Archiv

»Wir haben viel geschafft«

Militärbundesrabbiner Zsolt Balla Foto: imago images/epd

Archiv

»Wir haben viel geschafft«

Zsolt Balla über ein Jahr Militärrabbinat und jüdische Soldaten bei der Bundeswehr

von Joshua Schultheis  21.07.2022 11:08 Uhr

Rabbiner Balla, vor genau einem Jahr wurden Sie der erste Militärrabbiner in der bundesdeutschen Geschichte. Warum wurde das Amt damals eingeführt?
Allen Soldaten ist vor dem Grundgesetz zugesichert, dass sie ihre Religion auch im Dienst ausüben können. Da wir jüdische Soldaten haben, brauchen wir auch Militärrabbiner. Nur so kann die freie Religionsausübung aller Bundeswehrangehörigen in optimaler Form gewährleistet werden. Außerdem ist die Einführung des Militärrabbinats ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Bundeswehr auch nach dem Ende der Wehrpflicht ein Spiegel der Gesellschaft bleibt.

Welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr?
Wir haben viel geschafft, und unsere Suche nach weiteren Militärrabbinern für unsere Außenstellen läuft gut. Auch die inhaltliche Arbeit hat begonnen: Mit dem Lebenskundlichen Unterricht beteiligen wir uns bereits an der ethischen Ausbildung aller Soldaten und haben erste kleinere religiöse Veranstaltungen zu den Hohen Feiertagen und zum Beispiel zu Purim durchgeführt. Natürlich befinden wir uns immer noch im Aufbau, nicht alles kann innerhalb eines Jahres bewältigt werden, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Wie wird Ihr Angebot von den jüdischen Soldaten angenommen?
Die Bedürfnisse sind von Person zu Person unterschiedlich. Manche suchen religiöse Angebote häufiger auf als andere. Wir sind für jeden da. Allein die Tatsache, dass es das Militärrabbinat jetzt gibt, öffnet auch die Türen für diejenigen, die bis jetzt noch wenig Kontakt zu uns hatten. Nach und nach melden sich mehr jüdische Soldaten bei uns. Zu einigen Soldaten hat sich bereits eine engere Beziehung entwickelt, und sie nehmen regelmäßig an unseren Veranstaltungen teil. Dies betrifft insbesondere die Mitglieder des Bundes jüdischer Soldaten, zu dem wir eine sehr gute und enge Verbindung haben.

Wie ist Ihr Kontakt zu nichtjüdischen Soldaten?
Die Verbindungen zu den nichtjüdischen Soldaten sind sehr gut. Viele Einheiten haben sich an uns, das Militärrabbinat, mit der Bitte gewandt, diesen Unterricht bei ihnen abzuhalten. Unsere Hauptexpertise ist natürlich das Judentum, wir sind aber für jeden einzelnen Soldaten da.

Welche Meinungen aus der jüdischen Gemeinschaft zum Militärrabbinat begegnen Ihnen?
Inzwischen sehe ich, dass in den jüdischen Gemeinden, zu denen ich Kontakt habe, die Akzeptanz für mein Amt viel größer geworden ist. Als Militärrabbiner bauen wir Brücken zwischen der Bundeswehr und der jüdischen Gesellschaft. Mittlerweile gibt es da viele kleine Initiativen. Zum Beispiel fand in meiner Gemeinde in Leipzig bei einem gemeinsamen Abend­essen ein Austausch zwischen den Gemeindemitgliedern und jungen Offizieren der Bundeswehr statt. Daraus haben sich mehrere private Folgeprojekte ergeben. Ferner hat das Militärrabbinat, zusammen mit der Bildungsabteilung im Zentralrat, ein Seminar zur jüdischen Liturgie durchgeführt, das gerade auch für Vorbeter in kleinen Gemeinden wichtig und hilfreich war.

Was sind Ihre Ziele für das Militärrabbinat?
Mein langfristiges Ziel ist, die Vereinbarkeit der Religionsausübung mit dem Beruf des Soldaten, insbesondere für jüdische Soldaten, zu erleichtern und dazu beizutragen, dass die sichtbare Präsenz von Juden in der Bundeswehr sowie in der Gesellschaft allgemein zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit wird. Wenn dann in ein paar Jahren junge jüdische Erwachsene zu mir kommen und fragen, ob es als Jude eine gute Idee ist, zur Bundeswehr zu gehen, kann ich guten Gewissens »Ja« sagen.

Mit dem Militärbundesrabbiner sprach Joshua Schultheis.

Jewrovision

»Wir hatten den Süßheitsfaktor«

Die Juze-Leiter Sofia aus Aachen und Lenny aus Köln über Gänsehaut, ihren ersten gemeinsamen Sieg und eine NRW-After-Jewro-Party

von Christine Schmitt  19.06.2025

Illustratorin

Gemaltes Augenzwinkern

Lihie Jacob erhielt den Jüdischen Kinderbuchpreis 2025. Ein Besuch bei der Künstlerin

von Alicia Rust  19.06.2025

Sicherheit

Spürbare Sorgen

Infolge des Kriegs mit dem Iran wurde der Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt. In Mannheim wurde schon die »Meile der Religionen« abgesagt. Wie stellen sich Gemeinden auf die neue Bedrohungslage ein? Wir haben nachgefragt

von Christine Schmitt  19.06.2025

Erfurt

Neue Stücke eines jüdischen Schatzes aufgetaucht

Der 1998 in Erfurt gefundene jüdische Schatz gilt als der bedeutendste archäologische Fund der vergangenen 100 Jahre im Erfurter Stadtgebiet. Nun sind bislang unbekannte Stücke aufgetaucht

von Matthias Thüsing  18.06.2025

Jubiläum

Neue musikalische Pfade

Das Jewish Chamber Orchestra Munich unter Leitung von Daniel Grossmann feiert sein 20-jähriges Bestehen

von Ellen Presser  18.06.2025

Frankfurt am Main

Jüdische Gemeinde sagt »Resonanzräume«-Festival ab

Grund ist die »die aktuelle Eskalation der Situation zwischen Israel und dem Iran«, so die Kulturabteilung

 17.06.2025

Lesung

Ein zeitgenössisches Märchen

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter stellte im Literaturhaus seinen neuen Roman »Stadt der Hunde« vor

von Luis Gruhler  16.06.2025

Urteil

Sicherungsverwahrung nach Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge

Der Mann hatte die Tat eingeräumt und von »Stimmen« berichtet, die ihn zu dem Brandanschlag aufgefordert hatten

von Jörg Nielsen  16.06.2025

Thüringen

Gebete im »Salon Goethe«

Rund 130 Menschen kamen zum Schabbaton der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin nach Weimar

 16.06.2025