Messe

Die Krux mit dem Ritus

von Tobias Kühn

Papst Benedikt XVI. möchte den tridentinischen Ritus, bei dem zentrale Gebete auf Latein gesprochen werden, wieder zulassen. Am vergangenen Samstag veröffentlichte der Vatikan eine päpstliche Anordnung, wonach die alte lateinische Messe ab September wieder gelesen werden darf. Im Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils war sie 1970 wegen antijüdischer Passagen verboten worden, durfte seit 1984 in streng geregelten Einzelfällen zwar wieder gelesen werden, jedoch nur mit Zustimmung des jeweiligen Ortsbischofs. Dass Benedikt den alten Ritus wieder zulässt, hat kirchenpolitische Gründe: Der Papst möchte die weltweit rund 600.000 Anhänger des erzkonservativen französischen Bischofs Marcel Lefebvre wieder ins Boot holen – eine innerkatholische Angelegenheit also.
Doch an drei Tagen im Jahr ist der tridentinische Ritus nicht nur eine innerkirchliche Angelegenheit, sondern äußerst gefährlich für das jüdisch-christliche Verhältnis. Denn in der Liturgie für Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag enthält er mit einem Gebet für die Bekehrung der Juden eine antijüdische Schlagseite: »Lasst uns beten auch für die Juden, dass unser Gott und Herr den Schleier von ihren Herzen nehme, damit auch sie Jesus Christus, unseren Herrn, erkennen.«
Der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie jüdische Gruppen in den USA kritisieren die Entscheidung des Papstes. Dies sei ein »Schlag für die katholisch-jüdischen Beziehungen«, sagte der Präsident der Anti-Defamation League, Abraham Foxman. Von einer »schallenden Ohrfeige für diejenigen, die sich für einen engen Dialog eingesetzt haben«, spricht Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die katholische Kirche, die stets glaubhaft betont habe, sie werde angesichts des Holocaust und des früheren christlichen Antijudaismus die Juden nicht mehr missionieren, falle mit dieser Entscheidung zurück in die Zeiten des antijüdischen Mittelalters, so Kramer.
Auch Katholiken äußerten sich irritiert von der päpstlichen Anordnung. »Der Text ist nicht eindeutig«, sagt Rainer Kampling, Professor für katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Wenn der Priester für sich allein die Messe liest, dann darf er zwischen Karfreitag und Ostern, so Artikel 2 der Anordnung, nicht den tridentinischen Ritus wählen. Für die Messfeier mit Gemeinde hingegen gibt es dieses Ausschlusskriterium nicht (Artikel 5). »Es ist unglücklich formuliert«, sagt Hans Hermann Henrix, Konsultor der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden. »Wenn der Priester den alten Ritus zwischen Karfreitag und Ostern nicht allein gebrauchen darf, so darf er es umso weniger, wenn er die Messe vor seiner Gemeinde liest«, ist Henrix überzeugt.
Andere haben Zweifel an dieser Lesart und vermissen Eindeutigkeit. Heinz-Günther Schöttler, Professor für katholische Theologie an der Uni Bamberg und Mitglied im Gesprächskreis »Juden und Christen« beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken, hat den Vatikan bereits einige Wochen vor Veröffentlichung der päpstlichen Anordnung auf die Unklarheit im Text hingewiesen. Da sie nicht behoben wurde, vermutet er: »Sie scheint gewollt zu sein«.

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025