Isolation

Tränen am Telefon

Zuhören ist für die Helfer mit das Wichtigste, das sie älteren Gemeindemitgliedern bieten können. Foto: imago images / Panthermedia

Die Mitarbeiter der jüdischen Gemeinden in Deutschland sind weiterhin telefonisch zu erreichen – auch wenn die Apparate meistens in den eigenen vier Wänden klingeln. Etliche haben eine Rufumleitung und sind im Homeoffice zu erreichen. So auch in Freiburg. »Hier in der Gemeinde ist alles geschlossen«, sagt Elena Miller, Sozialarbeiterin der Jüdischen Gemeinde Freiburg. »Wir verzichten auf jeden persönlichen Kontakt.«

Aber die Sozialarbeit hat keine Pause. Vor Kurzem, sagt Miller, habe sie ein längeres Gespräch mit einer jungen Frau geführt, die total verzweifelt war. Ihr Großvater liegt wegen Covid-19 auf der Intensivstation im künstlichen Koma, und ihre Mutter ist aufgrund einer Infektion isoliert.

»Da hilft erst einmal nur zuhören«, so Millers Erfahrung. Glücklicherweise habe die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) eine Hotline eingerichtet. Deren Mitarbeiter können weiterhelfen.

Telefonate Gerade mit älteren Mitgliedern werde regelmäßig telefoniert und nachgefragt, wie es ihnen geht. Viele würden dann fragen, wann sie wieder hinausgehen dürfen. »Da muss ich immer gute Worte finden und genau erklären, dass man sich und seine Mitmenschen schützen muss.« Das tut sie in mehreren Sprachen. Etliche vermissen auch den Deutschkurs und wollen erfahren, wann er wieder anfängt.

Elena Miller bietet Unterstützung bei amtlicher Korrespondenz an.

»Viele ältere Mitglieder sind über gute Pflegedienste und Angehörige versorgt«, sagt Miller. Wer Hilfe braucht, bekommt sie auch in der Corona-Zeit. Amtliche Briefe, bei denen Mitglieder Unterstützung benötigen, lässt sie sich am Telefon vorlesen.

Homeoffice »Ich erledige dann vieles telefonisch bei den Ärzten oder Behörden.« Formulare werden mitunter – kontaktlos – von einem Boten abgeholt, zu ihr gebracht und schließlich an die entsprechenden Stellen weitergeleitet. »Der Schriftverkehr ist auch jetzt immer noch da.«

Ärztliche Rezepte können ebenfalls aus der Praxis abgeholt und gleich bei der jeweiligen Apotheke eingelöst werden – auch das geschieht per Kurier.

Erika Frank, Sozialpädagogin und Migrationsberaterin der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, ist ebenfalls unter ihrer normalen Büronummer zu erreichen. »Es ist uns ein großes Anliegen, gerade unseren älteren Mitgliedern und Holocaust-Überlebenden zuzuhören«, sagt sie.

Mittagstisch Vor Corona trafen sich die Senioren einmal wöchentlich in der Gemeinde, und dienstags gab es einen Mittagstisch. Diese Aktivitäten können nun vorerst nicht stattfinden. Dass diese regelmäßigen Treffen zurzeit nicht möglich sind, sei für die ältere Generation ein großes Problem. »Wir kennen viele, denen die Einsamkeit zu schaffen macht«, deshalb kümmere man sich regelmäßig um sie.

Ehrenamtliche unterstützen die Mitarbeiter der Sozialabteilung. Kürzlich habe ihr ein freiwilliger Helfer berichtet, dass ein alter Mann geweint und sich bedankt habe, dass er nicht vergessen wird. »Viele haben Angst und fragen sich, wie lange das gehen soll und ob sie sich anstecken werden.« Erika Franks Antwort: »Bleiben Sie zu Hause.«

Älteren Menschen soll das Gefühl vermittelt werden, gar nicht die Wohnung verlassen zu müssen.

Briefe werden auch in Würzburg abgeholt, denn die Menschen sollen das Gefühl haben, dass sie gar nicht hinausmüssen – nicht einmal zum Briefkasten.

Aber Erika Frank hat auch festgestellt, dass die Bearbeitung der Behördenbriefe vor Corona wesentlich leichter war. »Der direkte persönliche Weg war besser, nun läuft alles über E-Mails.« Und der Leiter des Jugendzentrums, Alexander Schiff, halte den Kontakt zu den Jugendlichen. Planen könne die Gemeinde nun auch nichts – Erika Frank hofft auf Juni.

Kabbalat Schabbat In der Jüdischen Gemeinde Pinneberg in Schleswig-Holstein geht die Beterschaft nun einen digitalen Weg: Ab Freitag, 24. April, wird sie im Zwei-Wochen-Rhythmus Kabbalat Schabbat über Zoom anbieten. »Wir wollen auf die Gemeinschaft und das Zusammensein nicht verzichten. Wer weiß, wie lange die Krise noch dauert. Auch der Schabbat und unsere Tora sind aktuell«, heißt es auf der Website.

Die Gemeinde Pinneberg will jetzt alle 14 Tage einen online-Gottesdienst anbieten.

Um 17.30 Uhr wird es am Freitag mit Begrüßung und Vorstellungsrunde losgehen. Dann werden gemeinsam Kerzen gezündet, gesungen und Texte auf Russisch, Deutsch und Hebräisch gelesen.

Auch die Rostocker Gemeinde hat Wege über das Internet gefunden. So werden die Theaterproben online stattfinden, und die Sozialabteilung bleibt nur telefonisch zu erreichen. Aber immerhin kann die Bibliothek besucht werden: Jeweils eine Person darf sich laut Website dort aufhalten. Und weiter: »Wir hoffen, dass die Gemeinde in naher Zukunft wieder wie gewohnt arbeiten kann.« Doch wie lange das dauern wird, weiß bislang niemand.

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