Fußball

Bewegende Begegnungen

Eine Delegation des World Jewish Congress und der Deutschen Fußball Liga an der Kotel in Jerusalem Foto: SHAHAR AZRAN

Es war nicht mein erster Besuch in Israel. Jedes Mal ist die Situation, die Stimmung etwas anders. Diesmal habe ich das Land unter der wie immer fröhlichen Oberfläche als sehr traurig und beinahe depressiv wahrgenommen.

Fünf Tage waren wir in Tel Aviv und Jerusalem unterwegs. Unsere Reise wurde organisiert vom World Jewish Congress und der Organisation What Matters, die sich seit langem im Fußball-Umfeld für Erinnerungs- und Bildungsprojekte und gegen Antisemitismus engagiert. Mit dabei waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von acht Vereinen der Bundesliga und der 2. Bundesliga, die sich besonders in der Erinnerungsarbeit engagieren, sowie von Makkabi Deutschland.

Keine hohen Funktionäre, sondern Kolleginnen und Kollegen, die in den Bereichen Fanbetreuung, CSR oder Kommunikation arbeiten und mit den Themen der Reise konkret zu tun haben. Viele Vereine und die Liga insgesamt kümmern sich seit vielen Jahren in verschiedenen Projekten um die Erinnerung an den Holocaust, etwa mit dem jährlichen Erinnerungstag im deutschen Fußball rund um den 27. Januar. So war es für unsere Delegation eine besondere Ehre, an der Zeremonie zum Jom Haschoa in der Gedenkstätte Yad Vashem teilzunehmen, Überlebende zu treffen und mit Zeitzeugen zu sprechen.

Kleine Gesten mit großer Wirkung

Der Umgang mit der Geschichte ist die Basis für die Haltung in der Gegenwart. DFL und Clubs positionieren und engagieren sich gegen Hass und Antisemitismus. Nicht zuletzt mit einer Schweigeminute in den Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga haben wir unmittelbar nach dem 7. Oktober Solidarität mit den Opfern des Terroranschlags der Hamas auf Israel gezeigt. Eine kleine Geste, die in Israel sehr wohl wahrgenommen wurde und das positive Bild Deutschlands hier weiter gestärkt hat.

Einige Vereine setzen sich seitdem kontinuierlich für die Freilassung der Entführten ein. Unter anderem Werder Bremen, dessen Fans seit Monaten für die Freilassung von Hersh Goldberg-Polin Flagge zeigen, der als Geisel nach Gaza verschleppt wurde und Fan der Grün-Weißen ist.

In Tel Aviv haben wir den »Platz der Entführten« besucht, mit Familien und Freunden gesprochen. »Bring them Home« ist keine politische Forderung, keine Einmischung in den Konflikt, keine Parteinahme gegen die Palästinenser. Es ist eine grundlegende, humanitäre Selbstverständlichkeit, dass die Entführten zu ihren Familien zurückkehren können.

Angespannte Lage

Dass die Lage angespannt ist, war überall zu spüren. Wohin wir gehen, wurde jeden Tag neu geprüft und angepasst. Alltag für Israelis, nicht für Deutsche. Aus Sicherheitsgründen konnte der geplante Besuch der Tatorte wie dem Gelände des Nova-Festivals kurzfristig nicht stattfinden. So trafen wir einen Überlebenden des Festivals stattdessen in Tel Aviv, der uns schilderte, wie er den Terroristen entkommen ist. Das Wort »Wunder« ist das einzige, das dazu passt.

Besonders bewegend war die Begegnung mit den Eltern von Netta Epstein, der am 7. Oktober im Kibbuz Kfar Aza ermordet wurde. Vor den Augen seiner Verlobten, mit 22 Jahren. Netta war Fußballer und Fan von Borussia Dortmund. Vertreter des Bundesligisten hatten die Familie im Februar besucht und sie auch nach Dortmund zu einem Spiel eingeladen. Bei all der Trauer war es etwas Besonders, zu spüren, welche verbindende Kraft Fußball hat.

Was bei all diesen Begegnungen bemerkenswert war: Niemand der Menschen, mit denen wir gesprochen haben, war von Hass auf »die Palästinenser« getrieben. Trauer, Enttäuschung, Bitterkeit – das ja. Aber kein Ruf nach Rache. Und alle waren zutiefst dankbar dafür, dass wir in dieser schwierigen Lage nach Israel gekommen sind. Umso erschreckender und unverständlicher war das, was einige Tage nach unserer Rückkehr rund um den Eurovision Song Contest in Malmö und den Auftritt der israelischen Teilnehmerin Eden Golan im Fernsehen zu sehen war.

Mit Fußball gegen Antisemitismus

Glücklicherweise sind Bilder und Aussagen wie in Malmö in unseren Stadien nicht an der Tagesordnung. Vielleicht deshalb, weil die Fans und Mitglieder der Vereine insgesamt keine Extreme abbilden, sondern in vielen Fällen ein Querschnitt unserer Gesellschaft sind – mit allem, was dazugehört. Sicher hat es aber auch mit Arbeit zu tun, die in den Clubs geleistet wird. »United by Football«, das Motto der anstehenden Europameisterschaft in Deutschland, ist keine Worthülse.

Was haben wir nun mit nach Deutschland genommen? Zum einen persönliche, emotionale Momente, die jede und jeder für sich erst nach und nach verarbeiten und nicht vergessen wird. Wir nehmen aber auch Ideen mit – etwa die, aus der »Erinnerung im Wohnzimmer« (Zikaron BaSalon), die wir mit Michael Smuss, dem letzten Überlebenden des Warschauer Ghetto-Aufstands in der Deutschen Botschaft in Tel Aviv erlebt haben, als »Erinnerung im Stadion« nach Deutschland zu bringen.

Und es gilt mehr denn je das, was wir rund um den 26. Spieltag im März mit einer Kampagne in allen 36 Stadien unter dem einfachen Wort »Together« ausgedrückt haben: Stop Hate. Be a Team. Im Kampf gegen Hass, Rassismus und Antisemitismus wollen wir auch in Zukunft die Wirkung und die Strahlkraft des Fußballs nutzen.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025