Hannover

Urgestein in Niedersachsen

Michael Fürst während seiner Dankesrede Foto: Wolfgang Weihs

Während vor dem Hannover Congress Centrum die roten Banner zum Parteitag der Linken einladen, weisen im Innern weiße Tafeln in den ersten Stock zum Empfang im Bonatz-Saal anlässlich des 70. Geburtstags von Michael Fürst. Drei Säle und das Foyer sind den rund 300 Gästen aus Politik, Gesellschaft, Kirchen, Verbänden und jüdischen Organisationen und Gemeinden vorbehalten. Sie feiern ihren Freund, Wegbegleiter, Schulkameraden, Kollegen und Gesprächspartner.

Irgendwie sei Michael Fürst schon seit Menschengedenken da, sagt seine Stellvertreterin Marina Jalowaja. 37 Jahre sei er Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. »Eine halbe Ewigkeit«, meint Jalowaja. Seine Chuzpe und sein Selbstbewusstsein hätten gerade ihnen, den russischsprachigen Zuwanderern in den Gemeinden, geholfen. Fürst habe ihnen zwar kein Gelobtes Land – wie einst Moses –, aber eine neue jüdische Heimat geschaffen.

Funktionen Als genialer Netzwerker kenne Fürst so gut wie jeden in Hannover, vielleicht sogar in Niedersachsen, waren sich alle einig. In seinen verschiedenen Funktionen unter anderem im NDR-Rundfunkrat, im Kuratorium der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, als aktiver Soldat und Reservist in der Bundeswehr, als Vorsitzender der Deutschen Technion-Gesellschaft, als Mitinitiator des Holocaust-Mahnmals in Hannover, als Beiratsmitglied der Stadt, die sich um die Namensgebung von Straßen und Plätzen kümmert – Michael Fürsts Funktionen seien beinahe so zahlreich, wie er Jahre alt sei.

Vizepräsident Abraham Lehrer, der die Grüße vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, überbrachte, fügte noch die Aufgaben im Direktorium des Zentralrats und Fürsts Mitgliedschaft in der Satzungskommission hinzu. Er habe ihn als Querdenker kennengelernt, als er selbst noch als »Frischling« in Zentralratsgremien mitgewirkt habe. »Wir waren und sind beileibe nicht immer einer Meinung«, sagt Lehrer, aber Fürsts ehrenamtliches Engagement sei beispielhaft und vorbildlich – und daher auch zu Recht vielfach ausgezeichnet worden.

gäste Ganz gleich, wer sich an diesem Vormittag zu Wort meldete – ob Fürsts Stellvertreter im Landesverband, Marina Jalowaja und Michael Grünberg, der durch das Programm führte, Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostock, Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD), Hartmut Tölle, Bezirksvorsitzender des DGB Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen, Christian Hodler von der Deutschen Technion-Gesellschaft oder Zentralratsvize Abraham Lehrer –, alle waren sich in der Beurteilung des Charakters des Jubilars einig.

Michael Fürst ist meinungsstark, aber nicht beratungsresistent, umtriebig und doch ausdauernd, begeisterungsfähig und zugleich nüchterner Analytiker, kritisch, eloquent und verlässlicher Gesprächspartner. Der 70-Jährige spielt begeistert Golf, jedoch mit einem hohen Handicap, er liebt Hannover 96, aber nur von der Bank aus. Vor allem aber sei er ein begnadeter Netzwerker und persönlicher Freund.

So sprach der Jubilar seine Gäste denn auch als Freunde an, irgendwie sei er ja mit allen freundschaftlich verbunden. Ohne sie und ihre Unterstützung hätte er auch nicht sein Amt als Landesvorsitzender ausüben können, beteuerte Fürst in seiner Dankesrede, die den jüdischen Gemeinden genauso gilt wie der Stadt- und Landesregierung, die ihn stets unterstützt hätten.

reden Gerührt nahm Fürst die Geschenke entgegen: ein Miniatur-Bio-Kraftwerk, ein selbst gemaltes Bild und Noten mit Variationen des Liedes »Happy Birthday«. Die drei Kantoren Svetlana Kundisch, Eliya Schwarz und Andre Sitnov unterbrachen mit ihren Darbietungen von »Siman Tov u’Mazel Tov« sowie dem Lobeslied »Der in der Höhe Frieden stiftet« die Glückwunschreden.

»Die 37 Jahre Landesvorsitz haben Spaß gemacht. Ohne Spaß kann man einen solchen Verband auch nicht führen«, sagte Fürst und lud seine Gäste zu einem glatt koscheren Büfett aus der Küche des Jüdischen Seniorenheims »Lola Fischel Haus« ein.

»Bis 120« wünschen ihm die Freunde, plus einen Tag, sagt Stellvertreter Michael Grünberg, denn, so fügt er hinzu: »Wer geht schon gern an seinem Geburtstag?« Als die Spitzen der Partei Die Linke im Hannover Congress Centrum eintreffen, sind die Gäste von Michael Fürst schon längst gegangen.

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024