TV

Friede, Freude, Fleischklops

Chuzpe ist etwas anderes: Dieter Hallervorden und Anja Kling Foto: ARD Degeto/Tivoli Film/Julia Terjung

Dieter Hallervorden ist plötzlich wieder in. Wenn ihm die ARD zum 80. Geburtstag zur Primetime einen ganzen Themenabend widmet, liegt das wohl auch an den sieben Millionen Zuschauern, die »Didi« gerade in Honig im Kopf feierten. Der Kinofilm von Til Schweiger zeigte Hallervorden als einen liebevoll-meschuggenen Vater, der nach dem Tod seiner Frau unter die Fittiche seines überforderten Sohnes kommt.

Das deutsche Fernsehen legt nun mit einer ganz ähnlichen Geschichte nach. Nur spielt Dieter Hallervorden diesmal keinen an Alzheimer Erkrankten, sondern den jüdischen Witwer Edek, der vor Jahrzehnten aus Deutschland floh und seiner Tochter Ruthchen zuliebe wieder nach Berlin zurückkehrt.

facettenarm Dabei hagelt es Klischees: Der Emigrant aus dem fernen Melbourne spricht zwar fließend Deutsch, muss aber unregelmäßig »jiddeln« oder das »R« rollen. Und mit dem deutschen Satzbau tut Edek sich natürlich auch schwer. Wenn Hallervorden schlagfertig sein darf, kommt dann doch die Berliner Schnauze ziemlich akzentfrei durch.

Frei nach dem unoriginellen Motto »Je oller, umso doller« nervt Papa Edek seine Karrieretochter gewaltig. So bestellt er tonnenweise Klopapier, weil man dabei 40 Prozent spart, oder legt Internet und Stromnetz lahm, weil er versehentlich beim Surfen auf einer Pornoseite gelandet ist. Ruthchen verliert dabei schnell die Fassung und wird von Anja Kling leider facettenarm und dauerverkniffen dargestellt.

Eigentlich sollte sich Ruth ja freuen, wenn ihr Papa die dralle polnische Köchin Zofia kennenlernt. Aber sie sieht immer nur schwarz, traut ihrem Vater keine eigene Sexualität mehr zu, und als die lebensfrohe Köchin mit Edek einen Klops-Imbiss eröffnet, hält Ruth es nur für eine weitere Schnapsidee.

Romanverfilmung Chuzpe – Klops braucht der Mensch unterfordert den Zuschauer leider permanent. Dabei basiert diese Verfilmung auf dem Roman Chuzpe von Lily Brett, einer in Deutschland geborenen Jüdin, die in Australien aufwuchs und heute in den USA lebt.

In der Vorlage kommt der 87-jährige Edek von Australien nach New York. Die Handlung nach Deutschland zu verlegen, schafft unnötige dramaturgische Löcher. So versteht man nie, seit wann die so superdeutsch wirkende Tochter eigentlich in Berlin lebt und warum das Verhältnis zum Vater so eng ist. Weigerte sich der Vater doch hartnäckig, wieder deutschen Boden zu betreten, und blieb bis auf einige Abstecher nach Marseille immer im fernen Australien.

Frei nach dem Motto »Man spricht Deutsch« ist auch die Rolle der Zofia mit Franziska Troegner besetzt. Sie spielt durchaus überzeugend, wirkt aber trotz Akzent nie wie eine Polin. Es ist ärgerlich, wie sehr das deutsche Fernsehen internationalen Trends hinterherhinkt. Berlin wird als Metropole auch sprachlich immer multikultureller, aber das Fernsehen scheut nach wie vor die Mehrsprachigkeit dieser Stadt. Wer schon kulturell derart eindimensional bleibt und bei den Darstellern so auf Nummer sicher geht, riskiert auch sonst nichts. Hier wird »gute Fernsehunterhaltung« am Reißbrett konstruiert.

Am Ende muss Edek der Spannung wegen einen Kreislaufkollaps erleiden, aber bei Friede, Freude, Fleischklops ist alles wieder gut. Mit jüdischem Witz oder einer jüdisch-deutschen Note hat das Ganze nicht viel zu tun – auch wenn im Hintergrund jiddische Musik dudelt. Chuzpe ist etwas anderes.

Meinung

Der ESC kann auf israelfeindliche Staaten verzichten

Eine Reihe von Ländern will den Eurovision Song Contest 2026 boykottieren, sollte Israel daran teilnehmen. Gut möglich also, dass Spanien, die Niederlande und Slowenien nächstes Jahr in Wien fehlen werden. Na und?

von Jan Feddersen  26.09.2025

Meinung

Israel wird zum Juden unter den Fußballern

Der europäische Fußballverband Uefa steht kurz davor, das israelische Team ausschließen. Dahinter steht eine antisemitisch grundierte Kampagne gegen den jüdischen Staat

von Martin Krauss  26.09.2025

Auszeichnung

Leipziger Stiftung vergibt wieder Mendelssohn-Preis

Die Pianistin Elena Bashkirova und der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin, Michael Blumenthal, werden geehrt

 25.09.2025

Meinung

Wir müssen das Jüdische in der Kritischen Theorie neu entdecken

Das Judentum hatte einen spürbaren Einfluss auf das Denken von Philosophen wie Max Horkheimer, Walter Benjamin oder Theodor W. Adorno. Dieses Erbe wird heute selten berücksichtigt

von Joel Ben-Joseph  25.09.2025

TV-Tipp

Im Rollstuhl über Bord geworfen: Arte-Doku über die Entführung der Achille Lauro

Arte-Doku erinnert an die palästinensische Massengeiselnahme auf dem italienischen Kreuzfahrtschiff Achille Lauro. Sie ereignete sich am 7. Oktober 1985 - genau 38 Jahre vor dem Hamas-Massaker samt Massengeiselnahme

von Manfred Riepe  25.09.2025

Sachbuch

Erzähl mir von deinen Lieblingsorten

Die deutsch-israelische Autorin Katharina Höftmann Ciobotaru und der Iraner Sohrab Shahname fanden nach dem 7. Oktober 2023 Vertrauen zueinander. Ein Auszug aus ihrer ungewöhnlichen Brieffreundschaft

von Katharina Höftmann Ciobotaru, Sohrab Shahname  24.09.2025

Musik

»Parabola and Circula«: Übermächtige Musik

Beim Berliner Musikfest wurde die lange verschollene Oper des jüdisch-amerikanischen Komponisten Marc Blitzstein uraufgeführt

von Stephen Tree  22.09.2025

Kolumne

Shkoyach!

Von vielen Wassern getragen oder Was ich im neuen Jahr loslassen will

von Laura Cazés  22.09.2025

30 Jahre Stiftung »Zurückgeben«

Schana Towa von den Frauen!

In Berlin präsentierten die Trompeterin Yael Gat, die Regisseurin Natalia Sinelnikova und zahlreiche andere Stipendiatinnen ihre kreativen Projekte

von Ayala Goldmann  22.09.2025