Masorti

Berlin statt Chicago

von Christine Schmitt

»So etwas erlebt man nicht so oft im Leben«, sagt Laszlo Pasztor gerührt. Dreimal war der 71jährige Kantor zuvor bei der Einführung einer Torarolle mit dabei. Einmal in Berlin – vor vielen Jahren in der Synagoge Pestalozzistraße –, einmal im holländischen Amsterdam und einmal im schwedischen Göteborg. In der vergangenen Woche erlebt er dieses freudige Ereignis nun zum vierten Mal. Diesmal im Berliner Zentrum der jüdisch-konservativen Masorti-Bewegung in der Wilhelmsaue in Friedenau.
Dazu war es recht überraschend gekommen. Vor zwei Monaten erhielt Rabbinerin Gesa S. Ederberg die Nachricht, daß Masorti in Berlin, der Verein zur Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens, eine Torarolle geschenkt bekommen soll. Dann ging alles ganz schnell, und in der vergangenen Woche kam der Spender, Alex Felch, höchstpersönlich aus den USA angereist, um die Rolle zu überbringen. Etwa 40 Gäste sind bei der »Hachnasat Sefer Tora« (Einbringung der Torarolle) mit dabei, unter ihnen auch der Berliner Rabbiner Walter Rothschild.
Ort des Geschehens: die Halle des Kindergartens, in der sonst Bewegungsspiele gemacht werden und Kabbalat Schabbat gefeiert wird. Männer, Frauen und Kinder begleiten die Tora unter der Chuppa, dem Baldachin, bei ihrem Einzug. Kantorin Avital Gerstetter singt dazu.
»Es hat mich sehr gerührt«, sagt Judith, Mutter von zwei Kindern. Und ihre Kinder sind dann auch die ersten, die die aufgerollte Tora anschauen dürfen. Denn die Rabbi-
nerin lädt als erstes die Jüngsten ein und erklärt ihnen die Bedeutung des Anfangsbuchstabens der Schrift.
»Träume erfüllt zu bekommen, ist einfach wunderbar«, sagt Rabbiner Joe Wernik, Executive President Masorti Olami. Daß seine Bewegung in Berlin nun auch über eine Tora verfügt, sei großartig.
»Immerhin entstand die Masorti-Bewegung im 19. Jahrhundert auch in Deutschland«, begründet Rabbiner Alex Felch die Entscheidung, die von ihm gespendete Schriftrolle nach Berlin zu geben. Zuvor gab es noch ganz andere Überlegungen, erzählt Felch. Erst sollte eine neue Schriftrolle an eine Gemeinde in Chicago gehen, doch dann nahm der Gedanke immer mehr Gestalt an, von dem Etat zwei alte Torarollen für zwei verschiedene Gemeinden zu erwerben. »Die Jüdischen Gemeinden in Chicago haben bereits genügend Torarollen.« Die Wahl fiel auf Valencia in Spanien und eben Berlin – um das jüdische Leben in Europa mit aufzubauen, so Felch.
»Wir sind sehr glücklich darüber «, sagt Gesa S. Ederberg, die seit drei Jahren das Masorti-Lehrhaus leitet. Bislang mußte sie mit einer geliehenen Tora auskommen, die gehe nun zurück nach Israel.
»In Memory of our Parents, Arthur and Shirly Schwarzberger«, steht auf dem samtenen Toramantel der neuen Rolle geschrieben. »Sie ist wunderschön«, meint die Rabbinerin. Über eine eigene Synagoge verfügt Masorti nicht, aber die Tora werde bei Gottesdiensten während der Seminarveranstaltungen gebraucht. Gleich beim nächsten Workshop mit Studierenden aus den USA soll sie zum Einsatz kommen. Die Gruppe befindet sich auf Deutschlandreise und wird Ende Mai Kabbalat Schabbat sowie den Morgengottesdienst bei Masorti feiern.
Masorti ist an weltweiten Projekten mit internationalen Partnern beteiligt. Dazu gehören laut Ederberg die Organisation und Durchführung von Seminaren, Begegnungen und Gottesdiensten für ausländische und deutsche Studenten in Berlin. Jüdische Bildungsarbeit sei ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, betont die Rabbinerin. Im Berliner Masorti-Lehrhaus werden fast jede Woche Lernabende und Seminare zu jüdischen Themen angeboten, zu denen bis zu 25 Interessierte regelmäßig kommen.
»Wir sind auch und vor allem für die Familien da«, sagt Ederberg, selber Mutter von Zwillingen. »Bringt Eure Kinder mit«, steht deshalb auf fast allen Einladungen zu Veranstaltungen. Im September 2004 eröffnete der Masorti-Kindergarten mit einer hebräisch-deutschen Gruppe, seit knapp einem Jahr gibt es auch eine englisch-deutsche Gruppe. 31 Kita-Kinder toben wochentags durch die Räume an der Wilhelmsaue. Sei es Mazze backen zu Pessach oder Masken basteln für Purim – anläßlich der jüdischen Feiertagen gibt es besondere Aktivitäten für die Kinder. »Wir wachsen immer weiter, aber wir sind durch unseren sprachlichen Schwerpunkt keine Konkurrenz für den Gemeindekindergarten«, unterstreicht Ederberg. Sie freut sich, daß so viele verschiedene jüdische Strömungen unter das Dach der Berliner Einheitsgemeinde passen.
»Leider werden wir bald die Räume an der Wilhelmsaue verlassen müssen«, sagt Gesa S. Ederberg. Denn die werden für die Ganztagsbetreuung einer Grundschule gebraucht. Aber die Rabbinerin und ihre Mitarbeiter haben bereits Gespräche geführt mit den Verantwortlichen des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, und sie ist sich sicher, daß sie in der Umgebung ein neues Domizil bekommen werden. Dann wird natürlich auch die Torarolle mit umziehen, die bis dahin ihren festen Platz in der Wilhelmsaue hat.
Spender Alex Ferch ist begeistert. Und besonders glücklich ist er, daß er jetzt in Berlin den Kantor wiedertraf, der bei seiner eigenen Hochzeit vor mehr als 20 Jahren in Schweden amtierte: Laszlo Pasztor.

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025