England

Brücken über tiefe Gräben

von Frank Diebel

Rabbi Marc Schneier möchte eine Idee exportieren. Er will Juden und Muslime miteinander verschwistern. In den USA hat der prominente New Yorker Rabbiner und Dozent für interreligiösen Dialog mit seiner Kampagne erfolgreich Brücken zwischen Vertretern beider Gruppen geschlagen – jetzt will er die Initiative nach Europa bringen. Während eines Treffens mit dem Board of Deputies of British Jews im Februar in London erklärte Schneier: »Im Licht des Konflikts in Gasa haben wir einen starken Anstieg von antisemitischer Gewalt und entsprechender Rhetorik in der muslimischen Welt beobachtet. Wir dürfen es nicht zulassen, dass islamischer Fundamentalismus wächst.«
Angefangen hat alles an einem Wochenende im vergangenen November. Im Rahmen seines »Weekends of Twining« brachten Schneier und seine Mitarbeiter Tausende von Juden und Muslime in den Vereinigten Staaten zusammen. In Seminaren lernten die Teilnehmer die jeweils andere Religion näher kennen und beteten gemeinsam. Imame und Rabbiner sprachen sich gegen Hass und Vorurteile aus. Das Resultat: 50 Moscheen und 50 Synagogen wurden verschwistert. Zeitungsartikel und ein Video über den erfolgreichen Ausgang des Projekts wurden im Internet und in der New York Times veröffentlicht.
Im kommenden November will Schneier sein »Weekend of Twining« in den USA wiederholen. Im gleichen Monat soll das Projekt auch in Großbritannien stattfinden. »Jüdisch-muslimische Beziehungen sind in Europa ein Problemkind«, sagt Schneier. »Aus diesem Grund wollen wir die Initiative dorthin bringen.«
Die europäische Variante des Twining-Wochenendes soll jedoch etwas anders aussehen. »Unser Projekt ist kein Verschwisterungsprojekt, sondern es soll dazu die- nen, freundschaftliche Bande zwischen den Gemeinden zu vertiefen und zu erweitern«, betont Mark Frazer, Öffentlichkeitsmitarbeiter des Board of Deputies of British Jews. Nichtsdestotrotz habe die Stiftung großes Interesse an dem Programm und wolle es mit dem eigenen »Muslim-Jewish Linking Programme« verknüpfen.
Das allerdings dürfte nicht einfach werden. Denn die Spannungen zwischen jüdischen Gemeinden und Muslimen in Großbritannien haben seit dem Krieg in Gasa stark zugenommen. Außerdem wurden in der amerikanischen Presse Bedenken laut, muslimische Gemeinden in Europa seien schwieriger zu erreichen als in den USA. Schneier gibt sich zuversichtlich: Auch in den USA habe es anfangs auf beiden Seiten viel Zögern gegeben, sagt er. »Aber ich glaube, dass sich weltweit moderate Gruppen innerhalb des Islam bilden. Wir dürfen die ausgestreckten Hände dieser Muslime nicht zurückweisen.«
Auch das Board of Deputies of British Jews äußert sich optimistisch: »Alle religiösen Gruppen Großbritanniens sind Teil des gesellschaftlichen Lebens«, erklärt Frazer, »wir glauben nicht, dass ein solches Projekt hier schwieriger durchzuführen ist als in den USA. Aufgrund der Situation im Nahen Osten ist der Fokus oftmals auf die Unterschiede zwischen Muslimen und Juden gerichtet, dabei haben wir so vieles gemeinsam.«
Das Board of Deputies of British Jews möchte von Schneiers Erfahrungen profitieren. Der Rabbiner ist Vorsitzender der Foundation for Ethnic Understanding (FFEU). Sie wurde vor 20 Jahren von ihm und dem amerikanischen Theaterproduzenten Joe Papp gegründet. Ihr Ziel ist es, die interkulturelle Kommunikation zu fördern und die Beziehungen zwischen Minderheiten in den USA zu verbessern. Viele Menschen hielten Schneier anfänglich für einen Träumer. »Ich war als realitätsferner Idealist verschrien«, erinnert sich der Rabbiner. Heute ist seine Stiftung an einer Reihe von Projekten im ganzen Land beteiligt und sehr erfolgreich.
Auch in England tut sich was. »Etliche muslimische und jüdische Religionsführer haben sich bereits positiv geäußert«, sagt Mark Frazer. Unter ihnen sei auch Rabbi Naftali Brawer, der für die Beziehungen zum Islam zuständige Vertreter des britischen Oberrabbinats. »Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinden hatten zunächst Bedenken, das Projekt aufzubauen, aber die konnten wir zerstreuen.«
Frazers Zuversicht scheint nicht unbegründet. Das Board of Deputies ist bereits in verschiedenen interreligiösen Initiativen aktiv, darunter im britischen Inter Faith Network. Das Board hat außerdem das Shared Futures Programm ins Leben gerufen, das jüdische Schulen mit anderen Religionsschulen und nichtreligiösen Lehranstalten zusammenbringt, um bereits im Kindheitsalter Respekt und Verständnis zu schaffen. Frazer: »Vor Kurzem nahmen wir an einem Treffen mit buddhistischen Religionsführern teil, auch beim Baha’i-Fest Ridvan und beim Sikh-Fest Vaisakhi waren wir. Und wir haben kürzlich in Bradford die Ausstellung ›Jewish Way of Life‹ im muslimischen Gemeinschaftszentrum eröffnet.«
Das »Muslim Jewish Linking«-Projekt soll aller Voraussicht nach während der von der britischen Regierung geförderten National Faith Week vom 15. bis 21. November stattfinden. Der Termin und die Zahl der teilnehmenden Gemeinden stehen allerdings noch nicht fest. Das genaue Veranstaltungsprogramm will das Board of Deputies of British Jews den jeweiligen Gemeinden überlassen. Mark Frazer: »Wir hoffen, dass dieses Projekt ein deutlicher Beweis der Solidarität zwischen muslimischen und jüdischen Gemeinden sein wird.«

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