Umwelt

»Wir brauchen einen langen Atem«

Umweltwissenschaftler Andreas Weil kann wegen Corona derzeit nicht nach Israel reisen. Foto: Stephan Pramme

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»Wir brauchen einen langen Atem«

Mit seiner Organisation Eco Ocean kämpft Andreas Weil gegen die Ölpest in Israel – von Berlin aus

von Urs Kind  18.03.2021 13:50 Uhr

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Warum braucht es leider oft Katastrophen wie die aktuelle Ölverschmutzung vor der Küste Israels, um ein Umdenken in Fragen des Umweltschutzes zu bewirken? Diese Frage stellt sich für Andreas Weil in diesen Tagen und Wochen immer drängender. Mit seiner NGO »Eco Ocean« arbeitet der passionierte Taucher seit 20 Jahren im Bereich maritimer Bildung und Forschung in Israel und setzt sich nicht nur für den Schutz der Umwelt und der Ozeane ein, sondern trägt auch mit vielen freiwilligen Helfern dazu bei, die Folgen der jüngsten Ölkatastrophe zu beseitigen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge stellt Weil fest, dass auf der einen Seite »Glück im Unglück« dabei gewesen sei – denn der israelische Lockdown war zwei Tage zuvor beendet worden, sodass die freiwilligen Helfer schnell zur Tat schreiten konnten. »Auf der anderen Seite erschwert die Corona-Situation natürlich die Arbeiten enorm«, sagt Weil nachdenklich.

Üblicherweise verbringt der 48-Jährige seine Zeit jeweils zur Hälfte in Berlin und in Israel. Durch den Lockdown und die Reisebeschränkungen kann der Chef die Hilfsmaßnahmen jedoch derzeit nur aus der Ferne koordinieren.

Wegen Corona kann der Chef die Hilfsmaßnahmen derzeit nur aus der Ferne koordinieren.

Seit seine Tochter im Schulalter ist, lebt der schwedisch-israelische Meereswissenschaftler mit seiner aus Deutschland stammenden Partnerin in Berlin, doch die Schulferien verbringt die Familie stets in Israel. Der Plan ist es, wieder nach Israel zurückzugehen, wenn die Kinder älter geworden sind. Solange pendelt Weil regelmäßig zwischen den beiden Ländern.

PERSPEKTIVE Gegründet hat er die Organisation vor 20 Jahren, nachdem er in Israel und Pennsylvania, USA, Meeres- und Umweltwissenschaften studierte und feststellen musste, dass diese Themen in der israelischen Politik und Gesellschaft zur damaligen Zeit nahezu unbekannt waren.

»Mir geht es darum, das Land zu unterstützen«, sagt Weil. »Angesichts der Perspektive, dass Israel eines der am dichtesten besiedelten Industrieländer der Erde ist und die Bevölkerung sich bis 2050 verdoppeln wird, will ich dafür sorgen, dass Natur und Umwelt geschützt werden und erhalten bleiben.« Zu viele andere Themen scheinen stets akuter und wichtiger zu sein, sagt er, aber aus einer langfristigen Perspektive sei der Schutz der Umwelt eine zentrale Aufgabe, um die Lebensqualität für die wachsende Bevölkerung gewährleisten zu können. »Da braucht es offensichtlich einen langen Atem«, muss Weil immer wieder feststellen.

Und den hat er. Um Nachhaltigkeit zu bewirken, baute er mit seiner Organisation spezielle Bildungsprogramme auf, in denen mittlerweile 20.000 Kinder und Erwachsene jährlich in maritimen Umweltfragen unterrichtet werden.

Mittlerweile kommen von überall auf der Welt Menschen nach Israel und engagieren sich hier für maritime Umweltthemen – nicht nur in Form von Spenden, auf die die Organisation stets angewiesen ist, sondern auch durch freiwillige Mitarbeit, zum Beispiel als sogenannte Citizen Scientists, die bei der Sammlung von Daten für Forschungszwecke helfen.

RECYCLING Bis dahin war es ein weiter Weg. Geboren und aufgewachsen ist Andreas Weil in Schweden als Sohn des Finanzmagnaten und Kunstmäzens Robert Weil, der sich weltweit als Förderer jüdischer Kunst- und Kulturprojekte einen Namen gemacht hat und mit der Familie in Stockholm, New York und Tel Aviv lebt.

