Kirjat Schmona

»Dann machen wir die Stadt eben dicht«

»Dann machen wir die Stadt eben dicht«

Leere Kassen
in Kirjat Schmona – Mitarbeiter warten auf ihre Gehälter

von Sabine Brandes

Eigentlich wollten die Angestellten der Stadtverwaltung Kirjat Schmona an diesem Tag streiken. Mal wieder. »Kein Geld, keine Arbeit«, lautete das Motto der Gewerkschaft. Seit mehr als drei Jahren gelangen die Gehälter nur verzögert auf die Konten der Mitarbeiter, Geld für September ist bislang gar nicht gezahlt worden. Doch die ersten heftigen Winterregen in der Region machten den Streikgedanken vorerst zunichte. Denn als das Wasser die Straßen herunterrann und die Bewohner der Stadt lautstark um Hilfe riefen, packten die Klempner flink ihre Werkzeuge aus und öffneten Abflußrohre, pumpten Feuerwehrleute überflutete Keller leer.
»Das hättet ihr nicht tun sollen«, rief der Gewerkschaftsmann Jona Partok aus Obergaliläa den Hilfsbereiten zu und erinnerte an das Motto. »Ihr geht nach Hause, und das war’s!« Die 300 Angestellten, die sich später im Stadion versammelt hatten, vereinte eins: die große Sorge nicht zu wissen, wie sie morgen ihren Kühlschrank füllen oder ihre Miete zahlen sollen. Doch viel mehr als Wut ablassen werde auch aus dieser Versammlung nicht herauskommen, gab sich Partok resigniert. »Denn wir sind nicht die Hafenverwaltung, wo mit einer Arbeitsniederlegung tatsächlich etwas bewegt werden kann. Im Gegenteil, hier freut sich die Stadtverwaltung sogar darüber, denn die Streiktage ziehen sie uns allen vom Gehalt ab.«
In der von Katjuschahagel und Arbeitslosigkeit ohnehin schwer gezeichneten Stadt an der Grenze zum Libanon haben die ausbleibenden Zahlungen verheerende Folgen. Für das tägliche Leben und die Moral. Die Verwaltung scheine sich schon daran gewöhnt zu haben, uns für die Arbeit nicht zu bezahlen, sagt Schalom Cohen, seit Jahrzehnten Angestellter der Stadt. »Aber den hohen Herren in Jerusalem ist das egal. Wenn wir erst aus unseren Häusern gebombt werden und nachher aus Mülltonnen essen müssen, schauen die doch alle weg.«
»Außer leerem Gerede haben wir nichts gesehen«, pflichtet David Telewitch, Ingenieur der Stadt, bei. »Olmerts Regierung tut rein gar nichts, um die Armut in sozial benachteiligten Städten wie der unseren zu bekämpfen.« Frustration auf ganzer Linie. Kein Wunder, denn nicht nur die Gehälter werden regelmäßig viel zu spät bezahlt, Zusatzleistungen sowie Einzahlungen in den Pensionsfond sind seit einem Jahr komplett ausgeblieben. Noch nicht einmal für 2005 haben Kirjat Schmonas Angestellte Urlaubsgeld bekommen.
Bürgermeister Chaim Barbiwai versteht den Ärger seiner Angestellten, meint jedoch, sie hätten mit einem Streik bis zu seinem Termin beim Innenministerium in der nächsten Woche warten sollen. »Und wenn dabei kein Ergebnis zustande kommt, dann machen wir die Stadt eben dicht.« Barbiwai weiß, warum die Kassen leer sind. Die drastischen Haushaltskürzungen der Regierung vor drei Jahren hätten viele Gemeinden hart getroffen. Etwas, das auch die Schulen zu spüren bekommen. Ebenfalls in der vergangenen Woche weigerten sich die Eltern, ihre Kinder in die kaputten, verdreckten Schulen zu schicken, weil dort noch nicht einmal die Kriegsschäden beseitigt worden seien. Zudem streikte das Reinigungspersonal. Auch sie sind nicht bezahlt worden.
Ein kleines Licht am Ende des Tunnels scheint dennoch in Sicht: Die Vereinigung Jüdischer Gemeinden New Yorks (UJA) wird der geschundenen Stadt die Einnahmen der Israel-Notfall-Kampagne spenden. Insgesamt 9,3 Millionen US-Dollar. »Weil Kiryat Schmona während des Libanonkrieges die schlimmsten Zerstörungen erlitten hat«, so Merryl Tisch von der UJA. »Wir haben die Stärke der Bewohner trotz dieser Tragödie erlebt und wollen sie dafür belohnen.«

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