Probleme

Alles auf Anfang

von Heike Linde-Lembke

Der Anfang hat es in sich. Kaum war am 22. August nach zweimonatigen Auseinandersetzungen der Vorstand der jüdischen Gemeinde Hamburg neu gewählt, flatterte dem neuen Fünfer-Gremium die Schreckensnachricht der Hamburger Schulbehörde ins Haus: Zur Eröffnung der Joseph-Carlebach-Ganztagsgrundschule fehlten die Namenslisten von Schülern, Lehrkräften und etliche weitere Unterlagen. Folge: Die Eröffnung der Grundschule am 28. August war gefährdet. In allerletzter Sekunde konnten der neue Gemein- devorsitzende Ruben Herzberg und sein Vorstand zusammen mit dem designierten Schulleiter Heinz Hibbeler der Behörde die erforderlichen Unterlagen beschaffen.
»Wir sind froh, die Grundschule jetzt wieder eröffnen zu können«, sagt Herzberg sichtlich erleichtert, moniert aber deutlich: »Der alte Vorstand wurde bereits am 6. Juli von der Hamburger Schulbehörde aufgefordert, die Namensliste der Schüler und der Lehrer zu senden.« Das Schreiben der Behörde habe er am Tag nach der Wahl entdeckt.
Herzberg, Schulleiter eines renommierten Hamburger Gymnasiums mit Ganztagsschule, und Sibylle Stoler von der Gemeinde hatten vor Jahren das Konzept für die jüdische Ganztagsgrundschule erarbeitet. 2003 wurde die Schule eröffnet, die – wie heute wieder – auch nichtjüdische Kinder aufnahm. Innergemeindliche Auseinandersetzungen führten jedoch dazu, dass die Eltern ihre Kinder von der Schule nahmen. 2005 musste der damalige Vorstandsvorsitzende Andreas C. Wankum die Schule wegen Kindermangels schließen.
Jetzt endlich, nachdem auch das Gebäude der traditionsreichen Talmud-Tora-Realschule am Grindelhof renoviert wurde und der neuen Gemeinde als Zentrum dient, kann hier auch die Ganztagsgrundschule einziehen. »Wir eröffnen die Schule jetzt wieder mit einem guten Dutzend Kinder«, sagt Herzberg. Neben dem Schulleiter Hibbeler, der eine Hamburger Gesamtschule leitet und für 20 Prozent seiner Arbeitszeit von der Hamburger Schulbehörde für die jüdische Schule freigestellt ist, werden zwei Lehrkräfte unterrichten, begleitet von einer sozialpädagogischen Fachkraft. Das Konzept beinhaltet, dass Vor- und Grundschüler gemeinsam lernen. Die Kinder werden mit koscherem Essen versorgt, von zu Hause abgeholt und wieder zurückgebracht.
»Herr Herzberg wollte die Schule mit allen Mitteln verhindern«, wirft indes Wankum seinem Nachfolger vor. Herzberg aber freut sich: »Es ist ein historischer Einschnitt, dass die Joseph-Carlebach-Schule wieder in die Talmud-Tora-Schule zurückkehrt.« Der alte Vorstand hatte nach Aussage Wankums noch während seiner Amtszeit ein Kuratorium für die Grundschule bestimmt. Es bilden der Hamburger Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay, der Chabad-Rabbiner Shlomo Bistritzky und Gemeindemitglied Ruven Dreiblatt. »Das Kuratorium hat keinerlei Handlungsbefugnis«, sagt Herzberg. »Für die Schule ist jetzt der neue Vorstand verantwortlich«, weiß auch Schulleiter Hibbeler.
Bei den Querelen um die Schule fand der neue Vorstand noch keine Zeit, weitere Problemfelder der Gemeinde zu ergründen. Ihm gehören neben Ganztagsschulleiter Herzberg (56) der Zahnarzt Anatoli Levit (66), die Journalistin Gabriela Fenyes (60), die Bibliothekarin Karin Feingold (59) und der Jura-Student David Tichbi (26) an.
Nach jahrelangen Streitigkeiten mit dem Vorstand, nach Austritten und Abwanderungen vieler Gemeindemitglieder müsse jetzt Ruhe in die Gemeinde einkehren. »Wir wollen mit allen in der Gemeinde konstruktiv zusammenarbeiten und die Bereitschaft der Mitglieder zur aktiven Mitarbeit wieder fördern«, sagt Ruben Herzberg. Viele Mitglieder hätten sich zurückgezogen, weil sie enttäuscht gewesen seien, dass ihre Professionalität beim alten Vorstand nicht mehr gefragt gewesen sei. »Die Jüdische Gemeinde Hamburg soll wieder zur Heimat für alle Juden dieser Stadt werden.« Vorgänger Andreas Wankum fordert indes bereits jetzt Neuwahlen oder den Rücktritt Herzbergs und bezeichnet den neuen Vorstand als »inkompetent, destruktiv und wahrheitsscheu«.
Herzberg, der neue Vorstand und der neue Beirat wollen der Gemeinde bis Jahresende einen Einblick in die derzeitige Situation der Gemeinde geben. Vor allem die Finanzlage sei desolat und das Verhältnis etlicher Mitglieder zur Gemeinde gestört, sagen die Beiratsvorsitzenden Daniel Zylberberg (29, Jura-Student) und BWL-Student Marcel Klukow (26). Somit sei ein Kassensturz dringend notwendig. »Wir müssen eine neue Struktur in Verwaltung und Finanzen bringen, beides effizienter gestalten und Einspar-Potenziale ausfindig machen«, sagt Klukow. Der Schuldenberg müsse abgetragen und die Ursachen dafür ausfindig gemacht werden.
Als Erstes wolle der Beirat Fachausschüsse für Finanzen, Kultur und zur Förderung der Integration der Zuwanderer bilden. Für die Kultur will sich die neu gewählte zweite Gemeindevorsitzende Karin Feingold einsetzen. »Die Kultur liegt brach. Doch das Interesse an jüdischer Kultur ist groß, zumal wir jetzt in der Talmud-Tora-Schule mitten im Grindel wieder eine neue Heimat gefunden haben«, sagt Feingold.

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025

Waffenruhe

»Wir werden neu anfangen, egal, wie schwer es ist«

Im Gazastreifen feiern die Menschen die Aussicht auf ein Ende des Krieges

 09.10.2025

Perspektive

Wir lassen uns nicht brechen – Am Israel Chai! 

Ein Zwischenruf zum 7. Oktober

von Daniel Neumann  06.10.2025

Berlin

Preis für Zivilcourage für Brandenburger Bürgermeisterin

Christine Herntier wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus vom »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgezeichnet

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025

Nahost

Die Knackpunkte in Trumps Friedensplan

Netanjahu stellt sich hinter Trumps Plan für ein Ende des Gaza-Kriegs. Doch darin gibt es noch viele unklare Stellen

von Anna Ringle, Cindy Riechau  30.09.2025

Gaza/Jerusalem

Hamas fordert Feuerpause - Leben zweier Geiseln bedroht

Laut Kassam-Brigaden sei der Kontakt zu den beiden abgebrochen

 28.09.2025

New York/Teheran

Iran-Sanktionen wieder in Kraft

DIG und iranische Oppositionelle im Exil begrüßen die Entscheidung

 28.09.2025