Jugendkongress

»Warnung und Botschaft«

Nach einem Rundgang durch die Berliner Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz zeigte sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, tief bewegt und erschüttert. Was sich an diesem Ort vor ziemlich genau 72 Jahren abspielte, das war die fatale Verbindung der Bürokratie mit dem Bösen. Graumann sagte am Freitag bei einer Gedenkzeremonie, an der rund 400 Teilnehmer des Jugendkongresses teilnahmen: »Hier wurde der Masterplan des Massenmordes beschlossen. Massenmord nach Aktenlage.«

Dies habe direkte Konsequenzen für so viele Juden gehabt, auch für seine eigenen Eltern, die in verschiedenen Konzentrationslagern so viel Schlimmes erleiden mussten. »Das ist die grausame Linie, die führt vom Wannsee ganz direkt in mein eigenes Leben. Und so geht es vielen anderen jüdischen Menschen auch.«

Konsequenzen Graumann sprach anschließend vom »Wannsee als Warnung« und »Botschaft für uns«. Es gebe eine ganze Reihe von konkreten Konsequenzen, die wichtig seien für unsere Zeit. Erstens: Erinnern und niemals vergessen. Die heutige Generation der Deutschen trage gewiss keine persönliche Schuld, aber immerzu Verantwortung: »Und sie gilt für die volle Zeitspanne der ganzen Ewigkeit.« Die Teilnehmer des Jugendkongresses forderte er auf, die Fackel des Gedenkens weiter zu tragen: »Ihr müsst das tun wollen – auch wenn es schmerzhaft ist und es gewiss auch schönere Aufgaben und Pflichten gibt.«

Als zweite Konsequenz nannte Graumann den Kampf gegen den Faschismus. Dies gelte in Deutschland, aber auch zum Beispiel in Ungarn oder Griechenland, eben überall dort, wo Menschen ausgegrenzt und diskriminiert, bedrängt und bedroht würden: »Wir erheben hier immer unsere Stimme. Denn jeder muss wissen: Wer immer mit dem Faschismus flirtet, dem schauen und hauen wir auf die Finger. Das ist auch ein Markenzeichen des Zentralrats.« Graumann wiederholte nochmals die Forderung nach einem NPD-Verbot.

Israel Die dritte Konsequenz betreffe Israel. Das Land sei das jüdisch-spirituelle Zentrum und zugleich der letzte sichere Hafen. Graumann sagte, er sei fest davon überzeugt, dass es mit Israel keine Schoa gegeben hätte. »Denn: Israel schützt uns Juden auf der ganzen Welt. Israel ist mit uns Juden. Und wir Juden müssen und wollen auch immer mit Israel sein.«

Zuletzt nannte der Zentralratspräsident als vierte Konsequenz den Aufbau einer jüdischen Zukunft. Die Wannsee-Konferenz sei düstere Geschichte, doch die Teilnehmer des Jugendkongresses stünden stellvertretend für eine strahlende Zukunft. Mit den jungen Erwachsenen gemeinsam an diesem Ort zu sein, sei für ihn ein ganz starkes, ein überwältigendes, fast sogar schon übermächtiges Gefühl: »Es bedeutet für mich ein lautes, ein unbeugsames, ein unbändiges, ein starkes und ein stolzes jüdisches Dennoch und ein jüdisches Trotzdem.« Es sei eben nicht gelungen, Deutschland für immer judenrein zu machen. »Ganz im Gegenteil: Wir bauen hier, und gerade auch wieder hier, unsere neue Zukunft auf.«

Erst vor wenigen Wochen habe in Berlin der neue große jüdische Gemeindetag stattgefunden: Dieser sei mit über 800 Teilnehmern eine neue Dimension, Inspiration und Intensität an Jüdischkeit gewesen, wie es sie nach der Schoa niemals in diesem Land gegeben habe. »Wir wollen dem Judentum hier, aller düsteren Vergangenheit zum Trotz, gemeinsam eine neue, moderne, eine frische und vor allem auch eine positive Perspektive verschaffen.«

Programm Der Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) und des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte am Donnerstagabend begonnen. 400 junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren sind zu dem viertägigen Treffen unter dem Motto »Wie antisemitisch ist Europa heute?« in Berlin.

Neben der Gedenkzeremonie fanden am Freitag Workshops und Seminare im Haus der Wannsee-Konferenz statt, unter anderem ein Zeitzeugenbericht des Schoa-Überlebenden Noah Klieger. Der Psychologe und Coach Louis Lewitan gab Einblicke in die »Psychopathologie des Antisemitismus«. Matthias Jakob Becker von der TU Berlin beleuchtete mit dem Thema »Antisemitismus im Internet« eine vergleichsweise neue Erscheinungsform des Judenhasses. Und Ron Schleifer von der israelischen Universität sprach über muslimischen Antisemitismus.

Am Abend steht dann die gemeinsame Schabbatfeier auf dem Programm. Am Samstag können die Teilnehmer weitere zahlreiche Workshops besuchen. Mit einer Abschlussdiskussion am Sonntag endet der Jugendkongress. ddk

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025