Universität

Zoom statt Hörsaal


Das Studium unter Corona-Bedingungen geht nun schon in das zweite Semester. Dabei haben im Herbst Tausende Studienanfänger ihr Studium an den Universitäten und Hochschulen gerade erst aufgenommen. Die von Shutdown und Kontaktbeschränkungen geprägte Situation ist für sie besonders problematisch.

»Sämtliche informellen Situationen wie Flurgespräche und Small Talk vor oder nach Veranstaltungen fallen völlig weg«, sagt David Lüllemann. Der 24-Jährige hat im November sein Masterstudium an der Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) begonnen.

erstsemester »Gerade ich, der ich neu in der Stadt bin, würde eigentlich gerne Menschen kennenlernen«, betont Lüllemann. Auch seine Kommilitonin Cornelia D’Ambrosio weiß um die sozialen Auswirkungen der derzeitigen Lage: »Das Kennenlernen untereinander gestaltet sich dieses Semester herausfordernd.« Als studentische Vertreterin habe sie versucht, die Erstsemester und die ausländischen Studierenden besonders zu unterstützen.

Lüllemann engagiert sich ebenfalls bei der Studierendenvertretung der HfJS. »Wir haben ein digitales Vernetzungsangebot auf der Digitalplattform ›Discord‹ geschaffen«, berichtet er. Es seien digitale Stammtische sowie Spieleabende geplant, ergänzt D’Ambrosio. Doch das Angebot werde bisher kaum wahrgenommen, bedauert Lüllemann. Diesen Umstand erklärt er mit einer »gewissen Digitalmüdigkeit« unter den Kommilitonen.

Denn die HfJS musste gemäß der aktuellen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg zunächst bis zum 30. November vollständig auf Online-Lehrformate umsteigen. »Insofern kann aktuell keine Präsenzlehre stattfinden«, teilt Pressesprecherin Susanne Mohn mit. Ursprünglich war eine Mischung aus beiden Formaten geplant.

online-Vollversammlung Die Begrüßung der insgesamt 15 Erstsemester habe digital stattgefunden. Rektor Werner Arnold, das Studiendekanat und das Prüfungsamt hätten, berichtet Mohn, gemeinsam eine Online-Veranstaltung abgehalten. Es habe zudem eine Online-Vollversammlung mit allen Studenten und Dozenten gegeben.

»Wir wollten den Studierenden dabei einerseits alle Dozierenden, insbesondere die neuen Gastprofessoren und den neuen Rektor, vorstellen.« Schließlich sollten die Studenten die Namen ihrer Lehrer auch mit Gesichtern verbinden. Außerdem wolle man signalisieren, »dass sie sich jederzeit bei Fragen oder Problemen an uns wenden können«.

Die Hochschule sei sehr bemüht, das Beste aus der Lage zu machen, betont D’Ambrosio: »Die HfJS ist eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig kennt. Trotzdem bleibt dies ein Ausnahmezustand.« Die Belastung der Studenten habe zugenommen, und ausgleichende Freizeitaktivitäten seien weggefallen. Manche Studenten hätten außerdem ihre Nebenjobs verloren.

Eigenverantwortung »Die Online-Lehre verlangt eine erhöhte Eigenverantwortung«, berichtet D’Ambrosio weiter. Einige Studenten finden sich gut zurecht, andere können sich schlechter konzentrieren. David Lüllemann sieht die Online-Lehre generell eher kritisch: »Für Geisteswissenschaftler ist die Auseinandersetzung mit einem Du, einem geistigen Gegenüber, wichtig.« Er hoffe nicht, dass digitale Lehre zur neuen Norm wird. »Es wäre verheerend.«

Die Bibliothek der HfJS ist zwar geöffnet, die Lernplätze werden aber wenig genutzt.

Es gibt nur noch wenige Möglichkeiten, sich persönlich zu begegnen. Die Bibliothek der Jüdischen Hochschule ist zwar geöffnet und nach Anmeldung zugänglich, betont Susanne Mohn, aber die Arbeitsplätze würden aktuell »eher etwas weniger genutzt«. Dabei seien die Lernplätze den Abstandsregeln entsprechend reduziert worden, und es herrsche durchgehend Maskenpflicht, sagt Mohn. Sehr gut angenommen werde hingegen der Abholservice der koscheren Mensa.

An Berliner Universitäten ist die pandemiebedingte Situation vergleichbar. »Wir haben größtenteils Online-Vorlesungen über Zoom«, berichtet Lars Umanski, Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Der 23-Jährige studiert Jura an der Humboldt-Universität. Der soziale Kontakt fehlt ihm. »Man kann sich einfach nicht richtig kennenlernen.« Für Studienanfänger sei es schon in normalen Zeiten schwierig, sich am neuen Ort und an der Hochschule zurechtzufinden.»Jetzt tun mir die Erstis leid«, sagt Umanski.

Ein soziales Leben in der Uni gebe es derzeit gar nicht, bedauer Lana Solovej.

Das bestätigt auch Lana Solovej. Sie studiert im neunten Semester Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität und engagiert sich ebenfalls in der JSUD. Soziales Leben gebe es derzeit gar nicht. Ihre Hochschule versuche zwar, Studenten in Online-Räumen zum Austausch zu animieren. »Es bringt meistens nichts«, sagt Solovej.

austausch Die fehlenden Möglichkeiten, sich live zu begegnen, beschäftigen viele Studenten. Aus ganz Deutschland fragten jüdische Studenten bei der JSUD an, wo sie jüdische Kommilitonen treffen könnten, berichtet etwa Vorstandsmitglied Jakob German. »Die meisten Studierenden vermissen den persönlichen Austausch, und auch das Studentenleben kommt in Corona-Zeiten zu kurz«, weiß auch Susanne Mohn.

»Wir hoffen aber, dass wir nach dem 30. November zumindest schrittweise zum Präsenzunterricht zurückkehren und zumindest Kurse mit kleineren Gruppen vor Ort anbieten können«, sagt sie. Für Forschung, Lehre und Wissenstransfer der HfJS gelte generell der Grundsatz, dass so viel Präsenz wie möglich unter Berücksichtigung der geltenden Hygiene- und Sicherheitsbedingungen verantwortbar angestrebt werde.

David Lüllemann wünscht sich ebenfalls eine Rückkehr in den Hörsaal, bleibt aber skeptisch. »Wenn die Impfstoffdistribution Monate, ja, Jahre dauern wird, braucht es ein mittelfristiges, pragmatisches Konzept, von dem ich hoffe, dass es sich nicht in ein, zwei oder gar drei weiteren Bildschirmsemestern erschöpft.«

Wie wichtig es ist, das Studium nicht nur vor dem Bildschirm zu absolvieren, bringt Cornelia D’Ambrosio mit einer
Anekdote auf den Punkt: »Im vergangenen Semester fragte eine Studienanfängerin, die nicht vor Ort sein konnte, ob Heidelberg überhaupt existiere.«

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  02.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025