Debatte

Weder Schall noch Rauch

Der Berliner Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn Foto: Chris Hartung

Ein Anfang ist endlich gemacht. Das betonen der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen und Berlins Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn bei der Präsentation einer neuen Studie, die 290 Straßen und Plätze in Berlin auflistet, deren Namensgeber es mit Juden nicht sonderlich gut meinten.

So findet sich unter anderem im Bezirk Steglitz-Zehlendorf nach wie vor eine Straße, die nach Heinrich Treitschke benannt ist, von dem der berühmt-berüchtigte Satz »Die Juden sind unser Unglück« stammt. Und eine Walter-Linse-Straße in Lichterfelde erinnert an einen Juristen, der in der Industrie- und Handelskammer in Chemnitz verantwortlich für die »Arisierung« war. All das wirft Fragen auf.

Vorzeichen Dabei ist die Debatte über Straßennamen und ihre Umbenennung alles andere als neu. »Nur fand sie bis dato vor allem unter postkolonialen Vorzeichen statt«, so Salzborn, der die Studie mit in Auftrag gegeben hatte. Beispiele dafür sind die Mohrenstraße in Mitte oder das Afrikanische Viertel im Wedding mit seiner Lüderitzstraße und dem Nachtigalplatz, die allesamt nach zweifelhaften Figuren der deutschen Kolonialgeschichte benannt wurden. Nun also eine neue Liste mit Persönlichkeiten, die im Laufe ihres Lebens durch eine judenfeindliche Einstellung auffällig geworden sind.

»Wir wollen damit eine breite Debatte anstoßen.«

Berlins Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn

»Wir wollen damit eine breite Debatte anstoßen«, fasst Berlins Antisemitismusbeauftragter die Intention dahinter zusammen. »Die Studie soll einen Beitrag dazu leisten, das Ganze auf eine systematische Grundlage zu stellen.«

Nun liegt der Ball bei den Verantwortlichen, und das sind die jeweiligen Berliner Bezirke. Sie haben bei einer Umbenennung letztendlich das Sagen. »Wir wünschen uns, dass sie das Thema endlich ernst nehmen und sich jetzt zumindest die Frage stellen, was man unternehmen kann.«

BIOGRAFIEN Genau das ist aus den unterschiedlichsten Gründen lange Zeit nicht geschehen. Mal weil das Interesse zu gering war, mal liefen die Anwohner Sturm, da sie den Verwaltungsaufwand bei einer Adressenänderung vermeiden wollten. »Die Fülle der antisemitischen Bezüge, die sich zeigte, hat auch mich als Wissenschaftler erstaunt«, erklärt Sassmannshausen, der die Liste von Mai bis Oktober erstellt hatte.

Immerhin hat er in diesem Zeitraum 290 Straßen und Plätze erfasst und mit reichlich Faktischem zu den Biografien ihrer Namensgeber unterfüttert. »Dabei handelt es sich nur um einen ersten Einblick«, wie er anmerkt. »Das Dossier ist insofern als Ausgangspunkt für die vertiefte Auseinandersetzung zu verstehen, indem Indizien und Hinweise auf wissenschaftliche Fachliteratur vorfindlich sind, die im Rahmen dieses Projektes nicht umfassend ausgewertet werden konnten.«

Gründe für eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema nennt auch Deborah Hartmann. »Straßennamen prägen das Bild von unserer Stadt, sie verbinden uns mit dem Ort, an dem wir wohnen und arbeiten«, so die Leiterin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, die die Präsentation der Studie begleitete. Allein deswegen kann es nicht einfach egal sein, nach wem sie benannt werden.

EMPFEHLUNGEN Damit war man mittendrin in der Diskussion darüber, welche Handlungsempfehlungen jetzt ausgesprochen werden könnten. Denn wie im Fall der Treitschkestraße oder auch der Beuthstraße, benannt nach einem prominenten Mitglied der antisemitischen Deutschen Tischgesellschaft, wäre eine Umbenennung ein Gebot der Stunde. »Ein neuer Straßenname soll die Geschichte ja nicht unsichtbar machen, sondern ein Zeichen sein, dass wir uns unserer Vergangenheit und Gegenwart bewusst sind.«

Oft liefen die Anwohner Sturm, da sie den Verwaltungsaufwand bei einer Adressenänderung vermeiden wollten.

Aber auch andere Optionen sind möglich, wie Salzborn, Sassmannshausen und Hartmann aufzeigen. Das kann durch eine historische Kontextualisierung erfolgen. Informationstafeln weisen dann darauf hin, dass der Namensgeber einer Straße vielleicht Verdienste vorzuweisen hat, aber gleichzeitig auch problematische, und zwar judenfeindliche, Einstellungen vertrat, wodurch das Ambivalente stärker zum Vorschein kommt. Was jedoch nicht mehr geht, und das beweist die Studie auf eindrucksvolle Weise, ist Ignoranz gegenüber dem Thema.

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