Bernau

Unsicher in Brandenburg

Trügerische Idylle: Bernau Foto: imago

Das brandenburgische Städtchen Bernau macht mobil. Für diesen Donnerstag haben linke Antifa-Gruppen zur Aktionswoche gegen Neonazis aufgerufen. Wenn auch nicht gerade von dieser Seite, so kann die jüdische Gemeinde im Nordosten Brandenburgs die Unterstützung gegen Rechts gut gebrauchen. Denn seit Monaten wird sie von Neonazis attackiert.

Mit Schrecken denkt Gemeindevorsitzende Diana Sandler an den 9. November vergangenen Jahres zurück. In anderen Teilen des Landes gedachte man der Reichspogromnacht, in Barnim ruft man den jüdischen Mitbewohnern »Juden raus« hinterher.

Keine Trendwende »In Brandenburg ist Antisemitismus sehr wohl ein Problem«, sagt Sandler. Auch wenn die Statistiken des Landeskriminalamtes meldeten, dass die Zahlen rückläufig seien. 2009 gab es 109 Delikte, und 2010 wurden 42 Delikte mit antisemitischem Motiv gezählt. Das mache es für Opfer nicht weniger beunruhigend, meint Sandler. Vor Ort sei dieser rückläufige Trend nicht erkennbar.

Ob Beschimpfungen oder Hakenkreuzschmierereien am Gemeindehaus – ihr Sohn sei sogar von Neonazis durch einen Tritt in den Magen verletzt worden, empört sie sich. Seit den letzten drei Jahren häuften sich hier antisemitische Vorfälle. »Die Nazis provozieren überall, wo sie nur die Gelegenheit finden.« Im März, kurz nachdem die Gemeinde umgezogen sei, wurden die Fenster mit Steinen eingeworfen und abermals Hakenkreuze an die Wände geschmiert. Sicher fühle man sich in Bernau nicht.

Ärgernis Insgesamt 165 Mitglieder, überwiegend russischsprachige Zuwanderer, habe die Gemeinde im Landkreis Barnim. Betreut werden allerdings etwa 400 Menschen. Sechs hauptamtliche und 27 ehrenamtliche Mitarbeiter stehen dazu zur Verfügung. »Wir arbeiten nicht nur mit unseren Mitgliedern. Unsere Projekte und Betreuung stehen für alle Menschen mit und ohne Migrationshintergrund offen«, erklärt Sandler den Mehraufwand. Das ziehe auch Mitglieder aus anderen Gemeinden des Landes an und ärgere wohl die Nazis.

»Wir sind in Brandenburg die einzige Gemeinde, die für alle Juden in diesem Bundesland eine Antidiskriminierungsberatungsstelle hat«, erzählt Sandler, die auch Geschäftsführerin des Integrationsvereins Diamant ist. Die ist anscheinend auch dringend nötig.

Nach den antisemitischen Vorfällen wären erhöhte Sicherheitsvorkehrungen selbstverständlich. Doch nicht in der Stadt Bernau. Die jüdische Gemeinde gilt hier als ein Verein wie jeder andere. Für die Kosten, die sowohl durch die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen als auch durch Reparaturen entstehen, muss die Gemeinde daher mit Unterstützung von Privatpersonen und der Nachbargemeinde Königs- Wusterhausen weitestgehend selbst aufkommen.

Porträt der Woche

Familie, Glaube, Neubeginn

Edouard Joukov stammt aus Russland und fand seinen Platz in der Ulmer Gemeinde

von Brigitte Jähnigen  28.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  28.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Mitzvah Day

Grünes Licht

Jüdische Gemeinden und Gruppen gestalteten deutschlandweit den Tag der guten Taten

von Katrin Richter  27.11.2025

Düsseldorf

Cooler Kick

Beim Ilan Fiorentino Cup kamen im Gedenken an Spieler aus dem Kibbuz Nahal Oz Israelis, Exil-Iraner und das NRW-Landtagsteam zu einem Freundschaftsturnier zusammen

von Jan Popp-Sewing  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Berlin

Es braucht nur Mut

Das Netzwerk ELNET hat zwei Projekte und einen Journalisten für ihr Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. Auch einen Ehrenpreis gab es

von Katrin Richter  26.11.2025

Feiertage

Chanukka-Geschenke für Kinder: Augen auf beim Kauf

Gaming-Konsole, Teddybär oder Carrera-Bahn - Spielzeug dürfte bei vielen Kindern auf dem Wunschzettel stehen. Worauf zu achten ist - und wann schon der Geruch stutzig machen sollte

 26.11.2025