Medien

»Wir haben Fehler gemacht«

Esther Schapira über die Berichterstattung zur AfD, Kritik an zu viel Sendezeit und den Umgang mit der Partei

von Philipp Peyman Engel  25.09.2017 19:53 Uhr

Esther Schapira Foto: dpa

Esther Schapira über die Berichterstattung zur AfD, Kritik an zu viel Sendezeit und den Umgang mit der Partei

von Philipp Peyman Engel  25.09.2017 19:53 Uhr

Frau Schapira, sind die Medien mitverantwortlich für den Erfolg der AfD?
Die Diskussion dieser Frage ist wichtig. Wir Journalisten sollten uns selbstkritisch prüfen, ob wir mit der AfD bisher richtig umgegangen sind. Wir alle müssen noch lernen, wie wir auf eine offen rechtsradikale, teils antisemitische Partei reagieren. Das ist Neuland! Und klar, da haben wir auch Fehler gemacht.

Zum Beispiel?
Wir waren oft zu emotional, zu naiv und sind so auf die Provokationen der AfD hereingefallen. Statt sie bei Sachthemen wie Rente oder Klima zu packen, haben wir ihnen die Bühne geboten für ihre Agenda: Angst schüren, an die deutsche »Volksgemeinschaft« appellieren, Schlussstrich ziehen. Wichtig ist es, die geglückten Interviews mit AfD-Politikern zu analysieren und daraus zu lernen.

An welche Gespräche denken Sie?
Zum Beispiel an den ARD-Fünfkampf. Da wurde Alice Weidel sofort mit Fakten korrigiert, als sie irreführend über das Thema Rente sprach. Das zeigt: Wenn man den AfD-Phrasen unaufgeregt Inhalte entgegenhält, demaskiert sich die Partei von selbst. Wie man es nicht machen sollte, hat die Reaktion auf Alexander Gaulands Äußerung gezeigt, man könne stolz sein auf die Leistungen deutscher Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Da haben wir Journalisten Fehler gemacht.

Inwiefern?
Es gab in den Medien tagelang nur noch diesen Satz von Gauland.

Was wäre die Alternative gewesen: eine die Schoa relativierende Äußerung eines AfD-Spitzenpolitikers zu ignorieren?
Das nicht. Aber wir hätten ruhig nachfragen müssen, worauf er denn stolz ist. Die Provokation liegt ja in der bewussten Andeutung, im Raunen, das alle verstehen und sofort entziffern. Das wirklich Ungeheuerliche bleibt ungesagt: der Stolz auf die Verbrechen der Wehrmacht, die Beteiligung am millionenfachen Judenmord, den Vernichtungskrieg. Er sagt es so nicht, aber alle verstehen es so. Zwingen wir ihn durch Nachfrage, es auszusprechen! Insistieren, ruhig bleiben, aufdecken. Klassisches journalistisches Handwerk eben.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die TV-Sender überproportional häufig AfD-Politiker eingeladen haben?
Ich kann die Kritik nachvollziehen. Talkshows leben auch von Provokation und Skandal, TV insgesamt von Bildern und Emotionen. Das macht uns anfällig dafür, es für einen journalistischen Coup zu halten, einen Tabubrecher einzuladen. Das sorgt für Stimmung, für Aufregung und Ärger. Gut für die Quote, aber schlecht für unseren Berufsstand.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ich meine alle Redaktionen. Schauen Sie sich den aktuellen »Spiegel« an. Gauland und Weidel werden auf dem Titelblatt regelrecht dämonisiert. Wir Medien sollten die Faszination des Bösen nicht bedienen und stattdessen die Leerstellen im AfD-Programm outen, wie wir es bei anderen Parteien auch tun.

Mit der Redakteurin des Hessischen Rundfunks sprach Philipp Peyman Engel.

Judenhass

Brandanschlag auf Synagoge

Die Polizei ermittelt

 01.05.2024

Justiz

Facebook-Post am 7. Oktober - Prozess gegen Münchner Imam

Der Imam hatte am Tag des Angriffes der Hamas auf Israel geschrieben: »Jeder hat seine eigene Art, den Oktober zu feiern.« Dahinter hatte er einen Smiley gesetzt

 01.05.2024

Antisemitismus

Islamistische Jugendliche sollen Angriffe auf Juden geplant haben

Eine Gruppe von 14- bis 17-Jährige sollen geplant haben, Juden mit Waffen anzugreifen

 01.05.2024

Teheran

International gesuchter Ex-Boss der »Hells Angels« im Iran getötet

Ramin Y. galt als Hauptverdächtiger für einen Anschlag auf die Bochumer Synagoge

 01.05.2024

Völkermord-Klage

Gericht schmettert Antrag Nicaraguas für einstweilige Anordnung gegen Deutschland ab

Das höchste UN-Gericht fällt ein klares Urteil

von Michael Thaidigsmann  30.04.2024

Krieg gegen die Hamas

Medien: Netanjahu befürchtet Haftbefehl durch Strafgerichtshof

Berichten zufolge soll mehreren Israelis Haftbefehle drohen - darunter auch dem Regierungschef

 28.04.2024

Antisemitismus

Jude in Berlin-Biesdorf massiv beschimpft

Die zwei unbekannten Täter zeigten zudem den Hitlergruß und verhöhnten das Opfer wegen dessen Schläfenlocken

 28.04.2024

Holocaust

»Blutiger Boden, deutscher Raum« - was die Nazis in Osteuropa planten 

Die Nationalsozialisten träumten von einem Riesenreich voller idealer Menschen. Wer ihnen nicht passte, sollte verschwinden oder sterben. Ein neuer Film zeigt die Abgründe des Generalplans Ost

von Cordula Dieckmann  28.04.2024

Gastbeitrag

Berlin und jüdisches Leben sind untrennbar miteinander verbunden

Wer Terror verharmlost und das Existenzrecht nicht anerkennt, der gehört nicht zu uns

von Dirk Stettner  28.04.2024