Berlin

Das erhofft sich Scholz vom Erdogan-Besuch

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Foto: imago images/SNA

Eins ist ziemlich sicher, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an diesem Freitag zusammen vor die Presse treten: Sollte Erdogan seine Verbalattacken gegen Israel auf offener Bühne im Berliner Kanzleramt fortsetzen, wird Scholz dazu nicht schweigen. Das hat er einmal getan, als Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einem Berlin-Besuch Israel 50-fachen Holocaust an den Palästinensern vorwarf. Die empörte Reaktion darauf folgte nicht sofort an Ort und Stelle, sondern erst später per »Bild«-Zeitung: Die Äußerungen seien »unerträglich und inakzeptabel«, hieß es mit einiger Verzögerung.

Das wird Scholz wohl nicht noch einmal passieren. Er dürfte auf wiederholte oder neue Attacken Erdogans gegen Israel gut vorbereitet sein, wenn er ihn gegen 18.00 Uhr zum Abendessen im Kanzleramt empfängt. Vor dem Gespräch ist eine »Pressebegegnung« geplant - der einzige Termin während des Besuchs, bei dem sich beide öffentlich äußern und Fragen der Journalisten beantworten sollen.

Erdogan nennt Israel einen »Terrorstaat«

Erdogan hatte die Ermordung vieler hundert israelischer Zivilisten beim Terrorangriff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas aber später als »Befreiungsorganisation« bezeichnet. Israel bezeichnete der türkische Präsident dagegen als »Terrorstaat« und stellte sogar dessen Existenzrecht infrage. Israel versuche, »einen Staat aufzubauen, dessen Geschichte nur 75 Jahre zurückreicht und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus infrage gestellt wird«, sagte er Ende vergangener Woche.

Die deutsche Sichtweise ist genau umgekehrt. Die Hamas ist hier als das eingestuft, was sie ist: eine Terrororganisation - und die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Scholz hat die Verbalattacken Erdogans daher auch als »absurd« zurückgewiesen. Den Gesprächskanal zur Türkei will er sich dadurch aber nicht verbauen. Es gebe viele Themen mit Erdogan zu besprechen, sagt er immer wieder. Doch was genau gibt es beim türkischen Präsidenten zu holen?

Die Türkei als Vermittler im Nahost-Konflikt

Unter den mehr als 200 Geiseln der Hamas im Gazastreifen sind auch deutsche Staatsbürger. Die Bundesregierung versucht seit Wochen alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, um sie freizubekommen. Die Türkei könnte mit ihren Beziehungen zur Hamas als Vermittler fungieren. Bislang spielt Katar aber eine weitaus größere Rolle, was das angeht. Perspektivisch könnte die Türkei allerdings als Brückenstaat zwischen dem Westen und der islamischen Welt bei der Suche nach einer politischen Lösung des Nahost-Konflikts mitmischen. Wie Deutschland steht sie für eine friedliche Koexistenz eines israelischen und eines palästinensischen Staates ein.

Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei

Von den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer hat Scholz gerade erst den Auftrag bekommen, sich für die Wiederbelebung des 2016 geschlossenen Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei einzusetzen. Über ihn hatte sich die Türkei verpflichtet, die Schleuseraktivitäten an ihrer Grenze zu stoppen und Migranten zurückzunehmen, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen. Im Gegenzug erhielt Ankara von der EU Milliardenhilfen unter anderem für die Unterbringung der Flüchtlinge. Von Griechenland nimmt die Türkei jedoch seit 2020 keine Migranten mehr zurück - begründet wurde das damals mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie.

Nato-Mitglied mit guten Kontakten zu Russland

Hilfreich kann die Türkei als Nato-Mitglied mit guten Kontakten zu Russland auch im Ukraine-Konflikt sein. So war Ankara maßgeblich an der Vereinbarung des sogenannten Getreidedeals beteiligt. Russland hatte das Abkommen im Juli zwar auslaufen lassen, bis dahin konnten aber Millionen Tonnen ukrainisches Getreide über das Schwarze Meer exportiert werden. Die Türkei setzt sich für eine Neuauflage der Vereinbarung ein.

Regierung und Union einig: Besuch ist richtig

Wegen all dieser Punkte sind sich Ampel-Regierung und Union weitgehend einig, dass der Besuch Erdogans in Berlin richtig ist. Es gibt aber auch Kritiker, die das anders sehen. Wer die Hamas verurteile, müsse daraus aber auch Konsequenzen für den Umgang mit denjenigen ziehen, die diese islamistische Organisation unterstützten, sagt etwa der türkische Exil-Journalist Can Dündar. In Deutschland würden Demonstrationen zur Unterstützung der Hamas untersagt. »Aber gleichzeitig laden sie einen Hamas-Anhänger ein und rollen den roten Teppich für ihn aus. Das ist schräg, eine Art von Doppelmoral.«

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Berlin

AfD klagt gegen Einstufung des BfV

Die rechtsextremistische Partei will nicht als solche eingestuft sein. Die Klage ist keine Überraschung

 05.05.2025

Kulturkolumne

Als Phil mich fütterte

Her mit den 90 Prozent!

von Sophie Albers Ben Chamo  04.05.2025

Nahost

Huthi schießen erneut Raketen auf Israel ab

Zweimal heulten im Norden des Landes am Freitag die Sirenen. Im Kibbuz Mishmar Ha’emek verursachen Trümmerteile Schäden

 02.05.2025

Gedenkstätten

70 Länder auf neuem Gedenkstein in Neuengamme

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Häftlinge wird das Gedenkzeichen am Sonntag eingeweiht

 02.05.2025

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025