Workshop

Wenn Senioren chatten

Mit dem Sohn per Videochat plaudern, mit ein paar Klicks online eine Rechnung bezahlen oder schnell mal die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek checken: Das sind Dinge, die Miriam gerne mit ihrem Laptop machen möchte. »Die Bedienung des Computers fällt mir aber nicht leicht, ich habe das doch nie richtig gelernt«, sagt die 80-Jährige, die vor sich auf dem Tisch einen Schreibblock und ein Smartphone mit gelber Schutzhülle liegen hat.

Auch wenn ihr Sohn es ihr bereits eindringlich erklärt habe, wie sie E-Mails schreiben kann und bei Google eine Suchanfrage startet, stehe sie mit ihrem Laptop und mit ihrem Smartphone »grundsätzlich auf Kriegsfuß«, wie Miriam mit einem Augenzwinkern sagt.

»In Russland war ich die meiste Zeit meines Arbeitslebens als Ingenieurin für Elektromechanik beschäftigt, aber was die Technik heute so alles kann, ist doch etwas völlig anderes als damals.«

DURCHBLICK Um einen besseren Durchblick in der digitalen Welt zu bekommen und sich vor allem auch im praktischen Umgang mit Laptops und Co. fortzubilden, ist Miriam zusammen mit zwölf weiteren Senioren in das Digitale Lernzentrum von Facebook Deutschland am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte gekommen.

Zu dem PC-Workshop für Ältere eingeladen hat die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Es geht um die absoluten Basics, also wie man eine E-Mail verfasst, wie man eine Nachricht bei WhatsApp schreibt und wie man sich ein Skype-Konto erstellen kann.

Das Internet kann gerade auch für Senioren eine wichtige Hilfe gegen die Einsamkeit sein.

Ein Team aus vier jungen ZWST-Mitarbeitern steht den Kursteilnehmern bei allen Fragen mit offenem Ohr zur Seite. Die jungen Leute sprechen alle auch Russisch. Denn die Senioren, die heute zum ersten Mal bei einem Kurs dieser Art dabei sind, stammen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Sie kennen sich untereinander gut. Regelmäßig kommen die älteren Menschen im Treffpunkt für Schoa-Überlebende der ZWST in Berlin zusammen.

»Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Zentralwohlfahrtsstelle jetzt solche Computerkurse speziell für uns Alte anbietet«, sagt Miriam. Denn auch, wenn ihr Sohn sehr gut mit den technischen Geräten umgehen könne und in der digitalen Welt zu Hause sei, wolle sie ihn nicht immer mit ihren Fragen belästigen. »Er arbeitet sehr viel, und die seltenen Male, an denen er mich besuchen kommt, möchte ich nicht mit dem Gerede über Computer vertun«, sagt die rüstige Frau.

TRANSFORMATION Benjamin Fischer ist Leiter der Stabsstelle Digitale Transformation der ZWST und Koordinator des Projekts »Mabat«, in dessen Rahmen der PC-Workshop stattfindet. »Unser Ziel ist es, die Frage zu beantworten, wie jüdische Institutionen und deren Mitglieder nicht nur an der digitalen Transformation teilhaben, sondern diese auch aktiv mitgestalten können«, sagt Fischer.

Insbesondere ältere Menschen online zu bringen, sei dabei eine der großen Herausforderungen.
»Das Internet kann gerade auch für Senioren eine wichtige Hilfe gegen die Einsamkeit sein, da sie über die verschiedenen Kontaktmöglichkeiten mit ihren Freunden und der Familie in Verbindung bleiben können, auch wenn diese nicht in derselben Stadt wohnen«, erklärt Fischer.

Im vergangenen Jahr hat sich sein Team darangemacht, sechs Einrichtungen der stationären jüdischen Altenpflege in Deutschland mit WLAN auszustatten. Die Computerkurse sind die zweite Stufe des deutschlandweiten Digitalisierungsprogramms.

Experten warnen vor einer weiter wachsenden digitalen Kluft zwischen Jung und Alt.

»Nachdem wir in den Einrichtungen 2019 für die Hardware gesorgt haben, geht es jetzt darum, den Menschen die Soft Skills beizubringen«, sagt Fischer. PC-Kurse für Senioren aus der Gemeinde wie in Berlin will die ZWST ab diesem Jahr deutschlandweit anbieten. Dafür sollen in den nächsten Monaten in mehreren Städten Workshops für Studenten angeboten werden, die die Kurse für die Rentner anleiten.

Für Fischer ist der intergenerationelle Gedanke bei dem Vorhaben wichtig. »Es ist etwas Großartiges, wenn junge Menschen ihr Wissen über das Internet und Computer an die ältere Generation weitergeben können. Sie geben damit auch etwas zurück«, sagt er.

INTERNET Wie dringlich digitale Fortbildungskurse für ältere Menschen sind, belegen aktuelle Zahlen aus der Wissenschaft. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet sind es bei Rentnern ab 75 Jahren zwischen 78 und 89 Prozent, die das Netz nicht nutzen.

Betrachtet man die Gruppe der 70- bis 75-Jährigen, ergibt die Studie, dass rund zwei Drittel der Menschen aus dieser Altersgruppe auf das Internet nicht regelmäßig oder gar nicht zugreifen. Das heißt, dass rund zehn Millionen Menschen in Deutschland offline sind. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind diese Zahlen erschreckend.

Experten warnen vor einer immer weiter wachsenden digitalen Kluft zwischen Jung und Alt, bei der die ältere Generation in puncto Teilhabe auf der Strecke bleibt. Welche konkreten Folgen diese Kluft bereits heute schon haben kann, zeigt die Studie ebenfalls.

So haben Befragungen ergeben, dass rund 80 Prozent der Senioren über 70 Jahren sagen, dass sie gerne online einkaufen würden, weil es ihnen Laufwege erspare, es tatsächlich aber nur 25 Prozent tun. Die Gründe dafür sind schnell ermittelt: Registrierungsmodalitäten, die Notwendigkeit eines eigenen E-Mail-Accounts und die Angst vor Betrügereien bei Onlinebezahlweisen werden als zu hohe Hürden wahrgenommen.

VORBEHALTE ZWST-Digitalexperte Fischer kennt die Statistiken und auch die Vorbehalte, die ältere Menschen häufig gegenüber den neuen Technologien haben, nur allzu gut. »Technische Hilfsmittel können das Leben für Senioren einfacher machen, das ist gar keine Frage«, sagt er. »Aber natürlich rufen diese vermeintlichen Hilfsmittel auch Berührungsängste hervor, das ist ganz normal bei Veränderungen, die man zunächst nicht kennt.«

Genau an diesem Punkt wolle die ZWST mit ihren digitalen Fortbildungskursen ansetzen. Die Bilanz nach dem Workshop in Berlin fällt für Fischer jedenfalls sehr positiv aus. Und auch Miriam ist zufrieden. »Ich habe gelernt, wie einfach und simpel es ist, jemanden per Video anzurufen«, sagt die ältere Dame. Das wolle sie zu Hause gleich mit ihrem Sohn ausprobieren.

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