Holocaustmahnmal

Der große Graben

von Jonathan Scheiner

»Der Tod ist ein Meister aus Deutschland« hat Paul Celan in seiner berühmten Todesfuge geschrieben. Inzwischen sind die Deutschen offenbar Meister im Bauen von Holocaust-Mahnmalen. Ausschließlich von deutschen Architekturbüros stammen die fünf prämierten Entwürfe für die Wiener »Gedenkstätte für den deportierten Nachbarn« auf dem Gelände des ehemaligen Aspangbahnhofs.
Von dort waren zwischen 1939 und 1942 etwa 50.000 Juden in die Vernichtungslager deportiert worden. Bei der Neubebauung des Bahnhofgeländes unter Federführung des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster sollte dieser Teil der Geschichte nicht ausgespart bleiben. Die Stadt Wien schrieb einen Wettbewerb für ein Mahnmal aus, das in einem rund 26.000 Quadratmeter großen Park seinen Platz finden soll. Aus 80 eingereichten Vorschlägen wählte eine zwölfköpfige Jury jetzt einen Entwurf, den das Stuttgarter Architekturbüro Fischer Naumann Partnerschaft zusammen mit der Ludwigsburger Künstlerin Kirstin Arndt erarbeitet hat. Geplant ist ein 35 Meter langer, fünf Meter tiefer und 1,90 Meter breiter Graben aus Edelstahl, der wie ein Einschnitt quer zum Areal verläuft. Auf den Innenwänden stehen die Namen der Deportierten. Diese Namen sind zwar bereits in der Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse aufgelistet. Konkurrenz entsteht jedoch nicht: Im geplanten Mahnmal sind sie nur im oberen Teil sichtbar, erklärt Architekt Martin Neumann: »Weiter unten werden sie von der Dunkelheit verschluckt.« Symbolisch gesprochen, seien die Deportierten damit gewissermaßen anwesend, aber ihre Spur verliere sich. Kern seines Entwurfs sei, daß die Fußgänger auf eine Barriere aus spiegelndem Metall stoßen, die zwischen 90 und 120 Zentimeter aus dem Boden ragt und umgangen werden muß. Somit werde man unvermittelt auf die Geschichte des Ortes gestoßen. Das hat die Jury überzeugt. Nur die Vertreter der FPÖ nicht, die ersatzweise ein Mahnmal für den Bombenkrieg gefordert hatten. Ästhetisch bewegt sich der Siegerentwurf, ähnlich wie die anderen prämiierten Vorschläge, im Mainstream der Mahnmalsarchitektur. Analogien zum Berliner Holocaustmahnmal sind augenfällig. Das bestätigt auch Edelbert Köb, Direktor des Museums Moderner Kunst in Wien und Vorsitzender der Jury. In den ersten drei Sieger-Entwürfen, sagt er, spiegele sich »eine Typologie zwischen formalem Minimalismus und Monumentalismus hinsichtlich der Größe«. Das Mahnmal solle zeigen, »daß dieser Teil der Geschichte eine Wunde im österreichischen Fleisch ist« – und schiebt sofort selbstkritisch hinterher, daß diese Formulierung natürlich von Pathos nur so triefe.
Daß die fünf erstplazierten Entwürfe allesamt aus Deutschland stammen, erklärt der Juryvorsitzende sich damit, daß die lange und heftige Diskussion um das Berliner Mahnmal wohl noch den letzten deutschen Architekten erreicht habe. Ein Ergebnis dieser Debatte ist wohl, daß auch das Wiener Mahnmal keine »Kranzabwurfstelle« werden wird, kein Ort, an dem Erinnerungskerzen brennen oder sich Steinchen türmen. Denn, sagt Edelbert Köb in besten Wienerisch: »Die Namen kann man jo eh ned lesen.«

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025