Simbabwe

Am Boden

von Moira Schneider

Das Land ächzt unter der wirtschaftlichen und politischen Krise. Doch sie bewahren die Ruhe. Die 320 Juden Simbabwes haben die Welle der Gewalt im Gefolge der Präsidentschaftswahlen, die den Kandidaten der Opposition, Morgan Tsvangirai, zum Ausscheiden aus dem Wahlkampf bewog, weitgehend unbeschadet überstanden. Wie Hylton Solomon, der 52-jährige Präsident der Bulawayo Hebrew Congregation, sagt, hätten sie sich an die trostlose Situation ihres Landes gewöhnt. »Die Menschen wurden in den letzen Jahren so oft enttäuscht.« Die Wahl sei für sie ein Tag wie jeder andere gewesen. »Sie nehmen es einfach hin. Ich glaube nicht, dass die Juden sich bedroht fühlen, jedenfalls nicht in Bulawayo. Sie haben sich auch davor nie bedroht gefühlt«, so Solomon.
Auch wenn ihnen die Gewalt erspart geblieben ist, die Wirtschaftskrise hat die jüdische Gemeinschaft im Land schwer mitgenommen. Es fehlt an allem: Strom, Lebensmittel, Wasser und Treibstoff. Nach Angaben von Vertretern jüdischer Hilfsorganisationen, die der jüdischen Gemeinde beistehen, haben dennoch nur wenige Juden die Absicht, das Land zu verlassen. »Doch viele zweifeln daran, dass sich die Wirtschaft und überhaupt das ganze Land jemals wieder erholen«, so Mervyn Smith, der Präsident des African Jewish Congress.
Simbabwe leidet unter einer Inflationsrate, die auf 20 bis 30 Prozent in der Woche geschätzt wird. Anfang Juli hatten 62 Milliarden Simbabwe-Dollar einen Wert von einem Euro. Viele Menschen haben ihre Ersparnisse bis zum letzten Cent aufgezehrt.
»Die Wucht des wirtschaftlichen Zusammenbruchs bekommen alle zu spüren«, sagt ein Gemeindemitglied, das anonym bleiben möchte. »Unser Geld ist wertlos.«
Die meisten Juden Simbabwes sind ältere Menschen; nur sechs jüdische Kinder gibt es im Land. Von den 110 Juden in Bulawayo leben 26 im einzigen jüdischen Altersheim Simbabwes, der Savyon Lodge. Sie wurden von der Wirtschaftskrise besonders schwer getroffen, denn viele von ihnen hatten sich auf ihre Ersparnisse und ihre Rente verlassen. »Sie haben geglaubt, ihren Lebensabend unabhängig und in Würde verbringen zu können«, erklärte ein Gemeindemitglied.
Der Geschäftsführende Direktor des African Jewish Congress, Rabbi Moshe Silberhaft, sagt, er widme 90 Prozent seiner Zeit den Problemen der jüdischen Gemeinde Simbabwes. »Wir versorgen sie mit allem, von Medikamenten über Mieten bis zu Grundnahrungsmitteln. Es gibt fast nichts, und was es gibt, ist nicht zu bezahlen. Wir schicken Wasseraufbereitungstabletten, weil das Trinkwasser nicht mehr sicher ist.«
Vor Kurzem flog Silberhaft nach London, um den Leuten klarzumachen, wie sehr sich die Krise in Simbabwe verschärft hat, und um Geld für den Simbabwe-Fonds des African Jewish Congress aufzutreiben.
Am 13. Juni erschien im Londoner Jewish Chronicle ein Bericht, laut dem die Jewish Agency for Israel insgeheim plane, eine Luftbrücke für die in Simbabwe verbliebenen Juden einzurichten, um sie außer Landes zu schaffen. Doch Silberhaft beharrt darauf, dass keine derartigen Pläne existieren. »Ich habe mit Zeev Bielski (dem Vorsitzenden der Jewish Agency) gesprochen, es gibt keinen irgendwie gearteten Evakuierungsplan«, so Silberhaft. »Wir und die Jewish Agency sagen zu den Leuten: Wartet nicht auf eine Evakuierung. Wer das Land verlassen möchte, sollte es tun, solange die kommerziellen Fluggesellschaften noch fliegen. Reist jetzt aus, und wir werden euch helfen.«
Ein Gemeindemitglied berichtete, viele würden von besorgten Freunden und Verwandten im Ausland gedrängt, das Land zu verlassen. Doch die meisten Juden in Simbabwe sähen die Notwendigkeit für einen solchen Schritt nicht. »Als Gemeinde machen wir weiter wie immer«, sagt die Frau. »Ich verspüre nicht das Bedürfnis, wegzugehen.« Eine andere Frau, die anonym bleiben möchte, sagt: »Die Situation ist schlimm, aber nicht gefährlich. Niemand, den ich kenne, hat irgendeinen Schaden erlitten. Ich fühle mich hier sicherer als in Johannesburg.«
Viele der jüngeren Juden Simbabwes fahren regelmäßig ins benachbarte Südafrika. »Manche wie ich haben dort Häuser«, sagt Solomon, der Präsident der Synagoge. »Ich frage mich oft, warum ich nicht energischer darangehe, den Umzug zu planen. Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob Südafrika wirklich das Land ist, in dem ich leben will. Ich verdiene hier immer noch ein bisschen Geld, und so habe ich das Beste aus beiden Welten.« Er fahre alle vier bis sechs Wochen für zehn Tage nach Kapstadt, um Verwandte zu besuchen und ins Kino und Restaurant zu gehen.
»Diese Art zu leben hat ihre Licht- und Schattenseiten«, sagt er. Im vergangenen Jahr wurde Solomon für eine Nacht eingesperrt, weil er eine Tüte Spaghetti zu teuer verkauft und damit gegen die in Simbabwe verfügten Preiskontrollen verstoßen hatte.
Doch trotz alledem ist Solomon optimistisch. »Irgendetwas Gutes wird aus dem ganzen Schlamassel entstehen«, ist er sich sicher. »So wie jetzt kann es unmöglich weitergehen.«

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025