Wuligers Woche

Und täglich grüßt der Hitler

So viele Wiedergänger wie der Naziführer hat kaum eine andere historische Gestalt. Und das, obwohl der Mann erst seit 72 Jahren tot ist. Foto: Thinkstock

Also, Donald Trump ist wie Hitler. Das wissen wir seit dem »stern«-Titel von voriger Woche. (Der US-Präsident sah auf dem Cover des Hamburger Magazins allerdings eher aus wie ein römischer Imperator mit Toga. Die Bildredaktion des »stern« braucht noch ein bisschen Nachhilfe in Geschichte.) Dabei ist doch eigentlich Angela Merkel Hitler. Türkische Massenmedien haben die Kanzlerin jedenfalls den Sommer über immer wieder mit Bärtchen und brauner Uniform gefotoshoppt.

Vor ein paar Jahren, im Irakkrieg, war George W. Bush Hitler, meinte damals Gerhard Schröders Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Selbiger Bush wiederum hatte Saddam Hussein als noch schlimmer als Hitler bezeichnet. So viele Wiedergänger wie der Naziführer hat kaum eine andere historische Gestalt. Und das, obwohl der Mann erst seit 72 Jahren tot ist.

Gurion Natürlich haben jüdische Stimmen – aber nicht nur die – sofort nach dem »stern«-Titelbild darauf hingewiesen, dass der Vergleich mit Hitler nicht nur historisch schief ist, sondern auch geeignet, die Singularität der Naziverbrechen zu bagatellisieren. Übersehen haben sie dabei allerdings, dass Hitler- und Nazi-Analogien sich auch und gerade unter Juden großer Popularität erfreuen.

Kein Geringerer als David Ben Gurion verglich 1963 seinen Erzfeind Menachem Begin mit – genau – Adolf Hitler. Ausgeflippte Charedim in Jerusalem bezeichnen missliebige Ärzte des Hadassah-Hospitals schon mal als »Dr. Mengele«; Henryk M. Broder tituliert die »taz« gerne als »Kinder-Stürmer«; Siedler klebten nach dem Oslo-Abkommen 1993 in Israel Plakate, auf denen Yitzhak Rabin als SS-Mann dargestellt war; jüdische Berater und Minister von US-Präsident Trump müssen sich online als »Judenräte«, gar »Kapos« etikettieren lassen.

So inflationär sind Nazi- und Hitlergleichsetzungen in Israel geworden, dass 2014 in der Knesset ein Gesetzentwurf eingebracht wurde, der diese Art Analogien unter Strafe stellte. Manche Gegner des Gesetzes meinten wiederum, solche Einschränkungen der Redefreiheit seien nazistisch.

A...löcher Besonders blühen die Nazivergleiche natürlich im Netz. Hier gilt das Godwinsche Gesetz, 1990 von dem britischen Anwalt und Sachbuchautor Mike Godwin formuliert: »Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an.«

Godwin höchstpersönlich jedoch lässt auch Ausnahmen zu. Auf Anfrage eines Twitter-Users nach den Krawallen von Charlottesville vor drei Wochen, wie man denn die rechtsradikalen Gewalttäter anders bezeichnen könnte, tweetete er: »Vergleichen Sie diese A...löcher ruhig mit Nazis!«

Da indes muss man Godwin widersprechen. Wer mit Hakenkreuzfahnen aufmarschiert, wird das Wort »Nazi« mutmaßlich nicht als Beleidung empfinden, sondern, im Gegenteil, als Lob auffassen. In diesen wie in anderen Fällen tut’s das »A...loch« besser.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024