Als junger Erwachsener zog der Sohn von Stockholm nach Israel und stellte dann fest, dass Umweltbewusstsein und Recycling dort nahezu unbekannt waren. »In Schweden war ein solches Bewusstsein bereits wesentlich weiter verbreitet«, sagt er rückblickend. Er erinnert sich noch genau, wie es damals war: »Die Strände waren übersät mit Plastikabfällen, die die Menschen hinterlassen hatten«, sagt Weil und klingt auch nach 20 Jahren noch entrüstet.

Nachdem er sein Studium in den USA abgeschlossen hatte, kehrte Weil nach Israel zurück und begann damit, Wissenschaftler zu befragen, welche die drängendsten Umweltprobleme seien. Ein großes Missverständnis wurde ihm dabei bewusst: Viele Menschen wollten nicht wahrhaben, dass die meisten Plastikabfälle aus Israel selbst stammen und man nicht mit dem Finger auf andere zeigen konnte. Um dieses Bewusstsein zu schaffen, war viel Forschung und Überzeugungsarbeit nötig. Mit seiner Organisation erwarb Weil ein Schiff und rüstete es mit modernster Technik aus.

FORSCHUNGSSCHIFF Mit diesem ersten privat betriebenen Forschungsschiff sammeln nun internationale Forscher Daten und erforschen die Ursprünge der Plastikverschmutzung an den Küsten. Diese Forschung bringt Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die sich sonst nie getroffen hätten. Mit Unterstützung der Familienstiftung seines Vaters gelang es Weil, seine NGO aufzubauen und die ersten Projekte umzusetzen. Neben der Erforschung von Plastikverschmutzung im östlichen Mittelmeer stehen auch andere Projekte auf der Agenda von Eco Ocean: Erforschung und Schutz von Haien oder die Biodiversität.

Immer noch spielt der Umweltschutz in der israelischen Politik nach Meinung von Andreas Weil eine zu geringe Rolle. Es wird aus seiner Sicht bei diesen Themen zu wenig in Forschung und Bildung investiert, sodass NGOs hier eine entscheidende Rolle zukomme. Bereits vor zwei Jahren begann Eco Ocean damit, in einem Präventionsprogramm Strukturen mit freiwilligen Helfern zu schaffen, die sich um die Beseitigung von Schäden durch eine Umweltkatastrophe kümmern würden. Insgesamt 10.000 freiwillige Helfer engagieren sich seitdem für die Reinigung der Strände und die Beseitigung von Verschmutzungen.

Auf dem Forschungsschiff sammeln die Mitarbeiter Daten; vor Ort werden Helfer ausgebildet.

Dieses Engagement ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Präventionsmaßnahmen gegen Umweltverschmutzung und genießt weltweit eine hohe Anerkennung. Insofern waren die Helfer gut vorbereitet, als die ersten Ölklumpen an den Stränden auftauchten. »Doch so kann es nicht weitergehen«, sagt Weil, »die Präventions- und Aufräummaßnahmen müssten eigentlich von staatlicher Seite aus federführend vorangetrieben werden.«

ÖLVERSCHMUTZUNG Nach wie vor ist die Ursache der Ölverschmutzung nicht eindeutig geklärt. Nach Medienberichten soll ein griechischer Öltanker dutzende Tonnen Rohöl abgelassen haben, der Eigentümer des Schiffs weist bisher alle Vorwürfe zurück. »Man kann von Glück sagen«, findet Weil, »dass die Verschmutzung nicht die Ausmaße der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko erreicht, eine solche Menge an Öl hätte Israels Küste für viele Jahre vollständig zerstören können.«

Angesichts der entdeckten Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer vor Zypern, des Streits über die Bohrungen zwischen Griechenland und der Türkei und von geplanten Unterwasser-Pipelines in der Region steigt die Gefahr, dass sich in Zukunft Ölverschmutzungen an der israelischen Küste häufen können – und somit auch die Bedeutung von Präventions- und Schutzmaßnahmen zunimmt.

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