkeit als Auftrag und Mission. So habe sie als Polizistin gefühlt und so fühle sie auch heute als gläubige Jüdin.
Sie erzählt von der Begegnung mit ei-
nem Rabbiner, dem sie auf der Sommerakademie begegnete. Auf seine Frage mit welchen Vorstellungen sie gekommen sei, antwortete sie: »Ich bin gekommen, um meine Wurzeln zu gießen.«

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