Würzburg

Verhalten optimistisch

Zogen eine positive Bilanz der Erinnerungsarbeit: Diskutanten im Gemeindezentrum Foto: Stefan W. Römmelt.

David Schuster hätte sich vielleicht gefreut. Jedenfalls war die Stimmung nach einer Podiumsdiskussion im Würzburger Gemeindezentrum »Shalom Europa« am vergangenen Donnerstag »verhalten optimistisch«, wie es Moderatorin Rotraud Ries formulierte.

Im gut besuchten Großen Saal, der nach David Schuster, dem langjährigen Leiter der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, benannt ist, berichteten vier Expertinnen und Experten, warum sie sich mit der reichen jüdischen Geschichte in der Region beschäftigen und wie sie in politisch unruhigen Zeiten Gegenwart und Zukunft der Erinnerungskultur beurteilen.

Landjudentum Zu Beginn erinnerte Ries, die Leiterin des im »Shalom Europa« ansässigen Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, an vier wichtige, zum Teil bereits verstorbene Impulsgeber für die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in der Region. Zu ihnen gehört der 1999 verstorbene David Schuster. Dem in Bad Brückenau geborenen, aus dem fränkischen Landjudentum stammenden Schuster sei es dank seiner guten Beziehungen in die Gesellschaft hinein bereits 1961 gelungen, die Erinnerung an die Schoa in das Gedenken am Volkstrauertag zu integrieren.

Fast 20 Jahre später, 1980, erschien Herbert Schultheis’ Pionierarbeit leistende Studie Juden in Mainfranken 1933–1945 unter besonderer Berücksichtigung der Deportationen Würzburger Juden. Mit dieser Publikation habe der katholische Theologe laut Ries eine »Welle ausgelöst«, darunter die von der 2017 verstorbenen Haßfurter Bibliothekarin Cordula Kappner 1983 organisierte Ausstellung Buchführung des Todes mit 10.000 Besuchern.

Dokumentationen 2014 verstorben ist auch der Heimat- und Familienforscher Michael Schneeberger aus Kitzingen, an den noch bis zum 19. April im Johanna-Stahl-Zentrum die Ausstellung Der Spurenfinder erinnert. Hauptsächlich mit den baulichen Relikten der jüdischen Gemeinden in Unterfranken und Bayern beschäftige sich Israel Schwierz. Seine Dokumentation Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern wurde mehrmals aufgelegt.

Das Fazit der Diskussion lautete: Entscheidend für die Zukunft der Erinnerungskultur ist die Schule.

Die Podiumsdiskussion mit dem Würzburger Historiker Roland Flade, der Veitshöchheimer Kulturreferentin Karen Heußner, der Heimatpflegerin Cornelia Mence aus Hammelburg und dem Marktheidenfelder Historiker Leonhard Scherg machte eines deutlich: Viel ist in Sachen jüdischer Erinnerungskultur in Unterfranken in den vergangenen vier Jahrzehnten erreicht worden.

DenkOrt Die für den 21. April geplante Eröffnung des »DenkOrts Deportationen 1941–1944« vor dem Würzburger Hauptbahnhof wäre ohne die Arbeit der verstorbenen und lebenden Protagonisten der Erinnerungskultur nicht möglich gewesen.

Trotz der derzeit angespannten politischen Situation zogen die Diskutanten eine weitgehend positive Bilanz ihrer bisher geleisteten Erinnerungsarbeit: »Die Saat ist aufgegangen«, bemerkte Scherg mit Blick auf die Situation in der Region Main-Spessart, wo er eine »ungeheure Offenheit« für die jüdische Geschichte sieht. Historikerkollege Flade stellte fest, dass er mit seinen Studien viele Menschen erreiche. »Es sind aber immer dieselben«, fügte er leicht resigniert hinzu.

Für die Zukunft der Erinnerungskultur sei es laut Flade wichtig, die Politik und die »Abwehr von dem, was sich auf der rechten Seite tut« im Blick zu behalten. Einer Meinung waren die Diskutanten in einem Punkt: Entscheidend für die Zukunft der Erinnerungskultur ist die Schule.

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025